1.1. Verständnisorientierung
Hinweis Barrierefreiheit
Das nachfolgende Material enthält Elemente, die nicht barrierefrei sind.
Der Unterricht hat einen klaren Fokus auf die zentralen Inhalte, die von den Schülerinnen und Schülern verstanden werden sollen.
Im Folgenden werden mögliche Arbeitsaufträge für eine Unterrichtssequenz zum Thema „Ableitungen von Multiplikationsaufgaben aus Kernaufgaben finden“ dargestellt. Im Anschluss daran wird aufgezeigt, wie sich das Item 1.1 entsprechend widerspiegelt.
Ableiten von Multiplikationsaufgaben aus Kernaufgaben
Abbildung : „Ableiten von Multiplikationsaufgaben aus Kernaufgaben“ mit Beispielen für Ablauf und Arbeitsaufträgen. ( QUBE-F Mathe GS)
Hinweis: Das Arbeitsblatt wird öfter verwendet und befindet sich im Original hier.
„Ableiten von Multiplikationsaufgaben aus Kernaufgaben“ mit Hinweisen zum Hintergrundwissen der Schülerinnen und Schüler sowie Möglichkeiten zur Weiterführung.( QUBE-F Mathe GS)
Hinweis: Das Arbeitsblatt wird öfter verwendet und befindet sich im Original hier.
Ein tragfähiges Verständnis der Multiplikation sowie der Zusammenhänge zwischen Multiplikationsaufgaben gehört zu den Verstehensgrundlagen, die für das erfolgreiche Weiterlernen im Fach Mathematik wesentlich sind. Treten hier Verstehenslücken auf, die sich durch den weiteren Lernprozess ziehen, wirkt sich dies negativ auf den Lernprozess in höheren Klassenstufen aus, beispielsweise beim Aufstellen von und Rechnen mit Termen in den weiterführenden Schulen.
Auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte fokussieren – Hier: Operationsverständnis
In der vorliegenden Unterrichtsidee fokussiert die Lehrkraft ihren Unterricht auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte, indem sie sowohl die Grundvorstellungen zur Multiplikation in den Blick nimmt, als auch das Entdecken, Verstehen und Verbalisieren der Zusammenhänge zwischen einzelnen Multiplikationsaufgaben, wodurch sich wiederum das Operationsverständnis vertieft. Ein sicheres Operationsverständnis für die Multiplikation bedeutet, einerseits Grundvorstellungen zu entwickeln, also die Multiplikation je nach Kontext zu verstehen als:
Wiederholen: Erkan trinkt jeden Tag 3 Tassen Tee. Wie viele Tassen trinkt er in einer Woche?
Zusammenfassen: Frieda hat 3 Beutel. In jedem Beutel sind 4 Apfelsinen.
Vergleichen: Tom hat 4 Murmeln. Esra hat dreimal so viele Murmeln wie Tom.
Wenn auch nicht zur Einführung der Multiplikation, so wird zudem in der späteren Grundschulzeit auch der kombinatorische Aspekt (Beispiel: Nika hat 2 Blusen und 3 Röcke. Auf wie viele Weisen kann sie diese Kleidungsstücke kombinieren?) zum Tragen kommen (vgl. Schipper, W., Ebeling, A., Dröge, R. (2015); Selter, C., Zannetin, E. (2019); pikas-kompakt.dzlm.de).
Ein Begreifen der Multiplikation ausschließlich als fortgesetzte Addition reicht also für ein tragfähiges Verständnis nicht aus – gleichwohl sie einen ersten Zugang darstellt. Dies soll nicht heißen, dass die Multiplikation nicht mehr über die fortgesetzte Addition eingeführt werden darf. Entscheidend ist, dass die Lernenden eine umfassendere Verstehensgrundlage der Multiplikation aufbauen und sich vom einseitigen Verständnis der Multiplikation als fortgesetzte Addition lösen. Dies ist wesentlich für das Weiterlernen in höheren Klassenstufen, beispielsweise wenn Lernende Aufgaben wie
·
lösen müssen und wir nicht möchten, dass sie dabei schematisch ein Vorgehen anwenden, dass sie nicht verstehen. Der Aufbau eines multiplikativen Denkens im Sinne eines Denkens in gleich großen Bündeln stellt somit eine wichtige Erweiterung der Vorstellungen zur Multiplikation dar.
Auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte fokussieren – Hier: Beziehungen und Strukturen der Multiplikation
Für ein tragfähiges Verständnis der Multiplikation sind neben einem sicheren Operationsverständnis die Einsichten in die Beziehungen und Strukturen der Multiplikation wesentlich. Dies umfasst sowohl Beziehungen zwischen den Malaufgaben, aber auch zwischen verschiedenen Rechenoperationen (vgl. Schipper, W., Ebeling, A., Dröge, R. (2015); pikas-kompakt.dzlm.de):
Beispiel 1: Beziehungen zwischen den Rechenoperationen 4 + 4 + 4 + 4 + 4 = 20 5 · 4 = 20

Bildquelle: Rechteck-Punktefelder 5 · 4 = 20 (QUBE-F Mathe GS)
Beispiel 2: Kommutativität 4 · 5 = 5 · 4
Rechteck-Punktefelder zur Kommutativität. QUBE-F Mathe GS
Beispiel 3: Distributivität 5 · 4 + 2 · 4 = 7 · 4
Rechteck-Punktefelder zur Distributivität. QUBE-F Mathe GS
Beispiel 4:
Rechteck-Punktefelder zur Assoziativität. QUBE-F Mathe GS
Hinsichtlich der Multiplikation bedeutet dies, dass Lernende ausgehend von einzelnen automatisierten Aufgaben (den Kernaufgaben des Einmaleins) ein Aufgabennetz aufbauen und durch das flexible Nutzen von operativen Strategien andere Multiplikationsaufgaben lösen können. Durch dieses Nutzen von Aufgabenbeziehungen werden nach und nach immer mehr Multiplikationsaufgaben automatisiert. Denn letztlich ist es das Ziel, dass Lernende die Aufgaben des Einmaleins – auf der Grundlage eins tragfähigen Verständnisses – automatisiert haben. Wenn das Einmaleins zu früh vollständig auswendig gelernt wird, ist die Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit gering, über Distributivität, Assoziativität und Kommutativität nachzudenken, zu rechnen und sich mit Beziehungen und Strukturen auseinanderzusetzen (vgl. Schipper, W., Ebeling, A., Dröge, R. (2015); pikas-kompakt.dzlm.de; starke-basis-bw.de Mathematik Klasse 2 Baustein 2_4 Video 1 und 2).
Das entdeckende Lernen ist an dieser Stelle also besonders wichtig, weil es den Kindern ermöglicht, die Gesetzmäßigkeiten der Multiplikation entdeckend zu verstehen und damit langfristig zu verinnerlichen. Manche Eltern vermitteln ihren Kindern ein Auswendiglernen der Einmaleinsreihen als Königsweg entsprechend ihrer eigenen Erfahrungen.
Je nach Gestaltung des Unterrichts werden diese Kinder im 2. Schuljahr teilweise noch erfolgreich mitarbeiten können, da sie zwar nicht unbedingt Zusammenhänge erklären, jedoch richtige Ergebniszahlen reproduzieren können. Doch schon, wenn im 3. Schuljahr der Zahlenraum bis 1000 erweitert wird und sie beispielsweise eine Aufgabe wie 18 · 8 rechnen sollen, sind Schwierigkeiten vorprogrammiert. Irritationen können auftreten, da in ihrer Vorstellung „die 8er-Reihe nur bis 10 · 8 geht“ und sie nicht ohne Unterstützung Lösungswege für die Aufgabe 18 · 8 entwickeln können. Eventuell rechnen sie entsprechend ihrem rein additiven Verständnis der Multiplikation in kleinen Schritten erst 10 · 8, dann 11 · 8, dann 12 · 8, dann 13 · 8, …. bis sie schließlich das Ergebnis von 18 · 8 ermittelt haben. Doch diese Strategie ist fehleranfällig, langwierig und erfordert einen hohen Konzentrationsaufwand.
Wird dann auf der weiterführenden Schule der Bereich der natürlichen Zahlen verlassen, können diese Lernenden Aufgaben wie z.B. 0,8 · 13 nur mit Hilfe eines schematisch eingeübten Algorithmus‘ lösen. Da sie nur eine einseitige Vorstellung der Multiplikation und kein sicheres Verständnis der Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten entwickelt haben, wird ihnen ein geschicktes und flexibles Rechnen unter Nutzung von Rechenvorteilen wahrscheinlich nicht möglich sein.
Auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte fokussieren – Hier: Vernetzung unterschiedlicher Darstellungsformen
Ein tragfähiges Operationsverständnis umfass neben den soeben beschriebenen Grundvorstellungen und dem Erkennen und Nutzen von Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten, dass die Lernenden i unterschiedliche Darstellungsformen vernetzt haben. Dies bedeutet, dass sie multiplikative Strukturen in den unterschiedlichen Darstellungsformen wie Materialhandlungen, Alltagssituationen, graphische Darstellungen, Versprachlichungen und symbolischen Notationen erkennen und in diese flexibel übersetzen können (vgl. Selter & Zannetin 2019; https://pikas-mi.dzlm.de/node/589; pikas-kompakt.dzlm.de).
