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Hin­wei­se

Mo­del­lie­ren im Ma­the­ma­tik-Un­ter­richt

Habe fer­tig: „Er­geb­nis be­rech­net und zwei­mal un­ter­stri­chen!“

Mo­del­lie­ren ist eine der fünf (sechs) pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen der Bil­dungs­stan­dards von 2016 bzw. der Bil­dungs­stan­dards der KMK für den mitt­le­ren Ab­schluss und die Hoch­schul­rei­fe.

Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben

Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben tra­gen der For­de­rung Rech­nung, ver­stärkt Rea­li­täts­be­zü­ge in den Ma­the­ma­tik­un­ter­richt zu in­te­grie­ren. Mit ihnen sol­len rea­lis­ti­sche Si­tua­tio­nen an­ge­mes­sen mo­del­liert, Pro­ble­me in ihrer Kom­ple­xi­tät er­fasst und die ge­fun­de­nen Mo­del­le re­flek­tiert wer­den. Ins­be­son­de­re durch die letz­te For­de­rung dürf­ten sich Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben von her­kömm­li­chen Sach- oder Text­auf­ga­ben un­ter­schei­den.

Sach- oder Text­auf­ga­ben sind häu­fig ein­ge­klei­de­te Auf­ga­ben, bei denen es nicht dar­auf an­kommt, sich mit dem Sach­zu­sam­men­hang aus­ein­an­der­zu­set­zen, son­dern le­dig­lich die Auf­ga­be zu „ent­klei­den“, um die Ma­the­ma­tik zu er­ken­nen und den pas­sen­den Al­go­rith­mus an­zu­wen­den. Diese Auf­ga­ben kön­nen die Auf­fas­sung, dass Ma­the­ma­tik nichts mit der Rea­li­tät zu tun hat ge­ra­de­zu ver­stär­ken.

Bei Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben ist es häu­fig um­ge­kehrt: Viele Schü­ler*innen sehen diese Auf­ga­be über­haupt nicht als „rich­ti­ge“ Ma­the­ma­tik­auf­ga­be an, es müs­sen zu­sätz­li­che In­for­ma­tio­nen ge­holt wer­den oder aus meh­re­ren Auf­ga­ben aus­ge­wählt wer­den, es müs­sen Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen wer­den und es muss be­grün­det wer­den.

Kri­te­ri­en für Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben:

  • offen
  • kom­plex
  • rea­lis­tisch
  • au­then­tisch
  • pro­blem­hal­tig
  • lös­bar durch Aus­füh­ren eines Mo­del­lie­rungs­pro­zes­ses

(Vgl. Katja Maaß, Ma­the­ma­ti­sches Mo­del­lie­ren, S. 12)


Der Mo­del­lie­rungs­pro­zess

Modellierungskreislauf

Abb. 1: Mo­del­lie­rungs­kreis­lauf

  • Ver­ein­fa­chen: Ana­ly­sie­ren der Re­al­si­tua­ti­on, Se­lek­tie­ren der re­le­van­ten Be­stand­tei­le, Re­du­zie­ren der Kom­ple­xi­tät
  • Ma­the­ma­ti­sie­ren: Über­set­zen in die ma­the­ma­ti­sche Ebene, ggf. mit wei­te­rer Ver­ein­fa­chung an­hand be­stimm­ter Ent­schei­dungs­kri­te­ri­en
  • In­ter­pre­tie­ren: Über­tra­gung der Lö­sung auf die Rea­li­tät
  • Va­li­de­ren: Ein­schät­zen des Er­geb­nis­ses an­hand von Ver­gleichs­wer­ten, Über­prü­fen der Grö­ßen­ord­nung, Re­fle­xi­on des Vor­ge­hens

vereinfachter Modellierungskreislauf

Abb. 2: ver­ein­fach­ter Mo­del­lie­rungs­kreis­lauf

„Modellierungskreislauf“ im Kontext von Sachaufgaben

Abb. 3: „Mo­del­lie­rungs­kreis­lauf“ im Kon­text von Sach­auf­ga­ben

Häu­fig „enden“ Sach­auf­ga­ben mit der ma­the­ma­ti­schen Lö­sung, eine In­ter­pre­ta­ti­on ist in der Regel auf­grund der Auf­ga­ben­stel­lung oft auch nicht er­for­der­lich und die Not­wen­dig­keit der Va­li­die­rung meist nur schwer zu ver­mit­teln.

