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Stun­den­ver­lauf

Die bei­den Dop­pel­stun­den ver­su­chen, In­hal­te und Be­grif­fe aus drei ver­schie­de­nen Stan­dards zu kom­bi­nie­ren und da­durch eine Stoff­re­duk­ti­on zu er­mög­li­chen. In den Stan­dard 3.4.8 („Auf­bruchs­ver­su­che in Ost­eu­ro­pa“) wer­den zudem ei­ni­ge As­pek­te und Be­grif­fe der Stan­dards 3.4.5 („Um­gang mit Pro­test in Ost­eu­ro­pa“) sowie 3.4.11 (Zu­sam­men­bruch des Ost­blocks“) in­te­griert und so der his­to­ri­sche Kon­text der Er­eig­nis­se auf­ge­zeigt. Das Ziel der bei­den Dop­pel­stun­de ist eine Ana­ly­se und Be­wer­tung der zen­tra­len Pro­test­be­we­gun­gen in der Tsche­cho­slo­wa­kei nach 1945, die schließ­lich zum Ende der kom­mu­nis­ti­schen Herr­schaft führ­ten. Diese kön­nen dabei zum Teil als zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Pro­tes­te „von unten“ ge­wer­tet wer­den; eine sol­che Ein­ord­nung gilt al­ler­dings für den Pra­ger Früh­ling nur be­dingt, der durch die Re­gie­rung mit in­iti­iert und zu­sam­men mit der Zi­vil­ge­sell­schaft ge­tra­gen wurde und daher auch als Auf­bruch „von oben“ zu wer­ten ist.
Zum Ein­stieg in die 1. DS er­folgt eine Bild­be­trach­tung des als mit­tel­wei­le iko­nisch (nicht aber für SuS) zu be­zeich­nen­den Fotos des tsche­chi­schen Fo­to­gra­phen La­dis­lav Bie­lik (M1a) 2, auf dem sich ein ein­zel­ner Mann mit ent­blöß­ter Brist einem Pan­zer ent­ge­gen­stellt und zudem sich die Lern­grup­pe as­so­zia­tiv äu­ßern soll. Der Kampf des guten Schwa­chen gegen den bösen Star­ken (David gegen Go­li­ath), des Men­schen gegen die Ma­schi­ne, der Ohn­macht gegen die Macht oder der Frei­heit gegen die Un­ter­drü­ckung dürf­ten ge­äu­ßert wer­den. Das Foto wird durch die Lehr­kraft kurz kon­textua­li­siert und das Stun­den­the­ma er­läu­tert.3
Ein kur­zer – Fo­li­en un­ter­stütz­ter- Leh­rer*in­nen­vor­trag4, der den his­to­ri­schen Kon­text von der Ent­sta­li­ni­sie­rung bis zur Über­nah­me der Re­gie­rung durch Alex­an­der Dubček the­ma­ti­sier5, lei­tet über zur Er­ar­bei­tung des An­lie­gens und Ver­laufs des Pra­ger Früh­ling durch zen­tra­le Quel­len – ein­mal aus Per­spek­ti­ve der Re­gie­rung (M2a) als „Auf­bruch von oben“, ein­mal aus Per­spek­ti­ve der Bür­ger­be­we­gung (M2b) als „Auf­bruch von unten“, die er­schlos­sen wer­den sol­len an­hand der Frage, in­wie­weit die je­wei­li­gen For­de­run­gen eine Her­aus­for­de­rung für das ge­sam­te kom­mu­nis­ti­sche Sys­tem dar­stell­ten. Die S-Er­geb­nis­se wer­den durch einen Ta­fel­an­schrieb ge­si­cher­ten6 und die dabei zu­ta­ge tre­ten­de Vor­stel­lung eines „So­zia­lis­mus mit mensch­li­chem Ant­litz“, die dem Pra­ger Früh­ling zu­grun­de lag, wird an­schlie­ßend kri­tisch hin­ter­fragt. Eine Hy­po­the­sen­bil­dung, wie die Ent­wick­lung wei­ter ver­lau­fen könn­te, lei­tet über zu den har­schen Re­ak­tio­nen sei­tens der So­wjet­uni­on bzw. an­de­rer Staa­ten des War­schau­er Pak­tes und ihren Be­grün­dun­gen (M2c-d), die her­aus­ge­ar­bei­tet und auf ihre Trif­tig­keit hin über­prüft wer­den sol­len.
Zu Be­ginn des zwei­ten Teils der DS wer­den 14 wei­te­re Fo­to­gra­phi­en (M3a) aus­ge­legt, die an­läss­lich des Ein­mar­sches der Trup­pen des War­schau­er Pak­tes Ende Au­gust 1968 ent­stan­den sind und die At­mo­sphä­re die­ser Au­gust­ta­ge do­ku­men­tie­ren sol­len. Zum einen zei­gen die Fo­to­gra­phi­en die pa­zi­fis­ti­sche Hal­tung der Be­völ­ke­rung, die zu­nächst ver­such­te, mit den Sol­da­ten zu dis­ku­tie­ren, dann be­gann, diese schlicht zu igno­rie­ren, was die ein­mar­schier­ten Sol­da­ten über­rasch­te und ver­un­si­cher­te, da sie nicht - wie ihnen von der kom­mu­nis­ti­schen Pro­pa­gan­da ein­ge­trich­tert - auf „ge­walt­tä­ti­ge Kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­re“ tra­fen. Letzt­lich aber en­de­te der Ein­marsch in blu­ti­gen Stra­ßen­schlach­ten, die mehr als 100 Tote und 500 Ver­letz­te for­der­ten. In einem „Gal­le­ry walk“ su­chen sich die SuS eine Fo­to­gra­phie aus, die sie be­son­ders an­spricht, aus und ana­ly­sie­ren diese. Im Ple­num wer­den die Fo­to­gra­phi­en kurz vor­ge­stellt und dann ge­mein­sam an der Tafel nach Kri­te­ri­en ge­ord­net wie z.B. „Ein­marsch der Sol­da­ten“, „Dis­kus­si­on / De­es­ka­la­ti­ons­ver­su­che / Ver­un­si­che­rung der Sol­da­ten“, „Aus­bruch der Ge­walt / Es­ka­la­ti­on“.
