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Ma­te­ria­li­en

Fälle zur De­liktsfä­hig­keit:

4 Fall 1:
Die bei­den 13-jäh­ri­gen Felix und Luca zie­hen mal wie­der ge­mein­sam durch die Stadt. Der Kran einer Bau­stel­le übt eine ma­gi­sche An­zie­hungs­kraft auf sie aus. Sie be­tre­ten die nur teil­wei­se ab­ge­sperr­te Bau­stel­le (am Zaun: „El­tern haf­ten für ihre Kin­der“) und klet­tern ins Füh­rer­haus des Kran. Sie spie­len an den He­beln herum, wor­auf sich der Be­ton­kü­bel am Kran­arm löst und auf die frisch be­to­nier­te Stock­werks­de­cke don­nert. Dem Bau­herrn ent­steht ein Scha­den von 5.200 €.

Wer muss für den Scha­den haf­ten? Die El­tern? Felix und Luca? Der Bau­un­ter­neh­mer?

Fall 2:
Va­len­tin, 13 Jahre, hat auf sei­nem Com­pu­ter ein Pro­gramm in­stal­liert, um damit Musik aus dem In­ter­net her­un­ter­la­den zu kön­nen. Das Pro­gramm aber war – und das wuss­te Va­len­tin nicht – ein Tausch­cli­ent, der die Musik nicht nur her­un­ter­lud, son­dern gleich­zei­tig für an­de­re wie­der anbot. Eine Mu­sik­fir­ma bekam Wind davon und ver­langt Scha­den­er­satz in Höhe von 3.000 €.

Wer muss für den Scha­den haf­ten? Va­len­tin? Die El­tern?

 
In­for­ma­ti­ons­blatt zur De­likt­fä­hig­keit

§ 828 BGB:
Haf­tung Min­der­jäh­ri­ger

(1) Wer nicht das sie­ben­te Le­bens­jahr voll­endet hat, ist für einen Scha­den, den er einem an­de­ren zu­fügt, nicht ver­ant­wort­lich.
(2) ...
(3) Wer das 18. Le­bens­jahr noch nicht voll­endet hat, ist (...) für den Scha­den, den er einem an­de­ren zu­fügt, nicht ver­ant­wort­lich, wenn er bei der Be­ge­hung der schä­di­gen­den Hand­lung nicht die zur Er­kennt­nis der Ver­ant­wort­lich­keit er­for­der­li­che Ein­sicht hat.

Vor­satz:
Wer vor­sätz­lich han­delt, tut Dinge mit Ab­sicht!
Fahr­läs­sig­keit:

  • Wer un­vor­sich­tig ist und die nor­ma­ler­wei­se er­for­der­li­che Sorg­falt nicht be­ach­tet, han­delt fahr­läs­sig .
  • Grob fahr­läs­sig han­delt ein un­vor­sich­ti­ger Mensch, der „Ge­fähr­li­ches“ tut und hofft, dass es schon gut gehen wird. Oder an­ders aus­ge­drückt: ein grob fahr­läs­si­ger Mensch tut Dinge, die selbst ein nor­ma­ler­wei­se nicht vor­sich­ti­ger Mensch nie tun würde.
    Bei­spie­le:
    • Auch ein nicht vor­sich­ti­ger Au­to­fah­rer wird nachts nur mit ein­ge­schal­te­tem Licht un­ter­wegs sein.  
    • Auch ein nicht vor­sich­ti­ger Bau­un­ter­neh­mer wird die Bau­stel­le or­dent­lich ab­sper­ren, damit sich keine Kin­der darin ver­let­zen oder einen Scha­den an­rich­ten kön­nen.

„Ver­gib ihnen,
DENN SIE WIS­SEN NICHT, WAS SIE TUN!

Die­ser Satz gilt auch für die Haf­tung bei Min­der­jäh­ri­gen ab sie­ben Jah­ren. Sie müs­sen für ver­ur­sach­te Schä­den nur auf­kom­men, wenn sie wuss­ten, wel­che Fol­gen ihr Han­deln haben kann.

