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Na­tur­recht und na­tür­li­ches Sit­ten­ge­setz

In der neue­ren ka­tho­li­schen Mo­ral­theo­lo­gie ist eine na­tur­recht­li­che Ar­gu­men­ta­ti­ons­wei­se zur Be­grün­dung kon­kre­ter Hand­lungs­nor­men weit­hin zu­guns­ten an­de­rer Ar­gu­men­ta­ti­ons­wei­sen auf­ge­ge­ben wor­den. Wenn sie über­haupt noch Ver­wen­dung fin­det, ge­schieht dies in kri­tisch-re­flek­tier­ter Form. Es gibt aber auch Be­mü­hun­gen, zu einer dif­fe­ren­zier­ten Sicht des Na­tur­rechts und des na­tür­li­chen Sit­ten­ge­set­zes zu fin­den. Die mo­ral­theo­lo­gi­sche Er­neue­rung nach dem Zwei­ten Va­ti­ka­ni­schen Kon­zil rich­te­te ihr Au­gen­merk auf die pro­duk­ti­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit der Vor­stel­lung von der un­hin­ter­geh­ba­ren Au­to­no­mie des Men­schen in ethi­schen Fra­gen. Damit war kei­nes­wegs vor­der­grün­dig ge­meint, die mo­ral­theo­lo­gi­schen Vor­ga­ben aus dem Kon­text der kirch­li­chen Lehr­ver­kün­di­gun­gen her­aus­zu­zie­hen, son­dern die Ver­nunft­ge­mäß­heit, die Ra­tio­na­li­tät und die Wahr­heits­fä­hig­keit sitt­li­cher Aus­sa­gen zu er­mög­li­chen. Die­ser Ein­sicht liegt die Über­zeu­gung zu­grun­de, dass es eine der Wirk­lich­keit in­ne­woh­nen­de Wahr­heit oder Ver­nünf­tig­keit gibt, die er­kenn­bar, aus­sag­bar und mit­teil­bar ist. Diese Ra­tio­na­li­tät der Wirk­lich­keit be­sitzt ihre ei­ge­ne Au­to­no­mie. Das Zwei­te Va­ti­ka­ni­sche Kon­zil sprach des­halb auch ganz be­wusst von einer ge­wis­sen Au­to­no­mie der ir­di­schen Wirk­lich­kei­ten. Sitt­li­che Ur­tei­le sind for­mu­lier­bar, ver­steh­bar, an­wend­bar. Die wis­sen­schaft­li­che Theo­lo­gie hat bei ihrer me­tho­di­schen Neu­ori­en­tie­rung ganz auf die Ra­tio­na­li­tät der mo­ra­li­schen Nor­men und Ur­tei­le ge­setzt. Sol­che Ar­ti­ku­la­tio­nen der Ver­nunft sind keine be­lie­big form­ba­ren Ge­gen­stän­de, son­dern ent­sprin­gen der mensch­li­chen Pra­xis und geben Er­fah­run­gen und ge­schicht­li­ches Wis­sen wei­ter. Aus­gangs­punkt eines heu­ti­gen ka­tho­li­schen Na­tur­rechts­den­kens ist die uni­ver­sa­le Suche nach einer ge­mein­sa­men ethi­schen Spra­che, die alle Men­schen be­trifft. Na­tur­rechts­ethik will uni­ver­sa­le Ethik sein. Es geht hier­bei um Grund­ori­en­tie­run­gen eines sitt­lich-mo­ra­li­schen Han­delns, das Über­ein­stim­mun­gen mit der Natur der mensch­li­chen Per­son sucht. Auf­grund des uni­ver­sa­len An­spru­ches des mo­der­nen Na­tur­rechts­den­kens ist klar, dass das Chris­ten­tum selbst kein Mo­no­pol für das na­tür­li­che Sit­ten­ge­setz be­sitzt. Die­ses grün­det in der allen Men­schen ge­mein­sa­men Ver­nunft. Das Na­tur­ge­setz will daher auch kei­nen Son­der­be­reich der all­ge­mei­nen Ethik dar­stel­len, son­dern zielt von An­fang an auf die Uni­ver­sa­li­tät ethi­scher Fra­ge­stel­lun­gen. Das na­tür­li­che Sit­ten­ge­setz ist kein ge­schlos­se­nes und voll­stän­di­ges Gan­zes sitt­li­cher Nor­men. Aus­gangs­punkt der grund­le­gen­den Ori­en­tie­rung ist die schon bei Tho­mas von Aquin vor­zu­fin­den­de Ein­sicht des Na­tur­rechts, das Gute zu tun und das Böse zu un­ter­las­sen. Frei­lich bleibt das Na­tur­recht nicht bei die­ser All­ge­mein­heit ste­hen. Es setzt daher dar­auf, aus der All­ge­mein­heit des Ge­set­zes her­aus­zu­tre­ten. Drei we­sent­li­che Ge­sichts­punk­te macht das heu­ti­ge ka­tho­li­sche Na­tur­rechts­den­ken dabei gel­tend: die ei­ge­ne Exis­tenz zu er­hal­ten und zu ent­wi­ckeln, das Über­le­ben der Art zu rea­li­sie­ren und zu si­chern, mit allen Men­schen guten Wil­lens in den Dia­log zu tre­ten. Dabei ist ins­ge­samt die Ge­schicht­lich­keit des na­tür­li­chen Sit­ten­ge­set­zes zu be­rück­sich­ti­gen. Die tra­di­tio­nel­le ka­tho­li­sche Mo­ral­theo­lo­gie ver­stand sich vor­wie­gend als Ge­set­zes­ethik, in deren Zen­trum der Ge­dan­ke der Ge­bots­er­fül­lung steht. Heu­ti­ge Mo­ral­theo­lo­gie voll­zieht im Un­ter­schied zu einer sol­chen Ge­set­zes­ethik die Idee der Ver­nünf­tig­keit und ver­nünf­ti­gen Be­gründ­bar­keit von Nor­men.

Quel­le:

Bi­la­te­ra­le Ar­beits­grup­pe der Deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz u. der Ver­ei­nig­ten Evan­ge­lisch-Lu­the­ri­schen Kir­che Deutsch­lands, Gott und die Würde des Men­schen, Pa­der­born 2017, S. 56-58

© 2017 by Bo­ni­fa­ti­us GmbH, Pa­der­born und Evan­ge­li­sche Ver­lags­an­stalt GmbH, Leip­zig

 

Ar­beits­auf­trä­ge für eine Part­ner­ar­beit

  1. Lest zu­nächst den Text genau und kenn­zeich­net die für euch zen­tra­len Be­grif­fe far­big.

  2. Ver­gleicht eure aus­ge­wähl­ten Be­grif­fe, klärt deren Be­deu­tung und ei­nigt euch auf 10 ge­mein­sa­me Be­grif­fe.

  3. Er­stellt mit die­sen ein Kreuz­wort­rät­sel, das an­schlie­ßend von allen ge­löst wer­den soll.

 

 

Na­tur­recht und na­tür­li­ches Sit­ten­ge­setz: Her­un­ter­la­den [docx][20 KB]

Na­tur­recht und na­tür­li­ches Sit­ten­ge­setz: Her­un­ter­la­den [pdf][398 KB]

 

Wei­ter zu Ver­ant­wor­tungs­ethik