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Ar­beits­blatt 7: Tipps für einen ge­lun­ge­nen Vor­trag

Kurt Tuchol­s­ky (1930):
Rat­schlä­ge für einen schlech­ten Red­ner
             
Fang nie mit dem An­fang an, son­dern immer drei Mei­len vor dem An­fang! Etwa so: »Meine Damen und meine Her­ren! Bevor ich zum Thema des heu­ti­gen Abends komme, las­sen Sie mich Ihnen kurz ...« Hier hast du schon so ziem­lich alles, was einen schö­nen An­fang aus­macht: eine stei­fe An­re­de; der An­fang vor dem An­fang; die An­kün­di­gung, dass und was du zu spre­chen be­ab­sich­tigst, und das Wört­chen kurz. […]
Sprich nicht frei – das macht einen so un­ru­hi­gen Ein­druck. Am bes­ten ist es: du liest deine Rede ab. Das ist si­cher, zu­ver­läs­sig, auch freut es je­der­mann, wenn der le­sen­de Red­ner nach jedem vier­tel Satz miss­trau­isch hoch­blickt, ob auch noch alle da sind.
Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so freund­lich rät, und du willst durch­aus und durch­um frei spre­chen […] ... ja, also wenn du denn frei spre­chen musst: Sprich, wie du schreibst. […] Sprich mit lan­gen, lan­gen Sät­zen – sol­chen, bei denen du, der du dich zu Hause […] vor­be­rei­test, genau weißt, wie das Ende ist, die Ne­ben­sät­ze schön in­ein­an­der­ge­schach­telt, so dass der Hörer, un­ge­dul­dig auf sei­nem Sitz hin und her träu­mend, […] auf das Ende sol­cher Pe­ri­ode war­tet ... nun, ich habe dir eben ein Bei­spiel ge­ge­ben. So musst du spre­chen.
Fang immer bei den alten Rö­mern an und gib stets, wovon du auch sprichst, die ge­schicht­li­chen Hin­ter­grün­de der Sache. Das ist nicht nur deutsch – das tun alle Bril­len­men­schen. Ich habe ein­mal in der Sor­bon­ne (Anm.: Uni­ver­si­tät in Paris) einen chi­ne­si­schen Stu­den­ten spre­chen hören, der sprach glatt und gut fran­zö­sisch, aber er be­gann zu all­ge­mei­ner Freu­de so: »Las­sen Sie mich Ihnen in aller Kürze die Ent­wick­lungs­ge­schich­te mei­ner chi­ne­si­schen Hei­mat seit dem Jahre 2000 vor Chris­ti Ge­burt...« Er blick­te ganz er­staunt auf, weil die Leute so lach­ten.
So musst du das auch ma­chen. Du hast ganz recht: man ver­steht es ja sonst nicht, wer kann denn das alles ver­ste­hen, ohne die ge­schicht­li­chen Hin­ter­grün­de ... sehr rich­tig! Die Leute sind doch nicht in dei­nen Vor­trag ge­kom­men, um le­ben­di­ges Leben zu hören, son­dern das, was sie auch in den Bü­chern nach­schla­gen kön­nen ... sehr rich­tig! […]
Küm­me­re dich nicht darum, ob die Wel­len, die von dir ins Pu­bli­kum lau­fen, auch zu­rück­kom­men – das sind Kin­ker­litz­chen. Sprich un­be­küm­mert um die Wir­kung, um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir loh­nen. […]
Trink den Leu­ten ab und zu ein Glas Was­ser vor – man sieht das gerne. […]
Eine Rede ist, wie könn­te es an­ders sein, ein Mo­no­log. Weil doch nur einer spricht. Du brauchst auch nach vier­zehn Jah­ren öf­fent­li­cher Red­ne­rei noch nicht zu wis­sen, dass eine Rede nicht nur ein Dia­log, son­dern ein Or­ches­ter­stück ist: eine stum­me Masse spricht näm­lich un­un­ter­bro­chen mit. Und das musst du hören. Nein, das brauchst du nicht zu hören. Sprich nur, lies nur, don­ne­re nur, ge­schich­te­le nur.
Zu dem, was ich so­eben über die Tech­nik der Rede ge­sagt habe, möch­te ich noch kurz be­mer­ken, dass viel Sta­tis­tik eine Rede immer sehr hebt. Das be­ru­higt un­ge­mein, und da jeder im­stan­de ist, zehn ver­schie­de­ne Zah­len mü­he­los zu be­hal­ten, so macht das viel Spaß.
Kün­di­ge den Schluss dei­ner Rede lange vor­her an, damit die Hörer vor Freu­de nicht einen Schlag­an­fall be­kom­men. […] Kün­di­ge den Schluss an, und dann be­gin­ne deine Rede von vorn und rede noch eine halbe Stun­de. Dies kann man meh­re­re Male wie­der­ho­len. […]
Sprich nie unter an­dert­halb Stun­den, sonst lohnt es gar nicht erst an­zu­fan­gen. Wenn einer spricht, müs­sen die an­dern zu­hö­ren – das ist deine Ge­le­gen­heit. Miss­brau­che sie.

Ent­nom­men aus: Kurt Tuchol­s­ky: Lerne la­chen ohne zu wei­nen. S. 323-326, Ber­lin 1932.


Ar­beits­auf­trag:

  1. Lies den oben ste­hen­den Text auf­merk­sam durch und mar­kie­re die zen­tra­len Aus­sa­gen, die über einen schlech­ten Vor­trag Aus­kunft geben.
  2. For­mu­lie­re aus­ge­hend davon Tipps für einen guten Red­ner.
  3. Er­gän­ze ei­ge­ne Re­geln, die in oben ste­hen­dem Text feh­len.

 

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