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Er­war­tungs­ho­ri­zont

zu 1:

Fol­gen­de As­pek­te streicht Dre­wer­mann in die­sem Text her­aus:

  • Die Berg­pre­digt ist zen­tral von Jesu Bot­schaft ge­prägt, in der der Mensch als von Gott Ge­recht­fer­tig­ter ge­se­hen wird.

  • Nicht die Er­fül­lung von Ge­bo­ten steht hier im Zen­trum, son­dern die Er­mög­li­chung eines guten und er­füll­ten Le­bens. Dies zeigt sich be­son­ders deut­lich in den Zu­sa­ge-For­mu­lie­run­gen der Se­lig­prei­sun­gen.

  • Die Par­al­le­le zur Über­ga­be der Zehn Ge­bo­te an Moses macht den Kon­trast be­son­ders deut­lich: Wird bei Ers­te­rem die Dis­tanz zwi­schen Gott und Mensch (Ge­setz­ge­ber und -emp­fän­ger) be­tont, be­schreibt der un­mit­tel­bar vor­aus­ge­hen­de Kon­text der Berg­pre­digt die große Nähe zwi­schen Jesus (Gott) und den Men­schen.

  • Es kann hier nicht von einer „neuen Ge­setz­lich­keit“ ge­spro­chen wer­den, son­dern von „Ba­sis­vor­aus­set­zun­gen“ für ein „hei­len­des“ und „heil­sa­mes“ Leben.

Zu 2:

  • Als pro­vo­zie­rend bei der Berg­pre­digt kön­nen et­li­che Stel­len her­an­ge­zo­gen wer­den, in denen vor­der­grün­dig ra­di­ka­le Ge­walt­frei­heit (Mt 5,39), Über­er­fül­lung von als un­be­rech­tigt emp­fun­de­nen For­de­run­gen (Mt 5,40 ff.) oder Ta­ten­lo­sig­keit (Mt 6,26 ff.) pro­pa­giert zu wer­den schei­nen.

Un­ter­schie­den wer­den soll­te hier­bei, wel­che Hörer/innen (Men­schen zur Zeit Jesu – heute Le­ben­de) sich in wel­cher Hin­sicht pro­vo­ziert füh­len könn­ten.

  • Zahl­rei­che wei­te­re Bi­bel­stel­len kön­nen hier her­an­ge­zo­gen wer­den:

    • Gleich­nis­se, die eine neue, für un­se­re Ka­te­go­ri­en wenig nach­voll­zieh­ba­re Ge­rech­tig­keit be­schrei­ben (Gleich­nis von den Ar­bei­tern im Wein­berg, Gleich­nis vom barm­her­zi­gen Vater, Gleich­nis vom ver­lo­re­nen Schaf)

    • Zahl­rei­che Hei­lungs­wun­der, bei denen die zu Hei­len­den bzw. der Zeit­punkt der Hei­lung nicht gän­gi­gen Ka­te­go­ri­en ent­sprach und ent­spricht. (Rolle von Krank­heit bzw. Kran­ken im Ju­den­tum zur Zeit Jesu; Hei­lung am Sab­bat)

    • Die Men­schen, mit denen Jesus sich umgab und denen er sich zu­wen­de­te. (Zöll­ner Za­chä­us, Maria Mag­da­le­na bzw. Frau­en)

    • Um­gang Jesu mit jü­di­schen (Ge­set­zes-)Vor­schrif­ten: Sab­bat­ge­bot; Rein­heits­ge­bo­te, Tem­pel­rei­ni­gung, (Neu-) In­ter­pre­ta­ti­on der Tora.

    • Sein Got­tes­bild und sein Ver­hält­nis zu Gott, das sich spe­zi­ell in der Abba-An­re­de des Va­ter­un­ser nie­der­schlägt.

Zu 3:

  • Zu­nächst soll­te kurz auf die Aus­a­ge ein­ge­gan­gen wer­den: Sie be­haup­tet, dass die Bot­schaft und das Han­deln Jesu in kei­ner Weise auf un­se­re Zeit und Ge­sell­schaft über­trag­bar sei. Maß­geb­lich be­stim­mend für unser Zu­sam­men­le­ben sei das Leis­tungs­prin­zip, wo­nach jeder nach sei­nem Er­trag für die Ge­sell­schaft zu be­ur­tei­len und zu ver­gü­ten sei. Die­ser Out­put eines jeden sei meß­bar und könne ent­spre­chend leis­tungs­ge­mäß ho­no­riert wer­den. Im Um­kehr­schluss gel­ten Per­so­nen, die keine ent­spre­chen­de „Leis­tung“ er­brin­gen wol­len oder kön­nen, eher als wert­los und als „Schma­rot­zer“, die von an­de­ren durch­ge­füt­tert wer­den. Dar­aus lässt sich eine Art Hier­ar­chie ab­lei­ten, in der die als star­ke Leis­tungs­trä­ger an­ge­se­he­nen Per­so­nen an der Spit­ze und die Leis­tungs­schwa­chen am un­te­ren Rand des Spek­trums an­ge­sie­delt wer­den.

