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M2

Leistungsfach Katholische Religionslehre – Unterrichtseinheit 3 – Was ist zu tun?

Christliche Theologie im Angesicht des Judeseins Jesu

Bezogen auf den historischen Jesus aus Nazareth ist nochmals festzuhalten, dass er die Verkündigung des anbrechenden Gottesreiches ganz auf der ihm überlieferten Linie des Gottglaubens fortsetzt. Kontrafaktisch bezogen auf die realen Erfahrungen von Menschen, die unter Krankheit und sozialer Stigmatisierung leiden, verkündigt und praktiziert er die Zugewandtheit Gottes. Und dabei war ihm sicherlich nicht alles möglich. Bei Gott mag alles möglich sein […]. Jesus selbst hat in den Möglichkeiten gehandelt, die ein Mensch hat. In moderner Sprache heißt dies: Er ist wertschätzend mit ihnen umgegangen, war achtsam gegenüber konkreten Biographien. Das Leben verläuft nicht so, wie es die Eindeutigkeitsfundamentalisten aller Zeiten, die dann aber gerne den Balken im eigenen Auge übersehen, anmahnen. Dass er deshalb die als Lebensweisung Gottes geglaubte Tora nicht verabschiedete, versteht sich auch von selbst. In allen diskursiven Prozessen um das gute und richtige Leben braucht es normative Ideale, und die müssen zugleich immer wieder neu ausgehandelt werden. Soweit historisch bekannt, war Jesus kein Moralpragmatiker, sondern ein Mensch seiner Zeit mit einem klaren Grundsatz, und der lautete: Zuerst der Mensch. Selbstverständlich hatte Jesus auch noch keinen Begriff davon, wie hochkomplex der Menschenrechtsdiskurs und damit zusammenhängend der Diskurs um die Würde des Menschen ist. […] Ob die Würde des Menschen darin aufgeht, sich selbst bestimmen zu dürfen, ist hier nicht zu diskutieren. Dass das Recht auf individuelle Selbstbestimmung neuzeitlich und nun ohne religiöse Geltungsgründe durchgesetzt wurde, bedeutet nicht, dass es nicht auch religiöse Wurzeln haben […] kann. Jesus streitet innerhalb der Vorstellungen sozialer Normen des Zusammenlebens für kein anderes Recht als dieses.

aus: Striet, Magnus: Christliche Theologie im Angesicht des Judeseins Jesu. In: Homolka, Walter/Striet, Magnus: Christologie auf dem Prüfstand : Jesus der Jude – Christus der Erlöser. Freiburg 2019, S. 71–140, hier S. 127f.
(c) 2014 Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br.

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