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Dop­pel­stun­de 1

Text­kri­tik, An­fang und Ende der Evan­ge­li­en

Bezug zur in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen:

Die SuS kön­nen

  • 3.3.3 (1) sich mit As­pek­ten des Ver­ständ­nis­ses bi­bli­scher Texte aus­ein­an­der­set­zen (zum Bei­spiel His­to­ri­zi­tät und Ak­tua­li­tät, Wahr­heit, Wi­der­sprü­che)
  • 3.3.3 (2) die Ent­ste­hung bi­bli­scher Texte aus his­to­risch-kri­ti­scher Per­spek­ti­ve ex­em­pla­risch er­läu­tern
  • 3.4.6 (2) Kri­te­ri­en für einen kon­struk­ti­ven Um­gang mit der Wahr­heits­fra­ge zwi­schen Men­schen un­ter­schied­li­cher Re­li­gio­nen und Welt­an­schau­un­gen for­mu­lie­ren

Bezug zu pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen:

  • 2.1.3. grund­le­gen­de re­li­giö­se Aus­drucks­for­men (Sym­bo­le, Riten, My­then, Räume, Zei­ten) wahr­neh­men, sie in ver­schie­de­nen Kon­tex­ten wie­der­er­ken­nen und sie ein­ord­nen
  • 2.2.1. re­li­giö­se Aus­drucks­for­men ana­ly­sie­ren und sie als Aus­druck exis­ten­ti­el­ler Er­fah­run­gen ver­ste­hen

Di­dak­ti­scher Hin­weis zur Dop­pel­stun­de: Die Dop­pel­stun­de ver­sucht an­schau­lich zu ma­chen, was text­kri­ti­sches Ar­bei­ten ist und woher ei­gent­lich der Text kommt, den wir in der Bibel vor uns haben. Zwar ist es den SuS ohne Grie­chisch­kennt­nis­se kaum mög­lich, Text­va­ri­an­ten lokal-ge­nea­lo­gisch nach äu­ße­ren und in­ne­ren Kri­te­ri­en in ein Ver­hält­nis zu set­zen. Auch ist ohne Wis­sen um die un­ter­schied­li­chen Text­ty­pen (alex­an­d­ri­nisch, „west­lich“, by­zan­ti­nisch, „Cä­sarea“), und die Wis­sen­schafts-Ge­schich­te ihrer Be­wer­tun­gen und vor­aus­ge­setz­ten Ein­fluss­nah­men ein wirk­li­ches Ab­wä­gen der un­ter­schied­li­chen Zeu­gen nicht sinn­voll. Was aber im Un­ter­richt er­fah­ren wer­den kann, ist, dass der Text ein wiss. er­stell­tes Kon­strukt ist, wel­ches un­ter­schied­li­che Text­zeu­gen so mit­ein­an­der ver­gleicht, dass an jedem Tex­t­ort neu nach fest­ge­leg­ten Re­geln die ur­sprüng­li­che­re Ver­si­on ge­sucht wird (wohl wis­send, dass man den Ur-Text nie haben wird!). Das Wahr­neh­men und Ab­wä­gen der im Ap­pa­rat des NTG ab­ge­bil­de­ten Text-Va­ri­an­ten ist aber al­lein aus tex­ter­schie­ßen­den Grün­den sinn­voll und von den SuS durch­aus zu leis­ten, wie das hier ge­lie­fer­te Bei­spiel aus Mk 8,14 er­fahr­bar ma­chen soll. Wei­ter­hin wird ver­sucht, über den Ver­gleich der An­fän­ge und Enden der vier Evan­ge­li­en in­halt­li­che Rück­schlüs­se mög­lich zu ma­chen, die auf die un­ter­schied­li­chen re­dak­tio­nel­len Pro­fi­le und theo­lo­gi­schen An­lie­gen der Evan­ge­lis­ten ver­wei­sen.

