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Goe­thes Far­ben­leh­re

Goe­the, als ganz­heit­lich Den­ken­der, be­schäf­tig­te sich nicht nur mit Li­te­ra­tur, son­dern auch mit Na­tur­wis­sen­schaf­ten. Sein Haupt­in­ter­es­se galt der Far­ben­leh­re, wel­che sei­ner ei­ge­nen Mei­nung nach sogar sein wich­tigs­tes Werk dar­stellt. Goe­the ver­fass­te über 2000 Sei­ten, wel­che haupt­säch­lich zwi­schen 1808 und 1810 pu­bli­ziert wur­den. Das Buch " Zur Far­ben­leh­re", Goe­thes Haupt­werk zum Phä­no­men Farbe, be­steht aus 4 Tei­len:

  1. di­dak­ti­scher Teil mit - der Be­schrei­bung der phy­sio­lo­gi­schen, phy­si­ka­li­schen und che­mi­schen Er­schei­nung und - den psy­cho­lo­gi­schen und äs­the­ti­schen As­pek­ten von Far­ben
  2. "Ent­hül­lung der Theo­rie New­tons" in wel­chem er ver­sucht New­tons Farbtheo­rie zu wi­der­le­gen.
  3. Ge­schich­te der Far­ben­leh­re
  4. un­voll­ende­ter Teil mit Il­lus­tra­tio­nen zum Thema Farbe

Goe­thes Farbtheo­rie baut auf einem ele­men­ta­ren, po­la­ren Ge­gen­satz von Hell und Dun­kel auf. Er er­klärt Far­ben als Grenz­phä­no­me­ne zwi­schen Licht und Fins­ter­nis. Gelb liegt an der Gren­ze zur Hel­lig­keit ("zu­nächst am Licht") und Blau an der Gren­ze zum Dun­keln ("zu­nächst an der Fins­ter­nis"). Das Him­mels­blau ent­steht im Rück­griff auf die an­ti­ke, grie­chi­sche Vor­stel­lung als Trübe, also At­mo­sphä­re, durch ein durch­sich­ti­ges Me­di­um, der Luft, vor dem Dun­kel des Welt­alls. Nach Goe­the ent­ste­hen Far­ben aus der Mi­schung von Hel­lig­keit und Fins­ter­nis, also im Halb­schat­ten. Diese Idee kon­se­quent um­ge­setzt be­deu­tet aber, dass die Ad­di­ti­on von Spek­tral­far­ben nie­mals wei­ßes Licht er­ge­ben könn­te. Dar­aus be­grün­det sich auch Goe­thes Wi­der­spruch zu New­ton.

Goe­thes Far­ben­leh­re geht also nur von zwei rei­nen Far­ben aus. Goe­the be­tont je­doch, dass Pur­pur nicht aus an­de­ren Far­ben misch­bar ist. Daher nimmt er als reine Mal­far­ben Gelb, Blau und Rot. Unser Auge bil­det nach der Be­trach­tung einer Farbe selbst die Kom­ple­men­tär­far­be ( Suk­zes­siv­kon­trast ), was Goe­the dazu an­regt diese Farb­paa­re in einem Kreis dia­me­tral ge­gen­über­ste­hend dar­zu­stel­len. Fer­ner geht er von einer Stei­ge­rung der Far­ben zum Pur­pur hin aus, wes­halb er Pur­pur oben am Kreis an­ord­net. Folg­lich liegt Grün als Kom­ple­men­tär­far­be und somit Ge­gen­pol unten am Kreis. Links vom Grün liegt Blau und rechts Gelb, wel­che zu­sam­men­ge­mischt das Grün er­ge­ben. Zwi­schen Gelb und Pur­pur liegt dann Gelb­rot, zwi­schen Blau und Pur­pur Blau­rot.

Den vom Gelb zum Rot über­ge­hen­den Teil sei­nes Farb­krei­ses sah Goe­the als Plus­sei­te und die an­de­re Hälf­te zum Blau hin als Mi­nus­sei­te. Dabei bringt er das Gelb mit Wir­kung, Licht, Hell, Kraft, Wärme, Nähe, Ab­sto­ßen in Ver­bin­dung und das Blau mit Be­rau­bung, Schat­ten, Dun­kel, Schwä­che, Kälte, Ferne, An­zie­hen. Damit zeigt sich, dass Goe­thes Ab­sicht vor allem darin be­stand, die "sinn­lich-sitt­li­che Wir­kung" der ein­zel­nen Farbe "auf den Sinn des Auges (...) und durch des­sen Ver­mitt­lung auf das Gemüt" zu er­mit­teln. Er sieht Farbe "als Be­wusst­seins­in­hal­te von sinn­li­chen Qua­li­tä­ten". Er legt den Schwer­punkt so auf die psy­cho­lo­gi­sche Wir­kung von Far­ben:

  • Far­ben der Plus­sei­te "stim­men reg­sam, leb­haft, stre­bend",
  • Gelb wirkt "präch­tig und edel und macht einen war­men und be­hag­li­chen Ein­druck",
  • Far­ben der Mi­nus­sei­te "stim­men zu einer un­ru­hi­gen, wei­chen und seh­nen­den Emp­fin­dung" und
  • das Blau "gibt uns ein Ge­fühl der Kälte".

Goe­the be­ein­fluss­te die Far­ben­leh­re durch seine Ar­beit sehr nach­hal­tig. Al­ler­dings wurde seine Ar­beit zeit­wei­se kom­plett ab­ge­lehnt. Dies be­grün­det sich vor allem am phy­si­ka­li­schen Teil sei­ner Ar­beit, wel­che einer ganz­heit­lich klas­sisch-na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Welt­an­schau­ung fol­gend die Er­schei­nungsphä­no­me­ne von Farbe ein­ord­net, kon­trär zu New­tons ma­the­ma­tisch-na­tur­wis­sen­schaft­li­chem An­satz steht. Der his­to­ri­sche Ab­riss der Far­ben­leh­re und vor allem Goe­thes Texte zur psy­cho­lo­gi­schen Wir­kung von Far­ben wir­ken bis heute nach. Aus heu­ti­ger Sicht ent­sprin­gen Goe­thes und New­tons Farbtheo­ri­en aus zwei un­ver­ein­ba­ren Welt­an­schau­un­gen und müs­sen daher ne­ben­ein­an­der und im his­to­ri­schen Zu­sam­men­hang ge­se­hen wer­den.