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M3

M 3: Aus den Memoiren (Lebenserinnerungen) des Philosophen Rudolf Eucken

„Die Bismarck‘sche Politik hingegen stellte die Lage unter einen völlig neuen Anblick. Hatten wir bis dahin die Einigung Deutschlands vom gemeinsamen Willen des ganzen Volkes erwartet, so wurde uns nun jene Leistung von oben her entgegengebracht. Die einzelnen hatten kaum etwas Eigenes zu tun, sondern nur sich willfährig der gebotenen Gestaltung einzufügen. Die überwiegende Mehrzahl folgte dieser Richtung; es wirkte wohltuend und befestigend, dass sich aus dem wirren Getriebe der Parteien und der sich gegenseitig widersprechenden Programme eine feste Hand hervorhob und ein deutliches Ziel vorhielt. Andere aber konnten bei aller Anerkennung der überlegenen Größe des Mannes die Tatsache nicht vollauf verwinden, dass jene Wendung ohne alle Selbsttätigkeit des Volkes erfolgte. […]

Die Schuld jener Wendung lag freilich weniger bei Bismarck, dessen unermessliche Verdienste über aller Kritik stehen, als an der Schlaffheit und Trägheit des deutschen Bürgertums, das völlig zufrieden war, wenn es ihm nur wirtschaftlich gut ging. Man erklärte sich als „reichstreu“, was im Grunde selbstverständlich war, man bezahlte einen bescheidenen Beitrag für die Parteikasse, man besuchte gelegentlich eine Versammlung und ließ das deutsche Leben mit all seinen inneren Problemen ruhig stehen, wie es stand. Ich habe in jenen Zeiten wohl an das bekannte Wort Gladstones gedacht, Bismarck habe Deutschland größer, die Deutschen aber kleiner gemacht. […]“

Eucken, Rudolf: Lebenserinnerungen, Leipzig 1922

Aufgabe: Kreuze an, ob die folgenden Aussagen wahr oder falsch im Sinne des Textes sind.

 

wahr

falsch

Die Reichsgründung vollzog sich „von oben“.

 

 

„Von oben“ bedeutet: nicht durch das Volk selbst, sondern durch Bismarck.

 

 

Das Bürgertum fand das gut: Es fand das bequem.

 

 

Das Bürgertum fand das gut: Hauptsache, die Wirtschaft läuft.

 

 

Manche fanden das aber nicht gut: Sie wollten sich die Sache nicht aus der Hand nehmen lassen.

 

 

Achtung Quellenkritik!

Hier handelt es sich um Memoiren, die im Jahr 1922 entstanden sind.

Viele Menschen neigen dazu, sich in Memoiren – diese sind ja für die Öffentlichkeit bestimmt – selbst etwas klüger und weitsichtiger darzustellen, als es angemessen ist.

Rudolf Eucken lebte von 1846 bis 1926. Er war also zur Zeit der Einigungskriege schon erwachsen und erlebte diese Zeit bewusst mit. Aber: Er schrieb seine Memoiren erst viel später und vor allem in Kenntnis der weiteren Entwicklung, insbesondere des Ersten Weltkriegs. Ein größerer zeitlicher Abstand kann dazu führen, dass man Dinge wieder vergessen hat, aber auch dazu, dass man Zusammenhänge klarer sieht.

Ob Eucken also schon während der Einigungskriege zu seiner Einschätzung Bismarcks und der Liberalen gelangt war oder erst später, können wir dieser einzelnen Quelle nicht entnehmen. Auf alle Fälle handelt es sich nur um Euckens persönliche Wahrnehmung und Bewertung, nicht um objektive Tatsachen. Bei deinem Artikel für den Ausstellungskatalog solltest du das bedenken und zum Beispiel Eucken und Jhering (M 2) einbeziehen.

Reichsgründung: Herunterladen [docx] [733 KB]

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