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M2.06

1 Bei der Evo­lu­ti­on zeigt sich, dass Leben von den Er­fah­run­gen frü­he­rer Ge­ne­ra­tio­nen pro­fi­tie­ren kann. Re­li­giö­se Tra­di­tio­nen hel­fen, die­ses Wis­sen zu be­wah­ren und wei­ter zu geben. Bio
2 Der Mensch lebte ganz im Ein­klang mit der Natur: Die Natur selbst sorgt für das Über­le­ben der Men­schen und präg­te sei­nen ge­sam­ten Le­bens- und Vor­stel­lungs­ho­ri­zont. Bio
3 In den Augen der Men­schen da­mals be­sa­ßen Tiere, Pflan­zen oder was­ser­spen­den­de Quel­len eine Seele. Sie dach­ten: In der Natur zeigt sich das Wir­ken über­na­tür­li­cher Kräf­te. Rel­wiss
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Die Aus­gra­bun­gen von Gö­be­k­li Tepe

(„bau­chi­ge Berg“) in der Tür­kei stel­len einen der be­deu­tends­ten Funde dar. In der Über­gangs­zeit von der Jäger- und Samm­ler- zur Acker­bau­kul­tur ent­stand ein Stein­kreis aus mo­nu­men­ta­len Stein­pfei­lern. For­scher hal­ten sie für Ah­nen­sym­bo­le und die An­la­ge für den ers­ten (be­kann­ten) Tem­pel der Ge­schich­te.

Waren also Kult und Re­li­gi­on erst der An­lass dafür, dass die Men­schen sess­haft wur­den?