Einer kur­zen Zu­sam­men­fas­sung der Er­eig­nis­se vom Au­gust 1968 folgt die Si­che­rung der Er­eig­nis­se in einem kur­zen Ta­fel­an­schrieb7. Ein ab­schlie­ßen­der Ver­gleich mit den Pro­test­be­we­gun­gen in Ost­eu­ro­pa 1953 (DDR) und 1956 (Un­garn) ver­deut­licht, dass es sich an­ders als 1953 in der DDR, aber ähn­lich wie 1956 in Un­garn, 1968 in Prag um ein ge­mein­sam von den re­gie­ren­den und der Zi­vil­be­völ­ke­rung vor­ge­tra­ge­nen Pro­test han­delt („von unten“ und „von oben“). Ent­spre­chend wer­den die Er­eig­nis­se in die Syn­op­se „Auf­bruchs­ver­su­che in West und Ost“ ein­ge­ord­net8. Allen drei Pro­tes­ten aber ge­mein­sam ist das bru­ta­le Ein­grei­fen des so­wje­ti­schen Mi­li­tärs (zu­sam­men mit Trup­pen des War­schau­er Pak­tes) zur ge­walt­sa­men Nie­der­schla­gung. Durch ein Im­puls-Zitat eines tsche­chi­schen His­to­ri­kers (M3b) wird die Ein­ord­nung des Pro­tes­tes als „zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Ak­ti­vi­tät“ (der Be­griff dürf­te durch vor­he­ri­ge Stun­den be­reist ein­ge­führt sein) dis­ku­tiert und über­prüft, ohne dass sie hier be­reits ab­schlie­ßend er­fol­gen kann.
Bei ge­nü­gend Zeit kann auf die be­son­de­re Rolle der DDR und Wal­ter Ul­brichts bei der Nie­der­schla­gung des Pra­ger Früh­lings ein­ge­gan­gen wer­den.9
Zum Ein­stieg in die 2. DS, die auch se­pa­rat zu einem spä­te­ren Zeit­punkt un­ter­rich­tet wer­den kann10, wird der Trai­ler des tsche­chi­schen Spiel­films „Jan Pa­la­ch“ von 2018 ge­zeigt11. In einem kur­zen Vor­trag12, der den Zeit­raum von 1968 bis 1977 zu­sam­men­fasst, wird der his­to­ri­sche Kon­text bis 1975 her­ge­stellt. Die an­schlie­ßen­de Quel­len­ana­ly­se nimmt zu­nächst Bezug zum An­lie­gen des „Hel­sin­ki-Pro­zes­ses“ und den zen­tra­len Ver­ein­ba­run­gen der KSZE-Schluss­ak­te (M4a)13, die er­ar­bei­tet wer­den sol­len14 als Vor­aus­set­zung für die Ent­ste­hung einer sich er­neut in die Öf­fent­lich­keit wa­gen­den Dis­si­den­ten­be­we­gung und der Ver­öf­fent­li­chung der „Char­ta 77“. An­schlie­ßend er­folgt die Her­aus­ar­bei­tung der zen­tra­len An­lie­gen der „Char­ta 77“ (M4b) sowie im Un­ter­richts­ge­spräch mög­li­che staat­li­che Re­ak­tio­nen15, die am Schick­sal eines der Spre­cher der Char­ta 77, Jan Patočka (M4c) dann kon­kre­ti­siert wer­den. Dabei soll­te ver­deut­licht wer­den, dass die Ver­ein­ba­run­gen der KSZE-Schluss­ak­te für die KP der CSSR keine Rolle spiel­te und Re­form­dis­kus­si­on bzw. gar ein „zwei­ter Pra­ger Früh­ling“ um jeden Preis un­ter­bun­den wer­den soll­te.
In einem ab­schlie­ßen­den Vor­trag16 wird der Über­gang bzw. Kon­text zur sam­te­nen Re­vo­lu­ti­on von 1989 her­ge­stellt, in dem deut­lich ge­macht wird, dass die trotz Un­ter­drü­ckung sich 1977 er­neut for­mie­ren­de Dis­si­den­ten­be­we­gung um den Schrift­stel­ler Václav Havel die Basis der sich dann im Kon­text des Zu­sam­men­bruchs des Ost­blocks be­reits erst­mals 1988, mas­siv aber im Ver­gleich zu den üb­ri­gen Ost­block­staa­ten erst re­la­tiv spät im No­vem­ber 1989, kon­sti­tu­ie­ren­den Bür­ger­be­we­gung dar­stellt, der die „sam­te­ne Re­vo­lu­ti­on“17 in der Tsche­cho­slo­wa­kei ge­lang.
In einer ab­schlie­ßen­den Dis­kus­si­on soll der Pro­test der „Char­ta 77“ in dem Struk­tur­sche­ma „Auf­bruchs­ver­su­che in Ost und West“ als „Pro­test von unten“ ein­ge­ord­net wer­den18 sowie die Rolle und Be­deu­tung der Zi­vil­ge­sell­schaft am Um­bruch (M5a-c) be­ur­teilt wer­den, die 1989 im Ge­gen­satz zu 1968 ohne Re­gie­rungs­un­ter­stüt­zung den Um­bruch an­streb­te und auch er­folg­reich durch­set­zen konn­te19. Hier­bei sind Ge­gen­warts­be­zü­ge zu zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Pro­tes­ten heute mög­lich.
Eine knap­pe Dar­stel­lung der we­sent­li­chen Er­eig­nis­se (AB „Auf­bruchs­be­we­gun­gen im Osten – das Bei­spiel der Tsche­cho­slo­wa­kei“) und /oder ver­schie­de­ne Vi­deo­se­quen­zen zum Thema (An­hang) kön­nen für die Er­geb­nis­si­che­rung in häus­li­cher Nach­ar­beit ver­wen­det wer­den.


