Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Ver­tie­fen­de Übun­gen

2.4. Ver­tie­fun­gen zur pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­tenz AR­GU­MEN­TIE­REN

Bloß ein Wort­streit? Zoe, Zeno und Willy dis­ku­tie­ren

Zoe: Ich denke, man soll­te Armen  hel­fen, weil Wohl­tä­tig­keit etwas Schö­nes ist, ich meine: Es nützt vie­len an­de­ren und zeugt doch von einer tol­len Per­sön­lich­keit, einem schät­zens­wer­ten Cha­rak­ter.

Zeno: O.K., aber ich könn­te ja auch dem Tier­heim oder einer Kunst­ga­le­rie was spen­den, dann bin ich doch auch wohl­tä­tig.

Willy: Au­ßer­dem ist es ja wohl  ganz al­lein mein Ding, ob ich was Schö­nes tun will – das von mir ein­zu­for­dern, dazu hat nie­mand das Recht. – Na ja, außer viel­leicht, wenn je­mand etwas Le­bens­not­wen­di­ges nicht hat, wovon ich mehr als genug hab’, dann soll­te man schon hel­fen.

Zeno: Dir ist also klar, dass du,  wenn du in einem Not­fall eine Wohl­tat ver­wei­gerst, ein Gebot ver­letzt.

Zoe: Genau, wenn man Armen nicht hilft, ob­wohl man es könn­te, dann nennt man das un­ter­las­se­ne Hil­fe­leis­tung und das ist mo­ra­lisch und recht­lich nicht O.K. .

Willy: Hey, warum zur Hölle soll­te Hel­fen eine Pflicht sein und nicht nur eine Mög­lich­keit für wohl­tä­ti­ge Rei­che wie Bill & Me­lin­da Gates?

Zoe: Ei­gent­lich müss­te das jedem sein Mit­ge­fühl sagen, also, ich mein, das müss­te in­tui­tiv klar sein, dass es un­mensch­lich ist, wenn wir sehen, wie an­de­re Men­schen not­lei­dend sind, und wir uns nicht da­ge­gen em­pö­ren und auch was da­ge­gen tun. Wirk­lich, wenn du nicht extra weg­schaust oder schon ge­fühls­be­hin­dert bist, dann kannst du doch nicht nichts tun!

Zeno: Und nicht nur ge­fühls­mä­ßig müss­te jeder ein wenig sym­pa­thi­sie­ren kön­nen mit Men­schen in Armut, auch wenn nicht jeder gleich Mut­ter Te­re­sa wird. Es ist auch ein Gebot der Ver­nunft, dass wir Schlech­tes ver­hin­dern soll­ten, so­fern wir es in un­se­rer Macht steht und wir dabei nichts von ver­gleich­ba­rer mo­ra­li­scher Be­deu­tung op­fern müs­sen.

Willy: Auf so was kann nur von un­se­rem Phi­lo­so­phen kom­men. Aber die Ver­pflich­tung zum Hel­fen ist ge­fühls­mä­ßig doch nicht so dring­lich, wenn die Ge­schich­te wei­ter weg ist wie wenn sie ne­ben­an pas­siert: Gibt es etwa kei­nen Un­ter­schied zwi­schen dem er­trin­ken­den Kind – um dein Lieb­lings­bei­spiel zu neh­men -, das ich aus dem Teich ret­ten kann, an dem ich ge­ra­de vor­bei­ge­he – und den hun­ger­lei­de­nen Kin­dern in armen Län­dern?- Und au­ßer­dem: Viel­leicht sind die ja selbst schuld an ihrer Armut an­ders­wo!

Zeno: Es gibt noch etwas zu be­den­ken, was bis­her kei­ner er­wähnt hat: Hilfe kann nicht nur eine Auf­ga­be für Ein­zel­ne sein, da sind doch auch staat­li­che Ein­rich­tun­gen ge­for­dert, oder etwa nicht?

Willy:  Wenn ich über­all hel­fen müss­te, wo ich könn­te, käme ich zu nichts an­de­rem mehr, ich müss­te ja mei­nen kom­plet­ten Le­bens­plan än­dern! Das ist üb­ri­gens auch was an­de­res als ein oder viel­leicht zwei­mal im Leben in einen Teich zu sprin­gen, um einen Er­trin­ken­den zu ret­ten!