Arch
5 Je kom­ple­xer das Leben im Dies­seits wurde, umso kom­ple­xer wur­den die Vor­stel­lun­gen vom Jen­seits und umso um­fang­rei­cher wurde der Ka­ta­log an Ri­tua­len, Ze­re­mo­ni­en und Fes­ten. Rel­wiss
6 Ar­chäo­lo­gen ent­deck­ten Men­schen­be­stat­tun­gen unter den Fuß­bö­den und Schlaf­plät­zen in Wohn­häu­sern. Sie schlos­sen dar­aus, dass die Ver­stor­be­nen da­durch auch wei­ter­hin Teil der Sippe blei­ben soll­ten. Arch
7 Wis­sen­schaft­ler stie­ßen auf Grä­ber, in denen of­fen­sicht­lich nur die von den Kör­pern ge­trenn­ten Schä­del lagen. Sie ver­mu­ten: Dies könn­te eine Wei­ter­ent­wick­lung des Ah­nen­kul­tes sein. Jetzt galt nicht mehr der Kör­per des Toten selbst, son­dern nur noch sein Kopf als Sitz sei­ner Per­sön­lich­keit. Arch
8 Mit der Sess­haft­wer­dung der Men­schen ge­ba­ren Frau­en mehr Kin­der als zuvor. Aus­gra­bun­gen von Fi­gu­ren zei­gen, dass die ers­ten Göt­ter ver­mut­lich Göt­tin­nen waren und als Ur­mut­ter und Le­bens­spen­de­rin ver­ehrt wur­den. Arch/Rel­wiss
9 Es gab eine aus­dif­fe­ren­zier­te Ar­beits­tei­lung. Diese fand ihre Ent­spre­chung im Göt­ter­him­mel: es gab bald Göt­ter für jeden Zweck. Rel­wiss
10 Im alten Ori­ent ent­stand die erste Groß­stadt der Welt­ge­schich­te: Uruk. Die Me­tro­po­le wur­den von künst­li­chen Ka­nä­len durch­zo­gen und zähl­te um 3400 v. Chr. schon 50 000 Ein­woh­ner, die von einem König re­giert wur­den. Man fand Keil­schrift­ta­feln mit un­um­stöß­li­chen Re­geln/Ge­set­zen „gött­li­cher Weis­heit“: Jeder Mensch muss­te die Ge­set­ze hal­ten, da sonst Chaos droh­te und die Welt dem Un­ter­gang ge­weiht war. Arch
11 Funde von Keil­schrift­ta­fel zei­gen: Erst die Schrift mach­te es mög­lich, kom­pli­zier­te re­li­giö­se Ri­tua­le und Ge­set­ze auf Dauer fest­zu­hal­ten. Arch
12 Was konn­te eine Elite tun, um die Be­völ­ke­rung hin­ter sich zu brin­gen und zu­gleich ein kom­for­ta­ble­res Leben zu füh­ren als der „ein­fa­che Mann“? Die Er­fin­dung einer Re­li­gi­on oder Ideo­lo­gie, um die ei­ge­ne Herr­schaft zu recht­fer­ti­gen. Psy
13 Re­geln und Ri­tua­le be­grün­de­ten eine re­li­giö­se Moral: die Göt­ter straf­ten Fehl­ver­hal­ten mit Krank­heit oder wirt­schaft­li­cher Not; Wohl­ver­hal­ten galt als Ga­rant für gött­li­chen Schutz und gutes Leben. Rel­wiss
14 Nach Vor­stel­lung der Men­schen da­mals gal­ten die Herr­scher als gottähn­lich oder in di­rek­tem Kon­takt mit den Göt­tern ste­hend. Rel­wiss
15 Nach bi­bli­schen Er­zäh­lun­gen bekam Moses auf dem Berg Sinai die gött­li­chen Ge­bo­te auf zwei Ta­feln mit­ge­teilt. Rel­wiss
16 Pha­rao Ech­na­ton be­setz­te das Ge­biet des heu­ti­gen Is­ra­el und be­fahl allen den Glau­ben an nur einen Gott: Aton, die Son­nen­schei­be. Rel­wiss
17 Die is­rae­li­ti­sche Ober­schicht wurde von dem ba­by­lo­ni­schen Herr­scher Ne­bu­kad­ne­zar nach Me­so­po­ta­mi­en ver­schleppt. Ver­mut­lich aus dem Be­dürf­nis eine ei­ge­ne Iden­ti­tät zu be­wah­ren, be­gann ein Jahwe-Kult und die Juden leb­ten einen stren­gen Mo­no­the­is­mus. Rel­wiss
18 Alte Schrift­fun­de be­sa­gen: „Ich bin Jahwe, dein Gott. Du sollst neben mir keine an­de­ren Göt­ter haben.“ Arch/Rel­wiss
19 Re­li­gi­on bie­tet einen Evo­lu­ti­ons­vor­teil: Re­li­giö­se Men­schen be­kom­men mehr Kin­der und kön­nen damit ihre Gene er­folg­rei­cher wei­ter­ver­er­ben. Bio
