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Pa­ra­dig­men­wech­sel

Der Pa­ra­dig­men­wech­sel steht als Schlag­wort bei der Dis­kus­si­on um Än­de­rungs­pro­zes­se in der Schu­le stän­dig im Raum. Die Art und Weise, wie Ler­nen de­fi­niert wird, steht dabei ge­nau­so zur Dis­kus­si­on wie die Rolle, die Leh­ren­de und Ler­nen­de im Lern­pro­zess ein­neh­men.

Leh­ren als Pro­zess der au­then­ti­schen Be­glei­tung und För­de­rung?

Vom zen­tra­len Ak­teur des Un­ter­richts ...

Unterricht traditionell Das Bild vom "Leh­ren" als di­dak­tisch auf­be­rei­te­te Wei­ter­ga­be von Wis­sen wird heute immer mehr in Frage ge­stellt und mit der Ver­än­de­rung des Be­griffs än­dert sich auch die Rolle, die den Leh­ren­den zu­ge­wie­sen wird. Ist die Wei­ter­ga­be von Wis­sen der zen­tra­le Ge­gen­stand des Leh­rens, wird der Leh­rer so­zu­sa­gen zum zen­tra­len Ak­teur des Un­ter­richts. Er ist der Mit­tel­punkt und die Ler­nen­den wer­den in der Rolle der Auf­neh­men­den zum Ob­jekt.

Der Leh­rer "nor­ma­ler­wei­se ein Spe­zia­list auf sei­nem Fach­ge­biet, möch­te sein Wis­sen dem Ler­ner ver­mit­teln. Er weiß, was der Ler­ner ler­nen bzw. wis­sen soll. Er geht nor­ma­ler­wei­se davon aus, dass es einen op­ti­ma­len Weg zum Lern­ziel gibt und ver­sucht, den Stoff so zu prä­sen­tie­ren, dass das Lern­ziel vom Ler­ner schnell er­reicht wer­den kann. Dazu ana­ly­siert er den zu ver­mit­teln­den Stoff und zer­teilt ihn in klei­ne­re hand­hab­ba­re Ein­hei­ten, die er den Ler­nern nach und nach zu ver­ab­rei­chen ge­denkt. Dabei geht er stets vom Ein­fa­chen zum Kom­pli­zier­ten. Diese Lern­häpp­chen be­rei­tet er auf, indem er sie z.B. vi­sua­li­siert" .... "Im Un­ter­richt ver­sucht er, die­ses Ma­te­ri­al sei­nen Ler­nern an­schau­lich nahe zu brin­gen. Er ver­sucht, den An­sprü­chen eines durch­schnitt­li­chen Ler­ners ge­recht zu wer­den, da er bei einer Klas­se sel­ten in­di­vi­du­ell auf jeden Ein­zel­nen ein­ge­hen kann. Durch Wie­der­ho­lun­gen soll das Er­lern­te ver­tieft wer­den. Dabei ist der Leh­rer weit­ge­hend aktiv und hält alle Fäden in der Hand. Er er­war­tet, dass die Ler­ner ihm fol­gen." (Frank This­sen, Karls­ru­he 1997).

... zum Lern­be­glei­ter und Ge­stal­ter von Rah­men­be­din­gun­gen

Helpdesk An­ders sieht die Rolle des Leh­rers aus, wenn die Schü­ler und ihr Be­dürf­nis, aus Er­fah­rung her­aus zu ler­nen, in den Mit­tel­punkt des Un­ter­richts tre­ten. Dann wer­den die Schü­ler zum „Ro­ta­ti­ons­punkt des Un­ter­richts“ und nicht der Leh­rer.


