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Quel­len des Ste­reo­typs

Ste­reo­ty­pe sind nicht an­ge­bo­ren, son­dern er­lernt. Sie sind das Er­geb­nis des Zu­sam­men­wir­kens von Le­bens­welt, so­zia­ler Um­ge­bung und Kul­tur. Man ist auf­ge­wach­sen in sei­ner Fa­mi­lie, in der Schu­le und in der Ge­sell­schaft. Man wird be­ein­flusst von sei­nen El­tern, Leh­rern, Schul­kol­le­gen, Freun­den und an­de­ren in der Ge­sell­schaft. Man er­wirbt die Kul­tur, Sit­ten und Ge­bräu­che, Wert­vor­stel­lung und Le­bens­wei­se und ent­wi­ckelt seine ei­ge­ne Ein­stel­lung zu an­de­ren Ras­sen und Na­tio­nen. Sol­che Ein­stel­lun­gen sind nicht über­prüft und er­probt. Aus die­sem Grund sind sie oft Ste­reo­ty­pe auf der Basis der Er­fah­run­gen der an­de­ren. Au­ßer­dem spie­len die Mas­sen­me­di­en eine immer be­deu­ten­de­re Rolle bei der Ste­reo­ty­pi­sie­rung. In der heu­ti­gen Ge­sell­schaft sind Mas­sen­me­di­en über­all da. Fern­se­hen, Radio, Zei­tun­gen, Zeit­schrif­ten, In­ter­net und Bü­cher sind alle In­for­ma­ti­ons­trä­ger. Sie über­ge­ben ein große Menge von In­for­ma­tio­nen über un­se­re viel­fäl­ti­ge Welt. Jin Zhao hat in ihrem Auf­satz „Das Deutsch­land­bild in einem Deutsch-Chi­ne­si­schen Joint­ven­ture“ die Er­geb­nis­se der em­pi­ri­schen Un­ter­su­chung in einem deutsch-chi­ne­si­schen Joint Ven­ture Ende 2003 dar­ge­stellt und ana­ly­siert. Nach ihr spie­len Zei­tun­gen zur Ver­mitt­lung von In­for­ma­tio­nen über Deutsch­land die wich­tigs­te Rolle. „Im­mer­hin haben sich 24,6% der Be­frag­ten ihre Fak­ten über Deutsch­land bei­na­he aus­schließ­lich dar­aus an­ge­eig­net“ (Zhao 2005:53).

Übersicht

Dar­aus kann man die Schluss­fol­ge­rung zie­hen, dass Fern­se­hen, Zei­tun­gen, In­ter­net und Bü­cher wich­ti­ge Quel­len der Ste­reo­ty­pe sind. Aber jeder Staat hat ver­schie­de­ne wich­ti­ge Quel­len der Ste­reo­ty­pi­sie­rung. Zum Bei­spiel sind bei der Ste­reo­ty­pi­sie­rung in Bezug auf die USA neben den oben ge­nann­ten Mas­sen­me­di­en die Filme aus Hol­ly­wood, die die ame­ri­ka­ni­sche Le­bens­an­schau­ung, Wert­vor­stel­lung wie zum Bei­spiel In­di­vi­dua­lis­mus und Stre­ben nach dem Er­folg aus ei­ge­ner Kraft wei­ter­ge­ben, auch eine wich­ti­ge Quel­le für die Ste­reo­ty­pi­sie­rung.

Bei­spie­le in Bezug auf Deutsch­lands­bil­der in chi­ne­si­schen Zeit­schrif­ten