Gute Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben zeich­nen sich da­durch aus, dass be­reits bei der Bil­dung des ma­the­ma­ti­schen Mo­dells zu be­rück­sich­ti­gen ist, wel­che ma­the­ma­ti­schen Mit­tel zur Be­ar­bei­tung zur Ver­fü­gung ste­hen. Oft merkt man be­reits beim Be­rech­nen oder spä­tes­tens bei der Va­li­die­rung, dass das ma­the­ma­ti­sche Mo­dell nicht ge­eig­net ist oder dass die ma­the­ma­ti­schen Mit­tel nicht aus­rei­chend sind. Dies kann als Mo­ti­va­ti­on ge­nutzt wer­den, sich neue ma­the­ma­ti­sche Kom­pe­ten­zen an­zu­eig­nen, um eine an­ge­pass­te­re Ver­ein­fa­chung und ein bes­ser ge­eig­ne­tes ma­the­ma­ti­sches Mo­dell zu ver­wen­den.

Ge­ne­rell ge­eig­net als Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben sind auch Fermi-Auf­ga­ben.

Bei­spiel 1: Kör­per­ober­flä­che dei­nes Mit­schü­lers (Klas­se 5 / 9)

Quader
mehrere Quader
Lö­sungs­mög­lich­kei­ten:

Ein Qua­der-meh­re­re Qua­der ?

Gra­fi­ken: Clau­dia Uhl

Er­wei­ter­te Lö­sungs­mög­lich­kei­ten: Qua­der durch Zy­lin­der er­set­zen.

Bei­spiel 2: Re­lax­stuhl (Kurs­stu­fe)

Grafik Relaxstuhl

Gra­fik: Clau­dia Uhl

Lö­sungs­mög­lich­kei­ten:

  • Ganz­ra­tio­na­le Funk­ti­on 3. Gra­des, fest­ge­legt durch O (0/0), A (0,1/0,1), B (0,7/0), C (0,78/0,42)
  • Ganz­ra­tio­na­le Funk­ti­on 3. Gra­des, fest­ge­legt durch O (0/0), C (0,78/0,42), Ma­xi­mum bei x1 = 0,1 und Mi­ni­mum bei x2 = 0,7
  • Ganz­ra­tio­na­le Funk­ti­on 5. Gra­des, fest­ge­legt durch O (0/0), A (0,1/0,1), B (0,7/0), C (0,78/0,42), Mi­ni­mum bei x1 = 0,1 und Ma­xi­mum bei x2 = 0,7
  • Ab­schnitts­wei­se de­fi­nier­te Funk­tio­nen

Bei­spiel 3: Ta­ges­län­gen (Klas­se 9 / Kurs­stu­fe)

lineare Funktion
im Jahresverlauf: trigonometrische Funktionen

Gra­fi­ken: Clau­dia Uhl

Lö­sungs­mög­lich­kei­ten:

  • je nach Monat: li­nea­re Funk­ti­on (Früh­jahr, Herbst) oder qua­dra­ti­sche Funk­ti­on (Som­mer, Win­ter)
  • im Jah­res­ver­lauf: tri­go­no­me­tri­sche Funk­tio­nen
Lösungsmöglichkeiten

Bei­spiel 4: Ab­itur­auf­ga­be 2011 II 1 – „Truhe“ (Kurs­stu­fe)

mög­li­che Fra­ge­stel­lun­gen:

Zeich­nung: Bern­hard Euler

  • Kann jede Po­si­ti­on des sich öff­nen­den De­ckels durch eine Ebene aus der Schar be­schrie­ben wer­den?             
  • So­fern der De­ckel ma­xi­mal bis zur lot­rech­ten Po­si­ti­on ge­öff­net wird – gibt es dann Ebe­nen der Schar, die nicht für die Be­schrei­bung der Lage des De­ckels in Frage kom­men?
  • Auf wel­cher Orts­li­nie be­wegt sich der Punkt P?
  • Gibt es eine ana­ly­ti­sche Dar­stel­lung für die Punkt­men­ge des De­ckels in ver­schie­de­nen Po­si­tio­nen, so­fern die­ser nur nach oben und ma­xi­mal bis zur lot­rech­ten Po­si­ti­on ge­öff­net wird?

Ziele des Mo­del­lie­rens

Schü­ler*innen er­fah­ren, dass ihre Um­welt auch von Ma­the­ma­tik ge­prägt ist und ler­nen die Ma­the­ma­tik auf Pro­ble­me an­zu­wen­den.

Es las­sen sich zu­nächst fol­gen­de über­ge­ord­ne­te Ziele for­mu­lie­ren:

  • Kom­pe­ten­zen zum An­wen­den von Ma­the­ma­tik in ein­fa­chen und kom­ple­xen, in be­kann­ten und un­be­kann­ten Si­tua­tio­nen er­wer­ben.

Um­welt­si­tua­tio­nen ver­ste­hen und be­wäl­ti­gen.