"Zwar steht der Leh­rer auch wei­ter­hin für die Ge­stal­tung der Rah­men­be­din­gun­gen in der Ver­ant­wor­tung, aber der Ler­ner for­mu­liert seine Lern­schwie­rig­kei­ten und stellt aus ei­ge­nem An­trieb her­aus Wis­sens­fra­gen, die der Leh­rer ihm zu be­ant­wor­ten hilft, indem er ihn bei der Ur­sa­chen­for­schung der Lern­pro­ble­me un­ter­stützt und mög­li­che Wege zur Über­win­dung an­regt. Der Leh­rer prä­sen­tiert also kein Re­sul­tat, son­dern einen Weg zur Selbst­lern­kom­pe­tenz, der die Lern­tech­ni­ken und Lern­stra­te­gi­en des Schü­lers in einem au­then­ti­schen Sach­be­zug mit wirk­li­chem In­ter­es­se am Ge­gen­stand er­wei­tert." (M. Over­mann, 2002, S. 45-79)

Der Leh­rer als ...

... Tutor, Be­ra­ter, Be­glei­ter

Beim Un­ter­richt mit Un­ter­stüt­zung der Neuen Me­di­en wird die­ser Rol­len­wech­sel des Leh­rers be­son­ders deut­lich. Das di­dak­tisch auf­be­rei­te­te Wis­sen wird nicht mehr di­rekt vom Leh­rer wei­ter­ge­ge­ben, son­dern steht zur in­di­vi­du­el­len Be­ar­bei­tung zur Ver­fü­gung. Die Ler­nen­den ent­schei­den selbst, wann und wie sie die Lern­in­hal­te be­ar­bei­ten möch­ten. Sie kön­nen die Lern­ge­schwin­dig­keit selbst be­stim­men und ent­schei­den dar­über hin­aus auch, wie oft sie Teile wie­der­ho­len möch­ten. Statt dem Leh­rer als Ver­mitt­ler von Wis­sen ist auf diese Weise nun der Leh­rer als Tutor, als Lern­be­glei­ter und Lern­för­de­rer ge­fragt.

... als Ge­stal­ter einer an­ge­neh­men und kom­mu­ni­ka­ti­ven At­mo­sphä­re

Ler­nen ist nur in einer At­mo­sphä­re mög­lich, in der sich die Schü­ler wohl­füh­len. Wohl­füh­len heißt, dass so­wohl die räum­li­che Ge­stal­tung als auch die kom­mu­ni­ka­ti­ve At­mo­sphä­re und die Be­zie­hungs­struk­tur, die der Leh­rer auf­baut, die Schü­ler zum Kom­mu­ni­zie­ren und Fra­gen stel­len ein­lädt. Beim Ler­nen spielt die Be­zie­hungs­ebe­ne, das heißt die An­er­ken­nung und Wert­schät­zung der Schü­ler durch den Leh­rer, eine große Rolle. Eine of­fe­ne Be­geg­nung und Wahr­neh­mung der Schü­ler als ein­zel­ne Mit­wir­ken­de an einem ge­mein­sa­men Lern­pro­zess ist not­wen­dig, um eine At­mo­sphä­re des Ler­nens zu schaf­fen.

... als au­then­ti­scher An­bie­ter von Wis­sen

So­bald der Lern­stoff quasi als „Muss“ des Lehr­plans abs­trakt im Raum steht, ohne dass die Be­zie­hung des Leh­rers zum Stoff deut­lich wird, ist es für die Schü­ler schwer, eine Be­zie­hung zu dem In­halt auf­zu­bau­en. Schü­ler las­sen sich dann am bes­ten vom Lern­stoff be­rüh­ren, wenn der Leh­rer den Stoff au­then­tisch ver­mit­telt und dabei seine Fas­zi­na­ti­on be­zie­hungs­wei­se seine per­sön­li­che Fra­ge­stel­lung zu dem Ge­biet deut­lich macht.

