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Ergebnissicherung / Evaluation

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Beispiel „Öffentliche Vorverurteilung“

1. Hinweis für die Lehrkraft

Ein siebzehnjähriger Jugendlicher wurde in seinem Elternhaus verhaftet und unter den Augen von Passanten und Nachbarn abgeführt. Man verdächtigte ihn, ein elfjähriges Mädchen vergewaltigt und getötet zu haben. Über Internetforen wurde sein Name sehr schnell verbreitet, Forderungen nach einem „kurzen Prozess“ wurden laut, das Haus seiner Eltern wurde von einer aufgebrachten Menge belagert. Kurz darauf erkennen die Ermittlungsbehörden, dass der junge Mann unschuldig ist; er wird aus der Haft entlassen. Unmittelbar danach wird der wahre Täter festgenommen und mittels DNA-Analyse überführt. Vorwürfe werden laut, dass der Name des Verdächtigten, aber nicht Überführten bekannt werden konnte und im Internet eine Hexenjagd gegen ihn und seine Familie inszeniert werden konnte.

Alternativ kann entweder der Text von Thomas Heyer (s.u.: Die öffentliche Vorverurteilung! ) vorgelegt werden oder die Schülerinnen und Schüler erhalten die Aufgabe, den Fall im Netz zu recherchieren.

2. Ausgangspunkt

Eine Gruppe von Jugendlichen will sich, angestoßen durch dieses Ereignis, dagegen wehren, dass in unserer Gesellschaft ein solcher vorverurteilender und entwürdigender Umgang mit Verdächtigten möglich ist.

3. Aufgabe

Verfassen Sie einen Artikel für die örtliche Tageszeitung/posten Sie einen Beitrag in einem von Jugendlichen rezipierten Internet-Blog/gestalten Sie eine Plakataktion für die Schulöffentlichkeit/(andere Möglichkeiten), in dem/in der Sie ausgehend vom christlichen Menschenbild differenziert begründen, warum solche und ähnliche Vorfälle nicht passieren dürfen. Berücksichtigen Sie in Ihrer Argumentation auch andere Vorstellungen vom Menschen.

Setzen Sie sich mit möglichen Reaktionen auf Ihre Stellungnahme auseinander und erklären Sie dabei, was es für Sie bedeutet, sich verantwortungsbewusst gegenüber „öffentlichen Vorverurteilungen“ zu verhalten.

Überprüfen Sie in einem abschließenden Schritt Ihren eigenen Erkenntniszuwachs im Vergleich mit der Lernstandsdiagnose.

Die öffentliche Vorverurteilung!

Es war eben keine Faktenlage, sondern lediglich eine Spekulationslage! Und, keine Frage – wir haben fleißig mit spekuliert. Dabei haben wir so vorsichtig wie möglich formuliert. Selbstverständlich war immer die Rede vom „mutmaßlichen“ Täter, von einem „Verdächtigen“ - „wenn er es denn war ...“ Doch zu sehen war auch bei uns ein Foto des jungen Mannes, dem 17-jährigen Berufsschüler aus Emden, das ihn in einer Wohnung zeigt, sein Gesicht unkenntlich gemacht. Kriminalpsychologen haben auch in der „Aktuellen Stunde“ über das Profil des Täters ihre Meinung abgeben dürfen.

Über all das haben wir heute Mittag in unserer Redaktionskonferenz diskutiert, selbstkritisch diskutiert – denn der 17 Jahre alte Emdener wurde aus der Haft entlassen. Er ist unschuldig! So die Staatsanwaltschaft. Sie ist von der Unschuld des Berufsschülers, der tagelang unter Verdacht stand, den ein Mob via Internet verfolgte und den man aus dem Polizeigewahrsam unter Rufen wie „Hängt ihn“ oder „Steinigt ihn“ holen wollte, überzeugt. Hat der Fall Lena jetzt ein weiteres Opfer? Es scheint so. Die Macht der Bilder hat uns überrollt. Die Parkhausvideos, der Mann im Kapuzenpulli, war es der 17-Jährige? Wenn er es war, dann war er jedenfalls nicht der Täter. Tagelang wurde er dennoch verurteilt – vorverurteilt. Jetzt nach seiner Freilassung steht er unter Polizeischutz und benötigt vermutlich eine psychologische Betreuung. Indizien wurden von Fakten widerlegt, der Berufsschüler kann nicht der Täter sein! Der junge Mann hat in den vergangenen Tagen den blanken Horror erlebt. Das werden einige Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaft vermutlich ähnlich sehen...

(URL: http://wdrblog.de/aks/archives/2012/03/die_offentliche.html, eingestellt am Freitag, 30.03.2012, 15:08h; letzter Zugriff 08.08.2012)
(„Die öffentliche Vorverurteilung“ aus einem Blog der „Aktuellen Stunde“ Im WDR vom 30.03.2012 © Thomas Heyer.)

Der Autor
Thomas Heyer hat Politologie, Germanistik, Film-, Fernseh- und Theaterwissenschaften studiert. Zur Zeit ist er für den WDR als Moderator der „Aktuellen Stunde“, „WDR Extra“ und „WDR Aktuell“ tätig. Daneben ist er Dozent und Coach bei der Deutschen Welle Akademie in Bonn sowie beim SWR in Stuttgart, Mainz und Baden-Baden.

URL: http://www1.wdr.de/fernsehen/aks/team/thomasheyer102.html (letzter Zugriff 08.08.2012)

 

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Beispiel: Öffentliche Vorverurteilung, Hinweise und Aufgabenstellung:
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Heyer, Thomas: Die öffentliche Vorverurteilung: Herunterladen [doc] [27 KB]