Fach­li­che Klä­rung zur Text­kri­tik: Da die text­kri­ti­schen Re­geln davon aus­ge­hen, dass die schwie­ri­ge­re Va­ri­an­te (lec­tio dif­fi­ci­li­or) und die kür­ze­re Va­ri­an­te (lec­tio bre­vi­or) zu be­vor­zu­gen sind, wird ver­ständ­lich, warum sich zB. am Alter eines Text­ma­nu­skripts kaum ein Rück­schluss auf sei­nen Wert ab­lei­ten lässt. Viel ent­schei­den­der ist die sog. Ten­a­zi­tät (Sta­bi­li­tät der Ei­gen­art) der Va­ri­an­te; also die Be­wah­rung der Über­lie­fe­rung vor Har­mo­ni­sie­rung, Glät­tung und Kor­rek­tur. Hier gilt der alex­an­d­ri­ni­sche Text­ty­pus, der nach Ägyp­ten ver­or­tet wird, als der wich­tigs­te. Das Ma­te­ri­al der Dop­pel­stun­de lie­fert be­wusst alex­an­d­ri­ni­sche Zeu­gen; so den Codex Va­ti­ca­nus (300-325 n. Chr.) und die Ches­ter-Be­at­ty-Ma­nu­skrip­te, deren Pa­py­rus 45 (um 200 n. Chr.) aber be­reits als Misch­form aus alex­an­d­ri­ni­schem und by­zan­ti­ni­schem Text ein­ge­ord­net wird (frü­her auch als „Cä­sarea“-Text­ty­pus miss­in­ter­pre­tiert). In­ter­es­sant zu wis­sen, dass ca. 80% aller Hand­schrif­ten un­se­res NTG dem by­zan­ti­ni­schen Text­ty­pus an­ge­hö­ren, der auch als Mehr­heits­text, Koiné oder Reichs­text be­zeich­net wird.

Pro­ble­mer­öff­nung: Bild­im­puls: Der An­fang des Mt-Evan­ge­li­ums aus dem Codex Va­ti­ca­nus (Ord­nungs­buch­sta­be B 03, 300-325 n. Chr., Rom, Va­ti­can, Ka­te­go­rie I) (M1)

Ar­beits­auf­trag: Be­schreibt, was hier zu sehen ist und nennt mög­li­che Hin­ter­grün­de.

Di­dak­ti­scher Hin­weis: Es han­delt sich hier um den An­fang des Mt-Evan­ge­li­ums, der Kata Maqqai­on über­schrie­ben und wenig ver­ziert ist (rot und grün, gro­ßer ers­ter Buch­sta­be). Der Text ver­wen­det No­mi­na Sacra: Vgl. erste Zeile rechts für

Ἰησου ΙΥ

und für

Χριστου ΧΥ.

No­mi­na sacra die­nen ge­wöhn­lich der Ab­kür­zung um Ma­te­ri­al zu spa­ren, da das Per­ga­ment sehr teuer war. Sie haben meist einen Ober­strich und sind in be­son­de­ren Fäl­len ver­ziert oder in Farbe ge­setzt (rot oder auch gold). Die SuS soll­ten an Wis­sensele­men­te aus Klas­se 5/6 an­knüp­fen kön­nen und zB. er­in­nern, dass Per­ga­ment ein teu­res und sel­te­nes Ma­te­ri­al war. Da der Va­ti­ca­nus nun tat­säch­lich geo­gra­phisch aus Ägyp­ten kommt, kann hier auch an die in der Wüste ver­gra­be­nen Ton­krü­ge oder die Funde von Qum­ran er­in­nert wer­den.

Es bie­tet sich an, den SuS an­hand des grie­chi­schen Tex­tes der ers­ten bei­den Va­ti­ca­nus-Zei­len und deren ab­ge­bil­de­ter Lu­ther-Über­set­zung auf­zu­zei­gen, dass be­reits die Über­set­zung des grie­chi­schen Tex­tes in un­se­ren Bibel eine In­ter­pre­ta­ti­on ist: Der grie­chi­sche Text ist el­lip­tisch und er­in­nert – in mt. Theo­lo­gie wohl ganz ge­zielt – an atl. Wen­dun­gen; so an Gen 2,4 oder Gen 5,1; vgl. das iden­ti­sche

βίβλος ϒενέσεϖς

in der LXX (Sep­tua­gin­ta).

Ar­beits­auf­trag: Ver­glei­che das wört­li­che Text-Ma­te­ri­al im grie­chi­schen Text des Codex Va­ti­ca­nus und die üb­li­che Über­set­zung (zB. Lu­ther 1984) in un­se­ren Bi­beln. Be­ur­tei­le den Be­fund!

Er­ar­bei­tung I: Syn­op­se: An­fän­ge der Evan­ge­li­en (M2)

Ar­beits­auf­trag (PA): Ver­gleicht die An­fän­ger der vier Evan­ge­li­en mit­ein­an­der. Be­ur­teilt Euren Be­fund im Hin­blick auf das, was die un­ter­schied­li­chen An­fän­ge wohl in­halt­lich er­war­ten las­sen.

Er­geb­nis­si­che­rung I:

Samm­lung der Er­geb­nis­se in Stich­punk­ten an der Tafel/ bzw. in einer Folie auf dem Vi­sua­li­zer, Deu­tung des Be­fun­des im ge­lenk­ten UG.