In der Zeit­schrift „ Du Zhe“(„Der Leser“) (2002 (19):7) steht ein Ar­ti­kel na­mens „Star­re Deut­sche“. Darin wurde eine klei­ne Ge- schich­te er­zählt: “Eine Nacht reg­ne­te es sehr stark. Ein Vater und sein Sohn gin­gen eilig zum Arzt. Sie kamen in eine ru­hi­ge und ab­ge­le­ge­ne Stra­ße und es schien an der klei­nen Kreu­zung Rot. Ob­wohl es keine an­de­ren Men­schen und keine Autos gab, war­te­ten sie sehr lange an der Ampel. Nach einer lan­gen Zeit ver­lor der Sohn die Ge­duld und woll­te die Stra­ße über­que­ren. Aber er wurde so­fort von sei­nem Vater ge­hal­ten und kri­ti­siert. Am Ende er­kann­ten sie, dass die Ampel ka­putt war. Nur das rote Licht schien, und das grüne Licht schien nicht.“ Wel­che Ein­drü­cke von Deut­schen haben Sie nach dem Lesen die­ser Ge­schich­te? Viel­leicht wer­den wir ei­ner­seits den Ein­druck haben, dass die Deut­schen un­fle­xi­bel sind. An­de­rer­seits fin­den wir aber, dass die Deut­schen Re­geln streng ein­hal­ten, was zu be­wun­dern ist. Sol­che Ein­drü­cke blei­ben viel­leicht lange Zeit in un­se­rem Kopf. Und wir glau­ben ver­meint­lich, dass alle Deut­schen sol­che Ei­gen­schaf­ten haben. Aber tat­säch­lich hat jeder Deut­sche seine ei­ge­ne Ei­gen­schaft. Viele Deut­schen sind fle­xi­bel und haben nicht sol­che Ei­gen­schaf­ten. Trotz­dem be­ein­flus­sen die ge­bil­de­ten Ein­drü­cke un­se­re spä­te­ren Ur­tei­le. Au­ßer­dem spie­len die in­di­vi­du­el­len Er­fah­run­gen bei der Ste­reo­ty­pi­sie­rung auch eine Rolle. Nach­dem wir mit ei­ni­gen Men­schen aus an­de­ren Län­dern Kon­takt auf­ge­nom­men haben, su­chen wir oft die ge­mein­sa­men Ei­gen­schaf­ten von ihnen. Manch­mal hal­ten wir sol­che Ei­gen­schaf­ten in ihrem Land für üb­lich und bil­den somit Ste­reo­ty­pe. In der Zeit­schrift „ Du Zhe“(„Der Leser“) (2005 (3):48-49) ist ein Ar­ti­kel von Yu, Lu mit der Über­schrift „Groß­ar­ti­ger Deut­scher Geist“. Der Autor hat den deut­schen Geist am Bei­spiel ei­ni­ger Sa­chen und Er­leb­nis­se in Deutsch­land dar­ge­stellt. Dar­un­ter sind zum Bei­spiel Gleich­be­rech­ti­gung, Selbst­dis­zi­plin, Ein­hal­tung der Re­geln usw. Er hat zum Bei­spiel ge­hört, dass der da­ma­li­ge Kanz­ler am Wo­chen­en­de nur sein ei­ge­nes Auto be­nut­zen durf­te, um zum Ur­laub zu fah­ren. Und die meis­ten Deut­schen kau­fen Fahr­kar­ten, ob­wohl es keine stän­di­ge Kon­trol­le gibt. Für die Ein­hal­tung der Regel hat er eine Ge­schich­te er­zählt: Eine Grup­pe von Stu­den­ten hat eine Un­ter­su­chung auf der Stra­ße in einer deut­schen Stadt ge­macht. Sie kleb­ten je­weils das Zei­chen für „Män­ner“ und „Frau­en“ an die Türen von zwei ne­ben­ein­an­der ste­hen­den Te­le­fon­zel­len. Das Er­geb­nis ist, dass alle Män­ner in die Te­le­fon­zel­le mit dem Zei­chen „Män­ner“ an der Tür gehen, und Frau­en in die an­de­re Te­le­fon­zel­le. Nach ein paar Mi­nu­ten stan­den vor der Te­le­fon­zel­le mit dem Zei­chen „Män­ner“ eine Schlan­ge, ob­wohl die Te­le­fon­zel­le „für Frau­en“ leer war. Plötz­lich kam ein Mann in Eile. Als er sah, dass die Te­le­fon­zel­le „für Män­ner“ voll war, ging er ohne Ver­zö­ge­rung in die Te­le­fon­zel­le „für Frau­en“. Die Stu­den­ten frag­ten nach­her und er­fuh­ren, dass alle in Schlan­ge ste­hen­den Män­ner Deut­sche waren, und der Mann, der in die Te­le­fon­zel­le „für Frau­en“ ging, ein Fran­zo­se war. Mit oben ge­nann­ten Bei­spie­len hat der Autor den Geist von Deutsch­land er­läu­tert. Hier habe ich nur zwei Bei­spie­le in Bezug auf Deutsch­land­bil­der in chi­ne­si­schen Zeit­schrif­ten ge­ge­ben. Daran kön­nen wir sehen, dass die Mas­sen­me­di­en doch be­stimm­te In­for­ma­tio­nen über an­de­re Län­der und Kul­tu­ren wei­ter­ge­ben. Und die In­for­ma­ti­ons­emp­fän­ger, zum Bei­spiel die Leser der Zeit­schrif­ten, könn­ten sich nach dem Emp­fang sol­cher In­for­ma­tio­nen be­stimm­te Ein­stel­lun­gen zu an­de­ren Kul­tu­ren bil­den. Wenn die Ein­stel­lun­gen starr wür­den, könn­ten dann Ste­reo­ty­pe ent­ste­hen.