§ 823 BGB
Scha­dens­er­satz­pflicht

Wer vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig das Leben, den Kör­per, die Ge­sund­heit, die Frei­heit, das Ei­gen­tum oder ein sons­ti­ges Recht eines an­de­ren wi­der­recht­lich ver­letzt, ist dem an­de­ren zum Er­satz des dar­aus ent­ste­hen­den Scha­dens ver­pflich­tet. (…)

§ 827 BGB
Aus­schluss und Min­de­rung der Ver­ant­wort­lich­keit

Wer im Zu­stand der Be­wusst­lo­sig­keit oder in einem (…) Zu­stand krank­haf­ter Stö­rung der Geis­tes­tä­tig­keit einem an­de­ren Scha­den zu­fügt, ist für den Scha­den nicht ver­ant­wort­lich.

Hat er sich durch geis­ti­ge Ge­trän­ke oder ähn­li­che Mit­tel in einen vor­über­ge­hen­den Zu­stand die­ser Art ver­setzt, so ist er für einen Scha­den, den er in die­sem Zu­stand wi­der­recht­lich ver­ur­sacht, in glei­cher Weise ver­ant­wort­lich, wie wenn ihm Fahr­läs­sig­keit zur Last fiele; die Ver­ant­wort­lich­keit tritt nicht ein, wenn er ohne Ver­schul­den in den Zu­stand ge­ra­ten ist.

SCHA­DEN­ER­SATZ
wird nur fäl­lig, wenn auch tat­säch­lich ein Scha­den ent­stan­den ist.

El­tern haf­ten für ihre Kin­der
Grund­sätz­lich stimmt es, dass El­tern für Schä­den, die ihre Kin­der ver­ur­sa­chen, haf­ten (BGB § 832). Vor­aus­set­zung: Sie haben ihre Auf­sichts­pflicht ver­letzt.  
Die Auf­sichts­pflicht er­füllt zwei Schutz­zwe­cke:

  1. Der Schutz der Kin­der selbst vor Schä­den aller Art, die ihnen durch sie selbst oder durch an­de­re Men­schen ent­ste­hen kön­nen.
  2. Schutz an­de­rer Men­schen vor Schä­den, die aus dem Han­deln von den Kin­dern fol­gen kön­nen.

Die Auf­sichts­pflicht ist unter an­de­rem ab­hän­gig vom Alter des Kin­des und sei­nem frü­he­ren Ver­hal­ten in ähn­li­chen Si­tua­tio­nen. Das heißt: Die Be­ur­tei­lung der Si­tua­ti­on hängt immer vom Ein­zel­fall ab.
(vgl. www.​Anw​alts​seit​en24.​de )


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Fälle zur De­liktsfä­hig­keit - LÖ­SUNG

Fall 1:
Die bei­den 13-jäh­ri­gen Felix und Luca zie­hen mal wie­der ge­mein­sam durch die Stadt. Der Kran einer Bau­stel­le übt quasi eine ma­gi­sche An­zie­hungs­kraft auf sie aus. Sie be­tre­ten die nur teil­wei­se ab­ge­sperr­te Bau­stel­le (am Zaun: „El­tern haf­ten für ihre Kin­der“) und klet­tern ins Füh­rer­haus des Krahn. Sie spie­len an den He­beln herum, wor­auf sich der Be­ton­kü­bel am Kran­arm löst und auf die frisch be­to­nier­te Stock­werks­de­cke don­nert. Dem Bau­herrn ent­steht ein Scha­den von 5.200 €.
Wer muss für den Scha­den haf­ten? Die El­tern? Felix und Luca? Der Bau­un­ter­neh­mer?
LÖ­SUNG:
Sach­la­ge:
Es ist ein Scha­den von 5.200 € ent­stan­den. Die Ver­ur­sa­cher sind 13 Jahre alt. Sie hat­ten leich­ten Zu­gang zur Bau­stel­le, das Kran­füh­rer­haus war nicht ab­ge­schlos­sen.
Be­ur­tei­lung:
Felix und Luca sind be­schränkt de­liktsfä­hig. Sie haf­ten nur für den ent­stan­de­nen Scha­den, wenn sie reif genug sind, die Fol­gen ihres Han­delns ab­zu­schät­zen. Ent­schei­dend ist die geis­ti­ge Reife der bei­den Jungs.
El­tern: Ver­let­zung der Auf­sichts­pflicht der El­tern? Dies dürf­te nicht vor­lie­gen, da 13-jäh­ri­ge Ju­gend­li­che ohne Auf­sicht drau­ßen un­ter­wegs sein kön­nen. Es ge­nügt eine all­ge­mei­ne Be­leh­rung über Ge­fah­ren im all­täg­li­chen Leben z. B. auch auf Bau­stel­len.
Bau­un­ter­neh­mer: Er muss si­cher­stel­len, dass die Bau­stel­le von Un­be­fug­ten nicht ein­fach be­tre­ten wer­den kann. Das Füh­rer­haus muss ab­ge­schlos­sen sein. Da bei­des nicht vor­liegt, trägt er eine Mit­schuld.

