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Annahme der eigenen Person

Wer bin ich? Wer will ich sein? Was unterscheidet mich von anderen? Die Entwicklung der eigenen Identität, das „unverwechselbare Selbst“ ist ein lebenslanger Prozess. Es gibt heute aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse keine verlässlichen Identitätsmuster mehr, auf die zurückgegriffen werden kann. Hintermair spricht deshalb von Identitätsarbeit, da die Identitätsmuster immer Identitätszustände auf Zeit sind.
Das zentrale Element der Identitätsarbeit ist die Leistung, fortlaufend neue Erfahrungen in Abstimmung mit den bisherigen Erfahrungen zu sortieren, zu bündeln und sie zu neuen passenden Identitätsmustern zu verarbeiten. (vgl. Draheim & Hintermair, 2009, S. 32-42)
Die Frage nach der eigenen Identität stellen sich Kinder und Jugendliche mit einer Hörschädigung anders als ihre gleichaltrigen Mitschülerinnen und Mitschüler. Im gemeinsamen Unterricht an den allgemeinen und beruflichen Schulen sind sie in der Regel alleine unter gut Hörenden. Hier erleben sie sich einerseits zur Gruppe zugehörig, weil es viele Übereinstimmungen mit den anderen gibt. Andererseits gibt es die Besonderheit der Hörbeeinträchtigung und die damit verbundene besondere Kommunikationssituation.

Drei Schülerinnen mit einem Schüler im Gespräch

Drei Schülerinnen mit einem Schüler im Gespräch

Dieses Spannungsfeld zwischen „dazugehören“ und „anders sein“ auszubalancieren, ist eine besondere Herausforderung für die jungen Menschen in ihrer Identitätsentwicklung.
Damit eine erfolgreiche Entwicklung zur selbstständig handelnden Person mit positivem Selbstwertgefühl und einem positiven Selbstkonzept möglich wird, ist die Annahme der eigenen Person – und damit die Annahme der Hörschädigung – eine wesentliche Grundlage.
„So gilt es z. B. als besondere und wesentliche Leistung, zu begreifen, dass man schwerhörig ist, dass man dazu stehen kann und aus dieser Position heraus ein anderes (effektiveres) Lebensmanagement betreiben kann.“ (Draheim & Hintermair, 2009, S. 34)

Die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts der jungen Menschen wird von den Einstellungen der Eltern, der Lehrkräfte sowie anderer wichtiger Bezugspersonen beeinflusst. Für den Unterricht können die Lehrkräfte diesbezüglich Verantwortung übernehmen, indem sie eine wertschätzende Haltung, Empathie und Rücksichtnahme vorleben. Sichtbar wird die positive Grundhaltung am Interesse für die Belange der Schülerinnen und Schüler, in der Bereitschaft, offene Gespräche zu führen sowie in der Unterstützung bei den Zielvorhaben der Schülerinnen und Schüler.
Für die Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung ist dieser wertschätzende Umgang der Lehrkräfte von besonderer Bedeutung. Die Betroffenen benötigen durch die Auswirkungen der Hörschädigung auf das Unterrichtsgeschehen einen regelmäßigen Austausch über die individuellen Hilfen. Gleichzeitig möchten sie „nicht auffallen“, „nicht lästig werden“ und keine Sonderstellung erhalten.

Folgendes Zitat steht beispielhaft für eine solche Empfindung:
„Schwerhörig sein bedeutet nicht mithalten können. Wenn man nur gut hörende Leute um sich herum hat, werden die Grenzen sehr schmerzlich deutlich. Damit ist oft der Gedanke verbunden, weniger wert zu sein. Man muss immer wieder erleben, dass andere genervt reagieren, wenn man um Wiederholung bittet: Die hat schon wieder nicht verstanden, mit der kann man nichts anfangen.“ (Grebe 2005) Der Weg zur Akzeptanz der Schwerhörigkeit kann immer auch eine Verstecktaktik enthalten. So ignorieren Menschen mit einer Hörschädigung immer wieder die Kommunikationsbeeinträchtigung in schwierigen Hörsituationen. Dies hat häufig zur Folge, dass sie sich damit selbst ausschließen oder es zu Missverständnissen kommt.

Bei der Berücksichtigung der besonderen Hör-und Kommunikationssituation ist die gleichzeitige Orientierung an den Ressourcen/Stärken der jungen Menschen eine bedeutsame Haltung, durch die für die Betroffenen das Annehmen von Hilfen erleichtert werden kann.
Für den Unterricht bedeutet dies, dass die Lehrkräfte eine Sensibilität für die besondere Hör- und Kommunikationssituation der Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung entwickeln, diese im persönlichen Gespräch mit den Betroffenen reflektieren sowie dazu ermutigen, die individuellen Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Hierbei unterstützen die Lehrerinnen und Lehrer der sonderpädagogischen Dienste mit ihrem Expertenwissen in den Bereichen Hören und Kommunikation.

Eine Lehrerin mit einem Schüler im Gespräch

[ C ] Eine Lehrerin mit einem Schüler im Gespräch

 

Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung: Herunterladen [pdf][7,0 MB]

 

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