... als Ler­nen­der

Leh­rer haben oft den Hauch der All­wis­sen­heit um sich und schaf­fen so eine Dis­tanz zu den Ler­nen­den. Jeder Leh­rer wird je­doch, so­bald eine of­fe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on be­ginnt, zum Ler­nen­den, der ge­mein­sam mit den Schü­lern nach Ant­wor­ten auf Fra­gen sucht. In die­sem Sinne ist er Ler­nen­der auf dem ge­mein­sa­men Weg des Er­for­schens neuer The­men­ge­bie­te. Er lernt z.B. durch die Ant­wor­ten und Fra­gen der Schü­ler. Bei einer le­ben­di­gen Kom­mu­ni­ka­ti­on wech­selt die Rolle zwi­schen Leh­ren­dem und Ler­nen­den flie­ßend. Bei der Wei­ter­ga­be kommt jeder Schü­ler in die Rolle des Leh­rers und beim Pro­zess des Auf­neh­mens und Zu­hö­rens wird der Leh­ren­de zum Ler­nen­den. Es ent­steht dabei ein Per­spek­ti­ven­wech­sel, der neue Sicht­wei­sen mög­lich macht. Steht der Leh­rer offen zu sei­ner Rolle als Ler­nen­der, kann er so eine Brü­cke bauen, die die Kom­mu­ni­ka­ti­on er­leich­tert.

Ler­nen als Pro­zess der Er­fah­rung

Ler­nen wird in zu­neh­men­dem Maße nicht mehr als reine Form der Über­nah­me von Wis­sen be­trach­tet, son­dern als ak­ti­ver Pro­zess des Auf­baus neuer Wis­sens­struk­tu­ren aus der per­sön­li­chen Er­fah­rung her­aus. Ler­nen be­deu­tet nicht mehr pas­si­ves, son­dern ak­ti­ves Auf­bau­en neuer Wis­sens­struk­tu­ren. Um neue Wis­sens­struk­tu­ren auf­bau­en zu kön­nen, ist es not­wen­dig, immer wie­der neu in Be­zie­hung und Er­fah­rung zu einem Thema zu tre­ten. Im Un­ter­richt soll­te daher die Mög­lich­keit ge­ge­ben wer­den, Er­fah­run­gen zu sam­meln.

Selber groß! "Unser Wis­sen lässt sich je­doch nicht in der Form über­tra­gen, wie wir Flüs­sig­keit von einem Glas in ein an­de­res gie­ßen. Me­ta­pho­risch aus­ge­drückt ist jeder Mensch ein mit Er­fah­run­gen an­ge­rei­cher­tes Glas, zu des­sen In­halt nie­mand sonst einen Zu­gang hat. Le­dig­lich über Kom­mu­ni­ka­ti­on, mit Hilfe von Spra­che, kön­nen wir mit einem an­de­ren Glas "an­sto­ßen" und einen Klang von Re­so­nanz er­zeu­gen, wobei aber in Ab­hän­gig­keit von den un­ter­schied­li­chen Er­fah­rungs­in­hal­ten jedes Glas seine ei­ge­nen Schwin­gun­gen pro­du­ziert ... Auch wenn sich zwei Men­schen über "Was­ser" un­ter­hal­ten, ak­ti­viert ein jeder seine ei­ge­nen Er­fah­run­gen, die er im Um­gang mit die­sem er­lebt hat. Die Er­klä­run­gen für das Schei­tern des Ver­suchs, Wis­sen in einen Schü­ler "um­zu­fül­len", las­sen sich, wenn wir bei dem obi­gen Bild blei­ben, nicht auf ein zu "klei­nes Glas" des Schü­lers ("Dumm­heit", "man­geln­de In­tel­li­genz"), auf einen "Sprung in sei­nem Glas" ("Stö­rung", "Be­hin­de­rung") oder seine "Un­wil­lig­keit", sich etwas "in sein Glas gie­ßen" zu las­sen, zu­rück­füh­ren. Wenn der "An­stoß" des Leh­ren­den mit dem Ler­nen­den so an des­sen Er­fah­rungs­welt an­kop­peln kann, dass die­ser dazu an­ge­regt wird, etwas Neues zu tun oder neue ge­dank­li­che Ope­ra­tio­nen auf der Basis sei­ner bis­he­ri­gen Wirk­lich­keits­kon­struk­tio­nen zu voll­zie­hen, dann führt dies durch das Tref­fen neuer Un­ter­schei­dun­gen zum Auf­bau einer neuen Kon­struk­ti­on von Wirk­lich­keit.“ (Rolf Bago/Rein­hard Voß, 1999, S. 56-69)