2 In einer se­pa­ra­ten Me­tho­den­stun­de zum Thema „His­to­ri­sche Fo­to­gra­phi­en“ bie­tet sich eine ge­naue Ana­ly­se des Fotos sowie der spä­ter zum Ein­satz kom­men­den Fotos an.

3 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 9.

4 Die Leh­rer*in­nen­vor­trä­ge die­nen zur Her­stel­lung des his­to­ri­schen Kon­tex­tes und kön­nen ent­we­der durch Schul­buch­t­ex­te oder durch ei­ge­ne Zu­sam­men­fas­sun­gen (oder z. B. auch durch Lek­tü­re des AB „Auf­bruchs­be­we­gun­gen im Osten – das Bei­spiel der Tsche­cho­slo­wa­kei“) auch er­setzt wer­den.

5 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Fo­li­en 10-12.

6 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Fo­li­en 13.

7 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 19-22.

8 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 23.

9 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 25 (Ul­bricht – ein neuer Hit­ler?).

10 Siehe Se­quenz­pla­nung zum SPT­HII. In die­sem Fall bie­tet sich als Wie­der­ho­lung zum Ein­stieg er­neut das Zitat des tsche­chi­schen His­to­ri­kers Jan Křen (M3b) an, das den Kon­text zum Pra­ger Früh­ling her­stellt.

11 Der Trai­ler ist zwar in tsche­chi­scher Spra­che, ist aber auf­grund des Kon­tex­tes auch ohne Sprach­kennt­nis­se ver­ständ­lich.

12 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Fo­li­en 28-30.

13 Auch wenn der Be­griff „Hel­sin­ki-Pro­zess“ (3.4.7.) nicht zu den Stan­dards der Schwer­punkt­the­men im Ab­itur ab 2023 ge­hört, ist er für das Ver­ständ­nis der Char­ta 77 un­er­läss­lich, kann aber als Be­griff nicht im Ab­itur er­war­tet wer­den.

14 Die Ka­ri­ka­tur „Hel­sin­ki und die Fol­gen“ (s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 32) kann hier­bei mit­ein­be­zo­gen wer­den.

15 Mög­li­cher Ein­be­zug der PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 34-38.

16 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 39-43.

17 Der Be­griff be­zeich­net den weit­ge­hend ge­walt­frei­en Wech­sel in der Tsche­cho­slo­wa­kei vom Kom­mu­nis­mus zur De­mo­kra­tie im No­vem­ber/ De­zem­ber 1989.

18 s. PPT „451_­un­ter­richts­bei­spiel_auf­bruchs­ver­su­che“, Folie 44.

19 Hier ist ein Bezug zu Gor­bat­schow bzw. „Si­na­tra-Dok­trin“ mög­lich, zumal wenn die Stun­de erst im An­schluss an den Um­bruch in der So­wjet­uni­on un­ter­rich­tet wird.

 

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Wei­ter zu Mög­li­che Un­ter­richts­skiz­ze (2 DS)