  • Ein aus­ge­wo­ge­nes Bild von Ma­the­ma­tik als Wis­sen­schaft er­lan­gen und ihre Be­deu­tung für un­se­re Kul­tur und Ge­sell­schaft er­fas­sen.

Be­zü­ge zwi­schen der Ma­the­ma­tik und der Rea­li­tät er­ken­nen, Kennt­nis­se über Ge­brauch und Miss­brauch von Ma­the­ma­tik er­wer­ben und die Gren­zen der Ma­the­ma­ti­sier­bar­keit er­fah­ren.

  • Heu­ris­ti­sche Stra­te­gi­en, Pro­blem­lö­sen- und Ar­gu­men­ta­ti­ons­fä­hig­kei­ten er­wer­ben, krea­ti­ves Vor­ge­hen er­pro­ben. (An­mer­kung: Heu­ris­tik ist nach Win­ter das „Ge­win­nen, Fin­den, Ent­de­cken, Ent­wi­ckeln neuen Wis­sens“ und das „me­tho­di­sche Lösen von Pro­ble­men“)
  • Mo­ti­va­ti­on zur Be­schäf­ti­gung mit Ma­the­ma­tik er­hal­ten, Be­hal­ten und Ver­ste­hen ma­the­ma­ti­scher In­hal­te un­ter­stüt­zen.

Die Schü­ler*innen sol­len ler­nen, die ein­zel­nen Teil­schrit­te des Mo­del­lie­rens aus­zu­füh­ren und sie mit­ein­an­der zu ver­bin­den. Sie er­wer­ben dabei ins­be­son­de­re fol­gen­de Mo­del­lie­rungs­kom­pe­ten­zen:

  • Ver­ste­hen des Re­al­pro­blems -> Auf­stel­len eines Re­al­mo­dells -> Auf­stel­len eines ma­the­ma­ti­schen Mo­dells
  • Lösen ma­the­ma­ti­scher Fra­ge­stel­lun­gen in­ner­halb eines ma­the­ma­ti­schen Mo­dells
  • In­ter­pre­tie­ren ma­the­ma­ti­scher Re­sul­ta­te in einer rea­len Si­tua­ti­on
  • Va­li­die­ren einer ge­fun­de­nen Lö­sung

Mo­del­lie­ren und Bin­nen­dif­fe­ren­zie­rung

Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben för­dern so­wohl leis­tungs­schwä­che­re als auch leis­tungs­star­ke Schü­ler*innen!

Ein Grund dafür liegt in der Rea­li­täts­an­bin­dung, da­durch wird die Ma­the­ma­tik für viele Schü­ler*innen in­ter­es­sant, dies ist hilf­reich bei der Aus­bil­dung einer po­si­ti­ven Ein­stel­lung zur Ma­the­ma­tik, was die Be­reit­schaft zur Aus­ein­an­der­set­zung mit Ma­the­ma­tik er­höht. Für schwä­che­re Schü­ler*innen ver­liert die sonst so abs­trak­te Ma­the­ma­tik ihren Schre­cken, kon­kret vor­stell­ba­re Pro­ble­me kön­nen von ihnen leich­ter be­ar­bei­tet wer­den. Leis­tungs­stär­ke­ren bie­tet sich zudem die Ge­le­gen­heit, sich auf hohem Ni­veau mit dem Pro­blem zu be­schäf­ti­gen.

Der ent­schei­den­de Grund liegt je­doch in der of­fe­nen Auf­ga­ben­stel­lung, die Mo­del­lie­rungs­auf­ga­ben aus­zeich­net. Diese er­mög­licht es den ei­ge­nen Fä­hig­kei­ten an­ge­mes­se­ne Lö­sungs­we­ge zu gehen. So kann die Sach­si­tua­ti­on im Hin­blick auf die zu ver­wen­den­de Ma­the­ma­tik un­ter­schied­lich ver­ein­facht wer­den oder auf un­ter­schied­li­chem Ni­veau auf­ge­fasst wer­den.

Li­te­ra­tur

  • Blum, Vogel et al.: Bil­dungs­stan­dards ak­tu­ell: Ma­the­ma­tik in der Se­kun­dar­stu­fe II, IQB, Bil­dungs­haus Schul­buch­ver­la­ge, Braun­schweig, 2015
  • K. Maaß: Ma­the­ma­ti­sches Mo­del­lie­ren, Auf­ga­ben für die Se­kun­dar­stu­fe, Cor­nel­sen Scrip­tor, Ber­lin 2007

Hin­wei­se: Her­un­ter­la­den [docx][839 KB]

Hin­wei­se: Her­un­ter­la­den [pdf][561 KB]

Wei­ter zu Ta­ges­län­gen