  • Er­geb­nis: Der Scha­den wird je nach Reife und Ein­sicht even­tu­ell zu einem Teil von Felix und Luca ge­tra­gen wer­den müs­sen. Der Bau­un­ter­neh­mer wird auch haf­ten. Die ge­naue Auf­tei­lung der Scha­dens­sum­me hängt von den Ein­zel­hei­ten der Ge­ge­ben­hei­ten ab. Zur Not muss ein Rich­ter fest­le­gen, wer wie viel zah­len muss.

Fall 2:
Va­len­tin, 13 Jahre, hat auf sei­nem Com­pu­ter ein Pro­gramm in­stal­liert, um damit Musik aus dem In­ter­net her­un­ter­la­den zu kön­nen. Das Pro­gramm aber war – und das wuss­te Va­len­tin nicht – ein Tausch­cli­ent, der die Musik nicht nur her­un­ter­lud, son­dern gleich­zei­tig für an­de­re wie­der anbot. Eine Mu­sik­fir­ma bekam Wind davon und ver­langt Scha­den­er­satz in Höhe von 3.000 €.
Wer muss für den Scha­den haf­ten? Va­len­tin? Die El­tern?
LÖ­SUNG:
Sach­la­ge:
Es ist ein Scha­den von 3.000 € ent­stan­den. Der Ver­ur­sa­cher ist 13 Jahre alt.
Be­ur­tei­lung:
Va­len­tin ist be­schränkt de­liktsfä­hig. Er hat zwar das Pro­gramm her­un­ter­ge­la­den, aber ihm fehl­te of­fen­bar die Ein­sicht, wel­che Fol­gen sein Han­deln hat. Damit ist die Prü­fung nicht not­wen­dig, ob er vor­sätz­lich oder grob fahr­läs­sig ge­han­delt hat.
El­tern: Ver­let­zung der Auf­sichts­pflicht der El­tern? Wenn die El­tern Va­len­tin aus­rei­chend dar­über be­lehrt haben, dass er Musik nicht il­le­gal her­un­ter­la­den soll, haben sie ihrer Auf­sichts­pflicht ge­nügt. (siehe auch: Pres­se­mit­tei­lung Nr. 193/12 des BGH vom 15.11.2012. Ak­ten­zei­chen I ZR 74/12)

  • Er­geb­nis: Eine Haf­tung von Va­len­tin und sei­ner El­tern ist aus­ge­schlos­sen, wenn die El­tern ihren Sohn aus­rei­chend be­lehrt haben.

 

Über die Be­deu­tung der el­ter­li­chen Auf­sichts­pflicht siehe auch

www.​auf​sich​tspf​lich​t.​de/ [Zu­griff März 2013]

Quel­le zu den Aus­zü­gen aus dem BGB:
www.​ge­set­ze-​im-​in­ter­net.​de/​bgb/
[Zu­griff Mai 2013]

 

De­liktsfä­hig­keit.docx: Download Her­un­ter­la­den [docx][50 KB]

 

Wei­ter zu

Aus­hilfs­jobs und Ju­genar­beits­schutz­ge­setz (LPE 1)