Die Aus­wir­kun­gen der Ste­reo­ty­pe auf die in­ter­kul­tu­rel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on

Ste­reo­ty­pe haben ne­ga­ti­ve Wir­kun­gen auf die In­ter­kul­tu­rel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on. Wegen der Über­ge­ne­ra­li­sie­rung und Un­voll­stän­dig­keit der Ste­reo­ty­pe wird die In­di­vi­dua­li­tät nicht be­rück­sich­tigt. Man be­nimmt sich wie „ein Mann mit einer bun­ten Bril­le“. Bei der in­ter­kul­tu­rel­len Kom­mu­ni­ka­ti­on kann es Miss­ver­ständ­nis­se, Vor­ur­tei­le und sogar Dis­kri­mi­nie­rung ver­ur­sa­chen, was die Ge­füh­le des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ners ver­let­zen und die ef­fek­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on hem­men kann. Shi­jie Guan meint, dass Ste­reo­ty­pe und Vor­ur­tei­le die in­ter­kul­tu­rel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on fol­gen­der­ma­ßen be­ein­träch­ti­gen: (1) „das Ge­sche­hen der In­ter­kul­tu­rel­len Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­hin­dern“ (Guan 1995:186). Wenn man ne­ga­ti­ve Ste­reo­ty­pe ge­gen­über einem Kul­tur­kol­lek­tiv hat, ist man nicht be­reit, mit den Mit­glie­dern der Kul­tur­kol­lek­ti­ve um­zu­ge­hen. (2) „die Qua­li­tät der Kom­mu­ni­ka­ti­on be­ein­träch­ti­gen“ (vgl. ebd.). Ste­reo­ty­pe und Vor­ur­tei­le haben Aus­wir­kun­gen auf un­se­re psy­cho­lo­gi­schen Tä­tig­kei­ten und unser Han­deln, so­dass wir bei der Wahr­neh­mung se­lek­ti­ves Ge­dächt­nis wäh­len und stüt­zen­de Punk­te für un­se­re Ste­reo­ty­pe und Vor­ur­tei­le su­chen. Die Folge ist, dass wir uns mehr Zeit für die Be­stä­ti­gung un­se­rer Ste­reo­ty­pe neh­men als für das wirk­li­che Ver­ste­hen des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ners, was zu ver­dre­hen­der und ab­weh­ren­der Hand­lung füh­ren kann und die Ste­reo­ty­pe und Vor­ur­tei­le ver­stärkt, so­dass ein Teu­fel­kreis der ne­ga­ti­ven Kom­mu­ni­ka­ti­on ent­ste­hen könn­te. (3) „Dis­kri­mi­nie­rung her­vor­ru­fen“ (vgl. ebd.). Wenn man star­re Ste­reo­ty­pe und Vor­ur­tei­le be­her­bergt, wird man beim Han­deln und Spre­chen ag­gres­si­ver sein, was zur Dis­kri­mi­nie­rung füh­ren kann.

Quel­le: Jing­tao Yu "Quel­len des Ste­reo­typs", in­ter­cul­tu­re jour­nal 2006/02


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