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Didaktisch-methodischer Kommentar

Erklärvideos analysieren und dekonstruieren

Unter einem Erklärvideo, Lernvideo, Explainity oder Tutorial wird allgemein bereichs- oder fächerübergreifend ein kurzer Clip aus Bild- und Tonmaterial verschiedener Art oder Stilrichtungen zu einem abgeschlossenen Thema verstanden. Meist unter Verwendung von Alltagsprache werden Inhalte knapp und in reduzierter Komplexität dargestellt und erklärt. 1 Auch zu historischen Themen sind eine Vielzahl solcher Kurzfilme unterschiedlicher Provenienz verfügbar, die insgesamt einen bedeutenden Bestandteil der Geschichtskultur im Zeitalter der Digitalität bilden. 2 Auf diese Weise sind Erklärvideos Teil der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern. Etwa zwanzig Prozent der Jugendlichen geben an, auf der Plattform Youtube täglich oder mehrmals pro Woche Wissensformate oder Tutorials zu schulischen Themen zu nutzen. 3 Für den Geschichtsunterricht ergeben sich daraus erhebliche motivationale, aber auch inhaltliche und didaktisch-methodische Chancen.

Das Angebot an kurzen Filmen (mit bis zu ca. zehn Minuten Länge) zu historischen Themen auf Youtube wird zu einem großen Anteil von einigen inzwischen technisch sehr professiolisierten und wirtschaftlich mit Werbung und Abonnements sehr kommerzialisierten Anbietern gestellt. 4 Zu nennen sind die Kanäle Geschichte simpleclub, Einfach Geschichte, Explainity und TerraX, aber auch das Zeitzeugenportal, Histoclips und relativ neu STARK erklärt. Der Kanal Mr.Wissen2go Geschichte von Mirko Drotschmann nimmt sicherlich sowohl aufgrund seiner Machart als auch aufgrund seiner Verbreitung gemessen in Aufrufen bzw. Abonnenten eine Sonderstellung ein. In der Summe der Filme lassen sich vermutlich zu fast jedem Inhalt des Geschichtsunterrichts an Schulen ein oder mehrere Videos verschiedener Machart und Qualität finden.

Angesichts dieses Angebots und der Nachfrage solcher Videos durch die Jugendlichen sollte in einem kompetenzorientierten Geschichtsunterricht die Beschäftigung mit medialen geschichtskulturellen Deutungen eine Selbstverständlichkeit darstellen; durch die Auseinandersetzung mit Erklärvideos kann Methoden-, Reflexions- und Orientierungskompetenz gefördert werden. Die Urteilsbildung in den verschiedenen Bereichen der Geschichtskultur wird dabei als wichtig für die Entwicklung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins der Schülerinnen und Schüler verstanden.

Im Detail kann der Gewinn an historischer Kompetenz aus der Beschäftigung mit der Analyse von Erklärvideos losgelöst vom Inhalt der Erklärvideos folgendermaßen formuliert werden: Angestrebt wird Methodenkompetenz, indem die Schülerinnen und Schüler

  • Erklärvideos untersuchen und ihre Bestandteile nennen
  • verschiedene Arten von Erklärvideos unterscheiden
  • Quellenmaterial und Darstellungen innerhalb von Erklärvideos unterscheiden und analysieren
  • Narrationen von Erklärvideos mit Quellen und Darstellungen oder wissenschaftlicher Literatur vergleichen
  • (in Verbindung mit Sach- und Reflexionskompetenz) Erklärvideos inhaltlich und technisch beurteilen
  • (in Verbindung mit Reflexionskompetenz) in Narrationen den Charakter von Geschichte als Konstrukt sowie Kriterien für gelungene Narrationen reflektieren
  • (in Verbindung mit Orientierungskompetenz) die Bedeutung von Erklärvideos bzw. „youtube“-Videos in der Geschichtskultur der Gegenwart bewerten

Nach der Dekonstruktion von Erklärvideos stellt die Produktion von Erklärvideos mit Schülerinnen und Schülern eine Möglichkeit dar, die genannten Kompetenzen in der handlungsorientierten Anwendung sowie der anschließenden Beurteilung von Prozess und Produkten zu erweitern und vertiefen.

1 Charakteristika hier nach Arnold/Zech: Kleine Didaktik des Erklärvideos. Erklärvideos für und mit Lerngruppen erstellen und nutzen. Braunschweig, 2019.

2 Vgl. Bunnenberg/Steffen: Bestandsaufnahme. In: Dies. (Hrsg.): Geschichte auf Youtube (2019), S.3-24. Diskutiert wird darüber hinaus das demokratische Potential von Erklärvideos für die aktive Teilhabe an geschichtskulturellen Diskursen und der Weiterentwicklung der Geschichtskultur; man denke an Kommentare und Chats zu Videos bzw. die sich ständig erweiternden technischen Möglichkeiten der Bereitstellung eigenen Contents. Vgl. dazu Hendrike Rehders: Partizipation für alle? Partizipative Geschichtskultur auf YouTube. In: Bunnenberg/Steffen: Geschichte auf Youtube (2019), S.193-210.

3 Vgl. Jim-Studie 2021, S.48, online unter JIM-Studie 2021

4 Vgl. zu dieser Entwicklung Bunnenberg/Steffen: Bestandsaufnahme. In: Dies. (Hrsg.): Geschichte auf Youtube (2019), S.3-24, hier S.12f.

Einführung: Herunterladen [pdf][360 KB]