  • In star­kem Kon­trast zu die­ser heu­ti­gen „Ethik“ ste­hen Jesu Han­deln und Bot­schaft: Er kehrt die Ver­hält­nis­se um („Die Ers­ten wer­den die Letz­ten sein“- Mt 20,16), setzt sich für die Schwa­chen und nicht-Leis­tungs­trä­ger ein und be­tont deren Nähe zum Heil. Seine So­li­da­ri­tät mit den Au­ßen­sei­tern, die sich in sei­nem Auf­tre­ten und Reden zeig­te, pro­vo­zier­te die Ein­fluss­rei­chen und Mäch­ti­gen sei­ner Zeit – einer von meh­re­ren Grün­den für sein To­des­ur­teil.

  • Dis­ku­tiert wer­den kann die Frage, in wel­cher Hin­sicht in un­se­rer Ge­sell­schaft das Leis­tungs­prin­zip be­stim­mend ist – hier­bei kann auf der einen Seite die immer grö­ßer wer­den­de Sche­re zwi­schen arm und reich hier­zu­lan­de ge­nannt wer­den; Kon­se­quenz des­sen ist das Be­stre­ben vie­ler (schon Ju­gend­li­cher) auf der „rich­ti­gen“ Seite zu lan­den. Auf der an­de­ren Seite kön­nen Er­run­gen­schaf­ten der so­zia­len Markt­wirt­schaft und der Ge­werk­schaf­ten ge­nannt wer­den sowie die ak­tu­el­le Dis­kus­si­on um die Grund­ren­te.

  • Keine Hil­fe­stel­lung für den Um­gang mit den Her­aus­for­de­run­gen einer Leis­tungs­ge­sell­schaft bie­tet das Bei­spiel Jesu, wenn man den oben be­schrie­be­nen Ka­te­go­ri­en zu­stimmt: Dem­nach be­stärkt je­sua­ni­sches Ver­hal­ten die Schwa­chen und Ab­ge­häng­ten in ihrer Pas­si­vi­tät und bie­tet kei­nen An­reiz, sich aus ihrer miss­li­chen Lage her­aus­zu­ar­bei­ten. Mehr noch: Auch für junge Men­schen könn­te ein sol­ches Bei­spiel die Kon­se­quenz haben, sich nicht an­zu­stren­gen und aus der Spi­ra­le von Leis­tung und ent­spre­chen­der Ver­gü­tung aus­zu­stei­gen – um ir­gend­wann ganz unten zu lan­den.

  • Eine Hil­fe­stel­lung könn­te das Bei­spiel Jesu in fol­gen­der Hin­sicht sein: Einer der zen­tra­len As­pek­te, die Jesu Ver­hal­ten kenn­zeich­nen, war die Un­ter­bre­chung und In­fra­ge­stel­lung – von Ge­walt­spi­ra­len, fest­ge­fah­re­nen „Ord­nun­gen“ bzw. Sche­ma­ta und Un­ter­drü­ckungs­me­cha­nis­men. In ir­ri­tie­ren­der Weise lie­fer­te er sich hier­bei selbst aus und scheu­te keine Nie­der­la­gen, um sei­ner Über­zeu­gung Aus­druck zu ver­lei­hen. Er gab sich nicht mit vor­ge­be­nen Er­klä­rungs­mus­tern ab, son­dern hin­ter­frag­te per­ma­nent. Eine sol­che Hal­tung und das dar­aus fol­gen­de Ver­hal­ten könn­te in einer Ge­sell­schaft, in der das immer-Wei­ter und immer-Mehr zum Man­tra ge­wor­den ist und in der der Er­folg eines Men­schen eine zen­tra­le Be­ur­tei­lungs­ka­te­go­rie dar­stellt, eine wich­ti­ge und ent­las­ten­de Rolle spie­len. Wich­tig des­halb, weil sie Sand in einem Ge­trie­be ist, des­sen Ei­gen­dy­na­mik be­reits jetzt schon viele Men­schen als Ver­lie­rer zu­rück­lässt. Ent­las­tend des­halb, weil damit an­de­re Werte und Ziele ins Spiel kom­men, die sich lang­fris­tig als trag­fä­hi­ger und glück­brin­gen­der er­wei­sen als Er­folg und Reich­tum.

 

Auf­ga­ben­vor­schlag 3: Jesus Chris­tus: Her­un­ter­la­den [doc][34 KB]

Auf­ga­ben­vor­schlag 3: Jesus Chris­tus: Her­un­ter­la­den [pdf][138 KB]

 

Wei­ter zu Skiz­ze eines Prü­fungs­ge­sprächs