Zeno: Ja klar, eine un­vor­her­ge­se­hen akute Not­la­ge ist etwas an­de­res als eine per­ma­nen­te Not­la­ge.

Zoe: Man muss, meine ich, genau da noch einen Schritt wei­ter­ge­hen. Wo­mög­lich sind wir an der Not­la­ge der Armen, egal ob akut oder per­ma­nent,  mit­schuld! Dann soll­ten wir in jedem Fall  den ver­ur­sach­ten Scha­den wie­der gut­ma­chen oder zu­min­dest ver­rin­gern.

Zeno: Du könn­test Recht haben. An­de­ren nicht zu scha­den, ist, glaub ich, noch wich­ti­ger als an­de­ren zu hel­fen.

Zoe: In der Fach­spra­che der Ethi­ker heißt das, dass ne­ga­ti­ve Pflich­ten stär­ker sind als po­si­ti­ve, also das Ge­fühl, dass man es als not­wen­dig emp­fin­det Schä­di­gun­gen zu ver­mei­den geht vor der in­ne­ren Not­wen­dig­keit Gutes tun zu sol­len.

Willy:  Klingt ganz schön schlau. – Man müss­te aber wohl ge­nau­er hin­schau­en, ob nicht, wie ich schon sagte, die Län­der mit den ganz vie­lem Armen selbst schuld sind an ihrer Not­la­ge.

Zeno: Das könn­te eine bil­li­ge Aus­re­de sein. Ist es nicht so, dass un­se­re de­mo­kra­tisch ge­wähl­ten Re­gie­run­gen bei der glo­ba­len Wirt­schafts­ord­nung ganz schön mit­mi­schen; und diese glo­ba­le Wirt­schafts­ord­nung führt di­rekt zu Ver­let­zun­gen von Men­schen­rech­ten. Das be­deu­tet also, dass wir es sind, die letzt­lich von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen pro­fi­tie­ren.

Willy: Ist das nicht ein biss­chen um die Ecke ge­dacht?

Zoe: Ganz und gar nicht! Schau dir mal den Ar­ti­kel 28 der All­ge­mei­nen Er­klä­rung der Men­schen­rech­te an1 ! Wenn un­se­re glo­ba­le Wirt­schafts­ord­nung gegen die­sen Art. 28 ver­stößt, ob­wohl man diese mo­ra­li­schen An­sprü­che  ver­wirk­li­chen könn­te, dann haben wir min­des­tens die Pflicht zur Ent­schä­di­gung ge­gen­über den Armen.

1Jeder Mensch hat als Mit­glied der Ge­sell­schaft das Recht auf so­zia­le Si­cher­heit; er hat An­spruch dar­auf, durch in­ner­staat­li­che Maß­nah­men und in­ter­na­tio­na­le Zu­sam­men­ar­beit unter Be­rück­sich­ti­gung der Or­ga­ni­sa­ti­on und der Hilfs­mit­tel jedes Staa­tes in den Ge­nuss der für seine Würde und freie Ent­wick­lung sei­ner Per­sön­lich­keit un­ent­behr­li­chen wirt­schaft­li­chen, so­zia­len und kul­tu­rel­len Rech­te zu ge­lan­gen. [...] Jeder hat das Recht auf einen Le­bens­stan­dard, der seine und sei­ner Fa­mi­lie Ge­sund­heit und Wohl ge­währ­leis­tet, ein­schließ­lich Nah­rung, Klei­dung, Woh­nung und ärzt­li­che Ver­sor­gung. [...]

Jeder hat An­spruch auf eine so­zia­le und in­ter­na­tio­na­le Ord­nung, in der die in die­ser Er­klä­rung ver­kün­de­ten Rech­te und Frei­hei­ten voll ver­wirk­licht wer­den kön­nen.

AEMR (1949), Art. 22, 25 und 28

Ver­tie­fen­de Übun­gen zur pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­tenz Ar­gu­men­tie­ren: Her­un­ter­la­den[docx][41 KB]

Ver­tie­fen­de Übun­gen zur pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­tenz Ar­gu­men­tie­ren: Her­un­ter­la­den [pdf][237 KB]