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Fach­li­che Ein­ord­nung

Die Un­ter­richts­ein­heit be­fasst sich mit dem li­te­ra­ri­schen Motiv der Un­ter­welts­rei­se. Im Zen­trum ste­hen dabei in­halt­lich das sechs­te Buch von Ver­gils Aen­eis, me­tho­disch der Text-Text-Ver­gleich. An­de­re fach­wis­sen­schaft­li­che und all­ge­mein­sprach­li­che Be­grif­fe des Mo­tivs lau­ten Un­ter­welts­fahrt, Jen­seits­rei­se, de­scen­sus oder ka­ta­ba­sis. Das Motiv kann in­so­fern als uni­ver­sell und epo­chen­über­grei­fend be­zeich­net wer­den, als es die li­te­ra­ri­sche Ge­stal­tung eines an­thro­po­lo­gi­schen Grund­in­ter­es­ses dar­stellt, das sich bei­spiel­haft mit Fra­gen um­schrei­ben lässt wie: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Was er­war­tet mich, wenn ich ster­be? Wo be­fin­den sich die Toten?

Der Cha­rak­ter des Mo­tivs macht eine Ein­gren­zung un­er­läss­lich. Un­ter­sucht wird die Ka­ta­ba­sis des Ae­ne­as, wäh­rend an­de­re, nicht we­ni­ger be­kann­te klas­si­sche Un­ter­welts­fah­rer wie Or­pheus, He­ra­kles und Odys­seus un­be­rück­sich­tigt blei­ben. Der Aus­gangs­punkt der Un­ter­richts­ein­heit ist dem­nach Ver­gils sechs­tes Buch, dem ei­ner­seits, nicht zu­letzt wegen sei­ner his­to­risch-po­li­ti­schen Di­men­si­on, eine zen­tra­le Funk­ti­on in der Aen­eis zu­kommt, das an­de­rer­seits auch als wirk­mäch­ti­ger Prä­text gel­ten kann. So tre­ten bei Ver­gil Fi­gu­ren, Er­eig­nis­se und Räume in Er­schei­nung, die in der li­te­ra­ri­schen und bil­dend-künst­le­ri­schen Re­zep­ti­on immer wie­der auf­ge­grif­fen wor­den sind. Dass be­reits Ver­gil beim Ver­fas­sen des sechs­ten Bu­ches in einer re­li­giö­sen und li­te­ra­ri­schen Tra­di­ti­on stand, ist hin­läng­lich be­kannt, nutz­te doch der rö­mi­sche Dich­ter selbst Vor­la­gen wie das elfte Buch der Odys­see.

Auch hin­sicht­lich der Re­zep­ti­ons­do­ku­men­te muss eine Aus­wahl ge­trof­fen wer­den, die den Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine bei­spiel­haf­te Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Phä­no­men der In­ter­textua­li­tät er­laubt. Zum in­ter­tex­tu­el­len Ver­gleich wer­den ei­ner­seits Ver­gils Zeit­ge­nos­se Ovid, an­de­rer­seits die deutsch­spra­chi­gen Au­to­ren Chris­ti­an Kracht und Tho­mas Kling her­an­ge­zo­gen.

Das Kon­zept der In­ter­textua­li­tät ba­siert auf der Er­kennt­nis, dass li­te­ra­ri­sche Texte zwei grund­ver­schie­de­ne Arten des Be­zugs auf­wei­sen: Sie be­zie­hen sich ei­ner­seits auf Per­so­nen, Er­eig­nis­se, Zeit und Raum einer im Re­gel­fall fik­ti­ven Welt, an­de­rer­seits auf an­de­re li­te­ra­ri­sche Texte. Beide Arten des Be­zugs sind re­le­vant für das Ver­ständ­nis und die In­ter­pre­ta­ti­on li­te­ra­ri­scher Texte, wobei das Auf­fin­den in­ter­tex­tu­el­ler Be­zü­ge als an­spruchs­voll gel­ten muss, da es die Kennt­nis von wei­te­ren Tex­ten und li­te­ra­tur­ge­schicht­li­chen Zu­sam­men­hän­gen vor­aus­setzt.

Auch wenn Be­grif­fe wie Vor­la­ge, Vor­bild und Nach­ah­mung in der Un­ter­richts­ein­heit immer wie­der an­klin­gen, die auch im Un­ter­richts­ge­spräch oder in der Er­ar­bei­tung der Auf­ga­ben ver­wen­det wer­den kön­nen, liegt dem hier an­ge­wen­de­ten Kon­zept von In­ter­textua­li­tät die Vor­stel­lung zu­grun­de, dass es sich pri­mär um eine Cha­rak­te­ris­tik des Tex­tes han­delt, die vom Leser1 er­fasst und ge­deu­tet wer­den muss. In­so­fern sind Fra­gen rund um die Au­tor­schaft – wie etwa: Wel­che Quel­len hat der Autor ver­wen­det? Was in­ten­diert der Autor mit sei­nem Text? – nach­ge­ord­net. Viel­mehr sol­len die Le­se­rin­nen und Leser als In­stanz li­te­ra­ri­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on im Vor­der­grund ste­hen, wie es einst der fran­zö­si­sche Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Ro­land Barthes pro­vo­kant in dem Auf­satz „La mort de l’au­teur“ (1968, dt. „Der Tod des Au­tors“) pos­tu­liert hat. Das Lesen wird dem­zu­fol­ge als ein höchst ak­ti­ver und sinn­stif­ten­der Pro­zess ver­stan­den, den die Schü­le­rin­nen und Schü­ler als sol­chen er­fah­ren und re­flek­tie­ren.


1 Wenn ver­ein­zelt das ge­ne­ri­sche Mas­ku­li­num ver­wen­det wird, be­zieht sich die Form auf Per­so­nen aller Ge­schlech­ter (d/f/m).

 

 

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Wei­ter zu Di­dak­ti­sche Hin­wei­se