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Virtualität - Realität

Entfremdung durch Medien?

Medien – immer in der Diskussion

Spätestens seit der Erfindung des Buchdrucks findet eine Auseinandersetzung darüber statt, wie Medien auf Mensch und Gesellschaft wirken.

Es wird der Vorwurf erhoben, dass die Beschäftigung mit Medien den Menschen seiner eigenen Natur entfremde und ihn in eine Scheinwelt versetzt. So wäre die Medienabstinenz das allein wirksame Mittel, ihnen nicht zu verfallen. Bereits Rousseau hat in seinem Erziehungsroman „Emile“ von 1762 darauf verwiesen.

1997 führte ein Spielzeug aus Japan zu einem ungeheuren Aufsehen. Das Tamagotchi, ein digitales Küken buhlte um Zuwendung und Fürsorge seines Besitzers, bis es – trotz aller Pflege – seinen vorprogrammierten digitalen Tod erlitt. Virtuelle Anwendungen haben sich bis heute ständig weiterentwickelt und ihre Faszination ist bis heute ungebrochen. Man kann sich in scheinbar unendlich fantastische Spielwelten begeben und ist dabei online miteinander vernetzt. Kommunikation findet meist über Messenger und soziale Netzwerke statt. Selbst das Kennenlernen neuer Freunde oder Partner geschieht über Datingplattformen und –Apps.

Ausdrücklich warnt der Gehirnforscher Manfred Spitzer vor der Beschäftigung mit den neuen Medien: „Meiden Sie die digitalen Medien. Sie machen [...] tatsächlich dick, dumm, aggressiv, einsam, krank und unglücklich.“ Spitzer spricht in diesem Zusammenhang sogar von der Möglichkeit einer digitalen Demenz, einem Zustand höchster Selbstentfremdung. 1

Nicht ganz so düster sieht das Georg Milzner, Diplompsychologe mit eigener Praxis. Er arbeitet seit vielen Jahren als Psychotherapeut mit Kindern und Jugendlichen. Der Titel seines Buches lautet: “Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen.2“ Er beleuchtet ebenso kritisch den Umgang mit Medien, benennt auch klar die Risiken, kommt jedoch zu dem Schluss:“ Computerkinder sind viel gesünder, sozialer und intelligenter als ihr Ruf.“ 3

Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Wirklichkeit, Realität und Wahrheit sind Begriffe für etwas, das wir allgemein voraussetzen aber kaum beschreiben können. Die Unverzichtbarkeit eines Wirklichkeitsmodells führte im Verlauf der Geschichte zu unterschiedlichen Theorien darüber, was Wirklichkeit sei. Bei aller Verschiedenheit haben alle Erklärungsversuche der Neuzeit einen gemeinsamen Kern: Es ist unmöglich, Wirklichkeit unmittelbar zu erfahren. Wirklichkeit ist eine Deutung, eine Konstruktion und damit eine kreative Leistung der Menschen. Paul Watzlawick, ein Anhänger des Konstruktivismus, bringt mit seinem Buchtitel „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ die interdisziplinäre Problematik treffend auf den Punkt.4

„Existiert der Mond auch dann, wenn keiner hinsieht?“ fragte damals Albert Einstein den Physiker Niels Bohr. In der Quantenphysik hat die Beobachtung Einfluss auf die Existenz der Dinge. Der Quantenphysiker Prof. Anton Zeilinger arbeitet derzeit an Experimenten, die vermuten lassen, dass Realität nicht unabhängig von uns existiert5. Anhand dieser Tatsache kommt der Visionär Elon Musk sogar zu dem Schluss, dass das Leben an sich eine Simulation sein müsse.6

Wirklichkeit ist immer das Ergebnis eines Prozesses, der wechselnden Einflüssen unterliegt: eine mehr oder weniger gelungene individuelle und temporäre Konstruktion. So wird erklärbar, dass in der Welt des Einen ganz andere Dinge bedeutsam sind als in der Welt des Anderen. „Für manche Menschen kann das, was man als ‚Virtual Reality‘ bezeichnet durchaus wirklicher, relevanter, prägender sein als die Alltagswirklichkeit.“7

Diese Erkenntnis, dass Menschen ihr ich und die Umwelt in der sie sich wahrnehmen selbst erzeugen, muss demnach in die praktische Medienbildung mit einfließen.

Virtual Reality im Unterricht

360° Videos/ Bilder:

Diese Videos lassen sich auf einem Smartphone oder Tablet abspielen. Dreht der Betrachter seinen Kopf, dreht sich das Bild mit. So kann man sich in einem dreidimensionalen Raum umsehen und selbst entscheiden welchen Teil der Szene man betrachten oder beobachten will. Das Erfassen der Kopfbewegung geschieht durch die Bewegungssensoren im mobilen Endgerät. Mittlerweile gibt es unzählige Angebote im Netz, beispielsweise auf YouTube8, Arte9, ARD10, ZDF11, RT12, etc.

