Didaktische Vorüberlegungen
1.1 Didaktische Vorüberlegungen
1.1.1 Lebensweltbezug
Erfahrbarkeit und Selbstverständlichkeit: Das Thema Demokratie liegt im gegenwärtigen Erfahrungsraum unserer Schülerinnen und Schüler, einerseits als konkrete, anschauliche Erfahrungen von demokratischen Handlungen wie Wahlen, Demonstrationen oder Streiks, aber auch als Erfahrungen durch Kommunikation, durch Denken und Fühlen. Die Erfahrungsräume sind konkrete Räume, z.B. die Schule oder der Lebensort. Diese Erfahrungen sind gegeben, „einfach da“ (Schreiber), sie sind selbstverständlich.
Subjektivität: Die Gegenwart mit ihren Erfahrungsräumen stellt noch nicht die Lebenswelt eines Individuums dar. Diese entsteht erst durch die Auseinandersetzung und Aneignung der Gegenwart durch eine „subjektive Konstruktion von Wirklichkeit“ (Jonas, 2028, S. 16f., 64). Dadurch unterscheiden sich Gegenwartsbezug und Lebensweltbezug. Der Lebensweltbezug beim historischen Lernen ist die Relation des Lerngegenstandes mit der je individuellen Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler.
Verhältnis zur Wissenschaft, z. B. Problem- und Kompetenzorientierung: Die Reflexion von Lebenswelten benötigt sinnvolle Methoden und Instrumente. Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik stellen Methoden bereit, die eigene Lebenswelt und die Geschichte in Beziehung zu setzen und jeweils zu erschließen, z.B. durch Problem- und Kompetenzorientierung. Dabei werden einerseits die am Gegenstand Geschichte erworbenen Fähigkeiten Teil der Lebenswelten als Methoden und Instrumente der Reflexion und ggf. auch als handlungsinitiierend oder handlungsleitend. Andererseits werden aber auch die rekonstruierten vergangenen Erfahrungen Teil der eigenen Lebenswelt. An der Schnittstelle zwischen Gegenwart und Geschichte entwickelt sich das Geschichtsbewusstsein als ebenfalls individuelles, subjektives Konstrukt.
Interesse: Lebensweltbezug führt zu einer erhöhten subjektiven Bedeutungszuschreibung gegenüber Lerngegenständen und fördert eine emotionale Beteiligung der Lernenden, was Interesse und Motivation erhöht.
1.1.2 Demokratiebildung durch Demokratiegeschichte
Die Auseinandersetzung mit einzelnen Phasen der Demokratieentwicklung in der Geschichte stärkt das Bewusstsein von Schülerinnen und Schülern für die Bedeutung und den Wert der Demokratie. Michael Parak hat ein Phasenmodell publiziert, das als Analyseinstrument von historischen Ereignissen und Entwicklungen in Bezug auf Demokratieentwicklung genutzt werden kann. Er unterscheidet vier Phasen: Demokratie erkämpfen, Demokratie etablieren, Demokratie gestalten, leben und weiterentwickeln und Demokratie verteidigen (und verlieren). Jede Phase beinhaltet unterschiedliche Aufgabenstellungen und Handlungsmöglichkeiten, die im Rahmen des jeweils gegebenen historischen Kontextes untersucht und beurteilt und mit der Gegenwart in Beziehung gesetzt werden können. Demokratiegeschichte ermöglicht ein vertieftes Verständnis für Demokratie, z.B. Wissen über das Wesen des demokratischen Verfassungsstaates, die Erkenntnis, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern um Demokratie gerungen wurde und werden muss oder Einsichten in demokratische Aushandlungsprozesse und Handlungsoptionen. Außerdem beinhaltet Demokratiegeschichte immer auch die Auseinandersetzung mit nicht-demokratischen Modellen, so dass die Unterschiede deutlich werden.
Der Leitfaden „Demokratiebildung“ nennt als didaktisch-methodische Leitprinzipien Perspektivenvielfalt und Kontroversität sowie eigenständige Urteilsbildung und Überwältigungsverbot. Diese Prinzipien sind im problem- und kompetenzorientierten Geschichtsunterricht selbstverständlich. Außerdem werden Lebensweltbezug und Handlungsorientierung sowie emotionale Aktivierung und Wertebasierung genannt, wodurch der Zusammenhang von Demokratie mit der eigenen Person für die Schülerinnen und Schüler erfahrbar und erkennbar gemacht werden soll.
1.1.3 Lebensweltbezug und Demokratiebildung
Lebensweltbezug und Demokratiebildung stehen in einem engen Zusammenhang: Lebensweltbezüge thematisieren die je eigenen Erfahrungen und Standorte von Lernenden und erhöhen Interesse, Motivation, emotionale Involviertheit und die Bedeutung für das Selbst. Demokratiebildung will die je eigenen Vorstellungen und Orientierungen der Schülerinnen und Schüler sowie ein Verständnis für Demokratie erreichen und das Zusammenleben auf demokratischer Basis erfahrbar machen und das Subjekt anregen zu handeln.
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