Per­spek­ti­ven­wech­sel: Ler­nen durch Leh­ren

Sieht man Ler­nen als Pro­zess der Er­fah­rung, so stellt die Mög­lich­keit, Wis­sen als Leh­ren­der wei­ter­zu­ge­ben eine Ge­le­gen­heit dar, die den Schü­lern auf­grund des Per­spek­ti­ven­wech­sels einen neuen Er­fah­rungs­raum gibt. Das Kon­zept "Ler­nen durch Leh­ren" wurde von dem Eich­stät­ter Di­dak­ti­ker Jean Pol Mar­tin ent­wi­ckelt und eta­bliert. Als Leh­ren­de sind die Schü­ler in der Si­tua­ti­on, sich Wis­sen an­zu­eig­nen und die­ses Wis­sen kom­pe­tent wei­ter­zu­ge­ben. Neben der An­eig­nung von Wis­sen zu einem be­stimm­ten The­men­ge­biet, er­wei­tern sie in die­sem Falle ihre Kom­pe­ten­zen im Be­reich der Ko­ope­ra­ti­on, Prä­sen­ta­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Klar muss die­ser Rol­len­wech­sel vom Leh­rer di­dak­tisch vor­be­rei­tet wer­den und die Rah­men­be­din­gun­gen der Si­tua­ti­on ent­spre­chend an­ge­passt wer­den. Was den Un­ter­richt als Gan­zes be­trifft, so kann durch die In­te­gra­ti­on der Schü­ler in den Lehr­pro­zess die Mit­ar­beit und Mo­ti­va­ti­on stark er­höht wer­den.

Beim Ler­nen im vir­tu­el­len Raum ge­winnt die­ser Rol­len­wech­sel eine zu­sätz­li­che Be­deu­tung, denn durch die Mit­ar­beit der Schü­ler bei dem Auf­bau der Lern­um­ge­bung im Gan­zen kann der Auf­wand des Leh­rers de­zi­miert wer­den.

My lesson Viele Leh­rer haben den An­spruch, den Schü­lern eine per­fek­te Lern­um­ge­bung zu prä­sen­tie­ren. Per­fek­ti­on lähmt je­doch den Lern­pro­zess, die Schü­ler wer­den schnell in eine kon­su­mie­ren­de Hal­tung ver­setzt. Sie be­ar­bei­ten In­hal­te, lösen Tests und Quiz­ze, aber ihre ei­ge­ne Krea­ti­vi­tät bzw. die An­wen­dung und Um­set­zung von Er­fah­run­gen sind auf diese Weise nicht mög­lich. In die­sem Sinne ist der Mut zur Lücke hier po­si­tiv. Die In­te­gra­ti­on der Schü­ler in den Pro­zess der In­halts-, Test- und Quizer­stel­lung er­höht die Me­di­en­kom­pe­tenz und ak­ti­viert die Mit­ar­beit der Schü­ler. Wenn diese Auf­ga­be ver­bun­den ist mit einer Ziel­grup­pe, für die diese In­hal­te und Tests er­stellt wer­den, ist die Mo­ti­va­ti­on noch stär­ker. Im Pro­zess Ler­nen durch Leh­ren ist ge­ra­de dies eine Mög­lich­keit, die so­wohl Ihnen als Leh­rer als auch den Schü­lern selbst Vor­tei­le bringt. Schü­ler kön­nen Ler­nein­hei­ten für Schü­ler an­de­rer Klas­sen oder an­de­rer Schu­len oder aber auch für Ziel­grup­pen jen­seits der Schu­le wie zum Bei­spiel Se­nio­ren er­stel­len.

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