Sequenz 3: Debatten, Reden, Todeserfahrung
III,1: Die philosophisch-religiöse Dimension der Revolution
Ort: Palais Luxembourg, der Einlieferungsgewahrsam. Versammelt sind die drei beteiligten Hauptgruppen: die Girondisten Payne und Mercier (am längsten vor Ort) als Opfer der Radikalen, die durch Chaumette vertreten sind und mit Duldung der Dantonisten das Ende der Gironde herbeigeführt hatten. Es folgten im zweiten Schub die Radikalen, von Robespierre und Danton gemeinsam ins Gefängnis oder auf die Guillotine gebracht. Schließlich die Dantonisten, von Robespierre liquidiert, denen er dann im letzten Schub selbst folgen wird (vgl. Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben, Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse, Stuttgart (Klett) 1980, S. 109).
Das Gespräch der Atheisten , die vor dem Tod stehen, über Gott erfolgt in witzig-parodistischem Ton. Chaumette wird als einzige historische Figur der Revolution von Payne „katechisiert“. Payne tritt als Atheist auf, historisch war er Deist, und ersetzt den in den Quellen genannten militanten Atheisten Cloots, der bis zum Ende seine Mitgefangenen vom Atheismus überzeugen wollte.
Arbeitpapier 5 ( Vorstrukturiertes Arbeitsblatt )
Der logische Beweis der Nichtexistenz Gottes
These Payne: Gott kann die Welt nicht geschaffen haben, weil
Argumente:
- die Schöpfung nicht mehr ewig wäre, sondern einen Anfang haben müsste,
- dies würde das ewige Wesen Gottes verändern, weil er einem Zeitpunkt unterliegen müsste.
Schlussfolgerung:
Die Welt und unser Ich existieren objektiv, also können sie nicht von Gott stammen.
Gegenthese
Merciers:
Die Schöpfung selbst
ist ewig wie Gott.
Schlussfolgerung
Paynes:
Dann wäre die Schöpfung
Gott und er wäre in allem.
These Payne/Mercier: Die Schöpfung ist unvollkommen, damit ist Gott auch unvollkommen. Denn:
Argument:
Warum soll Gott etwas Unvollkommenes schaffen wollen? Das sollte er dann lieber gleich lassen.
Schlussfolgerung:
Das Unvollkommene in der Welt widerlegt den ewigen Gott als menschliche Fiktion, die nur dazu dient, dem menschlichen unvollkommenen Streben einen höheren Sinn anzudichten.
Schlussthesen:
- Der Gottesbeweis ist eine Verstandesaktion, das Unvollkommene empfinden wir („das leiseste Zucken des Schmerzes … in einem Atom, macht einen Riss in der Schöpfung von oben bis unten“, S. 52).
- Die Moral ist kein Maßstab für die Beurteilung des Unvollkommenen, da der Mensch seiner Natur gemäß handelt, d. h. nach persönlichem Guttun oder nicht. Deshalb ist die Moral unnötig.
Folgerung Heraults: Gott müsste alles sein, vollkommen und unvollkommen, gut und böse zugleich, was sich gegenseitig zum Nichts aufhebt.
Aufgaben :
-
Vergleichen Sie die Position Dantons mit der Meinung, die er vertritt in der ersten Auseinandersetzung mit Robespierre (I, 6). Welche Parallelen zum von Payne vertretenen Atheismus lassen sich feststellen?
- Menschen sind weder tugend- noch lasterhaft: Moral ist unnötig.
- Jeder handelt nach eigenem naturgegebenem Wohlsein: Der Mensch handelt gemäß seiner Natur.
- Es gibt keine objektiv richtige Tugend: Menschen dichten unvollkommener Welt einen höheren Sinn an.
- Es geht um die Gewinnung individuellen Glücks auf Erden: Die Schöpfung ist unvollkommen; unser Empfinden zeigt, dass jeder Mensch nach persönlichem Guttun handeln muss.
-
Arbeiten mit einem wissenschaftlichen Ansatz für besonders gute Klassen, sofern das Material vorliegt (
M 10
)
:
- Fassen Sie kurz in eigenen Worten zusammen, was „Theodizee“ bedeutet und wie Kant dazu steht.
- Warum ist Erwin Knobel in Fußnote (97) der Meinung, dass Büchner mit Paynes Meinung nicht identifiziert werden kann?
- Interpretieren Sie unter Zuhilfenahme des letzten Abschnitts Héraults Schlussaussage. Halten Sie die Auslegung der Autoren für gerechtfertigt?