QUBE-F Mathe GS
Auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte fokussieren – Hier: Zielformulierungen zur konkreten Unterrichtssequenz
Im Hinblick auf die vorliegende Unterrichtssequenz bedeutet das Fokussieren auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte auf der Ebene des Unterrichtsgeschehens ganz konkret:
Zum Operationsverständnis:
- Schülerinnen und Schüler können ein Rechteck-Punktefeld in unterschiedliche Darstellungsebenen übersetzen, indem sie eine passende Multiplikationsaufgabe, eine (Material-)Handlung, eine Alltagssituation sowie eine sprachliche Beschreibung des Rechteck-Punktefelds finden.
- Schülerinnen und Schüler können die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Darstellungsebenen erklären, indem sie die jeweils gleiche multiplikative Struktur in der (Material-)Handlung, der Alltagssituation sowie durch die sprachliche Beschreibung des Rechteck-Punktefelds beschreiben.
Zum Erkennen der Zusammenhänge zwischen den Multiplikationsaufgaben:
- Schülerinnen und Schüler können unterschiedliche Rechteck-Punktefelder zu neuen Rechteck-Punktefeldern zusammensetzen und die jeweiligen Multiplikationsaufgaben notieren.
- Schülerinnen und Schüler können die Zusammenhänge zwischen den dargestellten (und notierten) Multiplikationsaufgaben erklären.
- Schülerinnen und Schüler erkennen, dass ihre Entdeckung auf andere Multiplikationsaufgaben übertragbar ist: Aus Kernaufgaben können andere Multiplikationsaufgaben abgeleitet werden bzw. können Multiplikationsaufgaben in andere zerlegt werden.
Auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte fokussieren – Hier: Bedeutsame Inhalte hervorheben
Da die Lehrkraft sich in ihrer Planung die wesentlichen Inhalte, wie sie zuvor beschrieben wurden, verinnerlicht hat, kann sie während des Unterrichtsverlaufs zielgerichtet bedeutsame Inhalte hervorheben, indem sie
- bei entsprechenden Schüleräußerungen die Aufmerksamkeit aller einfordert
- die Lernenden auffordert, das Gehörte noch einmal zu wiederholen,
- die Lernenden auffordert, in eigenen Worten zu beschreiben oder am Material zu zeigen, was sie entdeckt haben
- selbst zu erwerbende Inhalte klar und verständlich darlegt und mit Blick auf das Unterrichtsziel zusammenfasst, da dies Schülerinnen und Schülern einer zweiten Klasse teilweise noch schwerfällt
Im vorliegenden Beispiel bietet sich eine entsprechende Visualisierung mithilfe der Rechteck-Punktefelder sowie farblichen Hervorhebungen der „neuen“ Malaufgaben an. Somit wird deutlich, was die Schülerinnen und Schüler am Ende können, verstanden oder kritisch reflektiert haben sollen.
Mögliche Entdeckungen der Schülerinnen und Schüler sind:
Hier wurde das Distributivitätsgesetz angewendet: (2 + 2 + 1) · 4 = 2 · 4 + 2 · 4 + 1 · 4 = 5 · 4
Distributivität mit Rechteck-Punktefeldern QUBE-F Mathe GS
So kann die Assoziativität entdeckt werden:
Assoziativität mit Rechteck-Punktefeldern QUBE-F Mathe GS
Auf die zentralen zu erwerbenden Inhalte fokussieren – Hier Allen ermöglichen, die zentralen Inhalte zu verstehen
Durch die eigene Auseinandersetzung mit den Rechteck-Punktefeldern durch die Schülerinnen und Schüler, das Formulieren eigener Erklärungen und Entdeckungen sowie das Nutzen von Visualisierungen (Zeigen und Erklären mithilfe der Rechteck-Punktefelder, farbige Hervorhebungen) ist der Unterricht so gestaltet, dass er allen Schülerinnen und Schülern ermöglicht, die zentralen Inhalte zu verstehen. Dabei erweisen sich die strukturierten Rechteck-Punktefelder als besonders geeignet, da die Lernenden die Gesetzmäßigkeiten der Multiplikation daran gut entdecken können. In der Darstellung des Rechteck-Punktefelds sind sowohl beide Faktoren einer Malaufgabe zu sehen sowie das Produkt. Zudem ist neben der Multiplikationsaufgabe durch eine andere Perspektive auf die gleiche Darstellung auch die Tauschaufgabe zu sehen, wodurch die Kommutativität thematisiert werden kann. Zudem ermöglicht diese Darstellungsweise die Fortsetzbarkeit der multiplikativen Struktur und bietet somit ein tragfähiges und durchgängiges Modell (vgl. Schipper, W., Ebeling, A., Dröge, R. (2015); pikas-kompakt.dzlm.de)
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