20 Die Fä­hig­keit des Men­schen zur Hin­ga­be an die Ge­mein­schaft ver­langt als Grund­la­ge die Aus­bil­dung von Emo­tio­nen wie Stolz, Neid, Schuld­ge­fühl und Scham. Psy
21 Mit der Ent­wick­lung des „epi­so­di­schen Ge­dächt­nis­ses“ kann der Mensch auf seine bis­he­ri­ge Bio­gra­fie zu­rück­bli­cken und er­wirbt die Fä­hig­keit, sich die Zu­kunft vor­zu­stel­len. Damit ver­bun­den ist die exis­ten­zi­el­le Angst vor Lei­den und Tod. Psy/Bio
22 Ist Re­li­gi­on ge­ne­tisch ver­an­lagt? Re­li­gio­si­tät wur­zelt in der Be­ga­bung des mensch­li­chen Ge­hirns zur Spi­ri­tua­li­tät, zum Glau­ben an eine über­na­tür­li­che Welt. Auch wenn man nicht von einem Got­tes-Gen spre­chen kann, so zei­gen Stu­di­en, dass der Mensch evo­lu­tio­när zu­min­dest teil­wei­se auf Re­li­gi­on bzw. Spi­ri­tua­li­tät hin aus­ge­rich­tet ist. Bio
23 Spi­ri­tua­li­tät stärkt die so­zia­le Ein­heit einer Grup­pe und schließt die Ab­weich­ler aus. Psy
24 Aus­gra­bungs­fun­de von Grab­bei­ga­ben las­sen ver­mu­ten, dass be­reits eine Vor­stel­lung von Dies­seits und Jen­seits vor­herrsch­te. In der Sorge um die Zu­kunft der Ver­stor­be­nen könn­te eine Ge­burts­stun­de der Re­li­gi­on ge­se­hen wer­den. Arch
25 Re­li­gio­nen lie­fern Er­klä­run­gen für die um­ge­ben­de Welt. Rel­wiss
26 In der Kon­fron­ta­ti­on mit dem Tod mach­ten sich die Men­schen ver­mut­lich Sorge um die ei­ge­ne Exis­tenz. Dies führ­te zur Ent­wick­lung von Ah­nen­kul­ten und Eh­rung der Ver­stor­be­nen. Diese dien­ten wahr­schein­lich auch dazu, frem­de Mäch­te und Geis­ter milde zu stim­men und fern zu hal­ten. Rel­wiss
27 Ver­glei­che ver­schie­de­ner Re­li­gio­nen las­sen man­che For­scher ver­mu­ten: Be­son­ders mo­no­the­is­ti­sche Re­li­gio­nen schei­nen eher einen Hang zu ex­tre­mis­ti­scher Ge­walt zu be­sit­zen. Rel­wiss
28 Vor­aus­set­zung für die Re­li­gi­on ist ein „Ich- Be­wusst­sein“. Dann ist ein be­wuss­tes Han­deln mög­lich, ohne den In­stink­ten un­ter­wor­fen zu sein. Dies er­mög­licht auch die Vor­sor­ge für die Zu­kunft. Psy
29 Stu­di­en und Ex­pe­ri­men­te zei­gen: Re­li­gi­on macht nicht einen bes­se­ren Men­schen – aber sie führt zu der „Selbst­emp­fin­dung“, ein bes­se­rer Mensch zu sein. Psy
30 Re­li­gi­on för­dert die Mo­ti­va­ti­on an­de­rer Grup­pen­mit­glie­der – bie­tet aber auch die Ge­fahr einer ge­ziel­ten Ma­ni­pu­la­ti­on zum Macht­er­halt. Psy
31 Evo­lu­ti­ons­tech­nisch ist Glau­be kein „über­flüs­si­ger Luxus“. Es sind Aus­wir­kun­gen auf die Ge­sund­heit nach­weis­bar. Glau­be be­ein­flusst die Part­ner­wahl und för­dert die Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen Nicht­ver­wand­ten. Bio
32 Bio­lo­gen fan­den her­aus: Durch Re­li­gi­on fin­det eine Ab­si­che­rung, Har­mo­ni­sie­rung und Ef­fi­zi­enz­stei­ge­rung einer Po­pu­la­ti­on statt. Bio
Al­ter­na­tiv König David ver­ehr­te den No­ma­den­gott Jahwe als sei­nen per­sön­li­chen Gott. Rel­wiss

Die The­sen ent­stam­men in­halt­lich aus

  • Bi­sch­off, Jür­gen/ En­geln, Hen­ning: Wie der Glau­be in die Welt kam; in: GEO kom­pakt 16 (2008); S. 24 -40.
  • Vaas, Rü­di­ger; Blume, Mi­cha­el: Gott, Gene und Ge­hirn. Warum Glau­be nützt. Die Evo­lu­ti­on der Re­li­gio­si­tät; Stutt­gart 2009.

 

Ma­te­ria­li­en­da­tei 2: Her­un­ter­la­den [docx][3 MB]

Ma­te­ria­li­en­da­tei 2: Her­un­ter­la­den [pdf][2 MB]

 

Wei­ter zu M2.07