Al­ter­na­ti­ve Er­gän­zung: Lukas und Fla­vi­us Jo­se­phus: An­ti­ke Ge­schichts­schrei­bung (M3)

Di­dak­ti­scher Hin­weis:

Fla­vi­us Jo­se­phus, * 37 oder 38 in Je­ru­sa­lem , † nach 100 ver­mut­lich in Rom , jü­di­scher Ge­schichts­schrei­ber. Einer der wich­tigs­ten Au­to­ren des hel­le­nis­ti­schen Ju­den­tums. Schloss sich den Pha­ri­sä­ern an.

Ar­beits­auf­trag (UG): Ver­gleicht die Text­aus­zü­ge aus Lukas und Jo­se­phus und deu­tet Euren Be­fund im Hin­blick auf das, was An­ti­ke His­to­rio­gra­phie wohl be­deu­tet.

Di­dak­ti­scher Hin­weis: Im UG soll­te deut­lich wer­den, dass sich Lk durch­aus als an­ti­ker His­to­rio­graph wie Jo­se­phus ver­steht (vgl. in die­sem Sinne auch den Rück­griff aus der Apg auf das Ev). Nach E. Plü­ma­cher (Lukas als hel­le­nist­scher Schrift­stel­ler, Göt­tin­gen 1972) be­deu­tet „An­ti­ke His­to­rio­gra­phie“ auch, Dinge fin­gie­ren zu dür­fen, um damit die his­to­ri­sche Rich­tig­keit ab­zu­bil­den.]

Er­ar­bei­tung II: Bild­im­puls: Der Codex Va­ti­ca­nus mit dem letz­ten Blatt des Mk-Tex­tes (vgl. das Kata Mar­kon) und dem sicht­bar kür­ze­ren Mk-Schluss in 16,8! (M4)

Ar­beits­auf­trag: Lest Mk 16,1-8 und ver­gleicht mit dem so­ge­nann­ten län­ge­ren Mar­kus­schluss in Mk 16, 9-20, wel­cher nach text­kri­ti­schen Kri­te­ri­en ein­deu­tig se­kun­där ist. Er­klärt, wie es wohl dazu kam, dass die­ser län­ge­re Schluss er­gänzt wurde.

Di­dak­ti­scher Hin­weis: Sehr schön zeigt der Va­ti­ca­nus den kur­zen Mk-Schluss – Aber wie ist das mit dem Schluss der Evan­ge­li­en im Ver­gleich?! Dis SuS ge­win­nen über die ver­gli­che­nen Schlüs­se (M5) einen Ein­druck des theo­lo- gi­schen Wol­lens der je­wei­li­gen Au­to­ren und kön­nen Hy­po­the­sen bil­den, die im wei­te­ren Un­ter­richts­gang (vgl. Stun­de 4; Re­dak­ti­ons­kri­tik) be­legt wer­den sol­len.

Ar­beits­auf­trag (GA):

  1. Ver­gleicht die je­wei­li­gen Schlus­sät­ze der Evan­ge­li­en und ent­werft in der Grup­pe Hypo- the­sen über die je­wei­li­gen theo­lo­gi­schen An­lie­gen der Evan­ge­lis­ten.
  2. Zieht nun auch die un­ter­such­ten An­fän­ge hinzu und über­prüft, ob bei­des zu­sam­men passt.

Er­geb­nis­si­che­rung II: Ta­bel­le an der Tafel

Trans­fer bzw. Haus­auf­ga­be: Das „ka­no­ni­sche“ Mk-Ev hat sei­nen Schluss in Mk 16,20. Al­ler­dings kann man text- kri­tisch ein­deu­tig be­le­gen, dass der ur­sprüng­li­che­re Mk-Text in 16,8 en­de­te: Die große Mehr­zahl aller wich­ti­gen Zeu­gen liest den kür­ze­ren Schluss.

Ar­beits­auf­trag: Er­klä­re die Va­ri­an­te des län­ge­ren Mk-Schlus­ses in­halt­lich und er­läu­te­re im Rück­schluss die rhe- to­ri­sche Idee, die der Mk-Schrei­ber wohl mit sei­nem kür­ze­ren Schluss ver­bun­den hat.

Di­dak­ti­scher Hin­weis: der län­ge­re Schluss ab 16,9 setzt in­halt­lich mit der Auf­er­ste­hung neu ein und fasst die Os­ter­tra­di­ti­on der an­de­ren Evan­ge­li­en zu­sam­men, an­statt die in 16,7 be­geg­nen­de Ga­li­läa-Idee wie­der auf­zu­neh­men.

 

Un­ter­richts­se­quenz: „Die Bibel öff­net Räume“: Her­un­ter­la­den [docx][2 MB]

Un­ter­richts­se­quenz: „Die Bibel öff­net Räume“: Her­un­ter­la­den [pdf][1005 KB]

 

Wei­ter zu M1