Intensiver wird das Erlebnis mit Datenbrillen, bei denen zusätzlich eine 3D-Ansicht möglich wird und durch die Blickdichtigkeit ein noch realerer Eindruck entsteht. Leider sind diese Brillen im Augenblick immer noch relativ teuer. Die einfachste Form einer VR-Brille gibt es aus Karton, das sogenannte Google Cardboard. Bei diesem einfachen Bausatz kann man das Smartphone als Display einsetzen. Das Projekt „Mein Guckkasten“ hat eine Unterrichtsidee entwickelt bei der mit Hilfe eines auf Pizzakarton geklebten Schnittbogens, eigene Brillen in der Klasse hergestellt werden können.13 14

Eigene Videos lassen sich mit Hilfe von 360°-Kameras aufnehmen. Schüler können damit Bilder oder Videos selbst aufnehmen und anderen zur Verfügung stellen. Diese Methode könnte wie gehabt dort zum Einsatz kommen, an denen man bisher mit klassischen Video und Fotoaufnahmen gearbeitet hat. Zum Abspielen wäre eine Datenbrille optional, ein mobiles Endgerät mit Bewegungssensor jedoch wünschenswert.

Die Stiftung Lesen stellt in Kooperation mit Google für die Cardboard Unterrichtsmedien bereit. Damit kann ihre Klasse an fremde Orte, auf andere Planeten, unter Wasser oder in den menschlichen Körper reisen. Kollegen oder Schulen mit weniger Erfahrung, erhalten Unterstützung und einen praxisnahen Einblick in die Thematik durch eine angeleitete Unterrichtsstunde.15

Augmented Reality oder Mixed Reality:

Darunter versteht man das Einblenden digitaler Inhalte in die reale Umgebung. Über den Bildschirm kann der Anwender die Überlagerungen zeitgleich sehen, es scheint so, als wären die digitalen Inhalte in der Umwelt existent.

Mit der App PixLive Player 16 17, oder Aurasma 18 19,lassen sich beispielsweise Arbeitsblätter durch AR-Inhalte ergänzen. In der Fortbildungsreihe „Tablets im Unterricht 2: Einsatzszenerien für Schüler“ wird konkret auf deren Verwendung im Unterricht eingegangen.20

Text ist eine erweiterte und ergänzte Version des Ursprungstextes aus der Fortbildungsreihe „Medienwelten unserer Schülerinnen und Schüler“ aus dem Jahr 2013.

 

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1 Manfred Spitzer, Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, München 2012, S. 325.

2Georg Milzner, Digitale Hysterie. Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen. Weinheim 2016

3https://www.youtube.com/watch?v=mfr457VD0uk (Interview mit Georg Milzner "Wie vermeidet man Digitale Hysterie?") Letzter Zugriff 25.10.2017

4https://www.youtube.com/watch?v=Za8p8F1kOao (Paul Watzlawick Wie wirklich ist die Wirklichkeit Audio) Letzter Zugriff 25.10.2017

5https://www.youtube.com/watch?v=P0CzhJePocs (Quantenphysik - Existiert der Mond auch dann, wenn keiner hinsieht?) Letzter Zugriff 25.10.2017

6http://www.independent.co.uk/life-style/gadgets-and-tech/news/elon-musk-ai-artificial-intelligence-computer-simulation-gaming-virtual-reality-a7060941.html

7Wolfgang Welsch: „Wirklich“. Bedeutungsvarianten – Modelle – Wirklichkeit und Realität. In: Medien, Computer, Realität. Ed. S. Kramer, S. 207.

8https://www.youtube.com/channel/UCzuqhhs6NWbgTzMuM09WKDQ (Virtuelle Realität) Letzter Zugriff 25.10.2017

9http://sites.arte.tv/360/de

10http://www.ard.de/home/ard/Virtual_Reality_und_360__Videos/3363414/index.html

11http://vr.zdf.de/

12https://www.rt.com/360/

13http://medienundbildung.com/projekte/mein-guckkasten/

14https://www.youtube.com/watch?v=inPzMq40TSg (VR-Brille selber bauen) Letzter Zugriff 25.10.2017

15http://www.derlehrerclub.de/projekte/sekundarstufe/expeditions

16https://itunes.apple.com/de/app/pixlive-player/id629134395?mt=8

17https://play.google.com/store/apps/details?class=com.vidinoti.android.pixliveplayer&hl=de

18https://itunes.apple.com/de/app/aurasma/id432526396?mt=8

19https://play.google.com/store/apps/details?class=com.aurasma.aurasma&hl=de

20https://lehrerfortbildung-bw.de/st_digital/tablet/fortbildungen/tablet2/