Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Stun­den 5 und 6

Ist die Wil­lens­frei­heit durch Ex­pe­ri­men­te wi­der­legt?

Das Ge­hirn trifft die Ent­schei­dung, nicht das Ich ent­schei­det.

Libet-Ex­pe­ri­men­te

Ar­beits­auf­trä­ge

  1. Er­ar­bei­tet Ziel­set­zung, De­sign und Ab­lauf der Libet-Ex­pe­ri­men­te mit­hil­fe des In­ter­net (zum Bei­spiel phi­lo­so­phie­ver­sta­end­lich.de [11.11.2020]). Stellt auf der Zeit­lis­te die ent­schei­den­den Zeit­punk­te der Libet-Ex­pe­ri­men­te dar und gebt ihre je­wei­li­ge Be­deu­tung an.
  2. Hirn­for­scher be­haup­ten, das Re­sul­tat der Libet-Ex­pe­ri­men­te zeige, dass der Mensch de­ter­mi­niert sei. Er­ar­bei­tet mit­hil­fe des Er­geb­nis­ses der Libet-Ex­pe­ri­men­te eine mög­li­che Be­grün­dung für diese Po­si­ti­on der Hirn­for­scher.
  3. Dis­ku­tie­re mit dei­ner Nach­ba­rin bzw. dei­nem Nach­bar, ob das Re­sul­tat der Libet-Ex­pe­ri­men­te zur Wi­der­le­gung der Wil­lens­frei­heit aus­reicht.
Ur­teil
Ar­gu­men­te

Grup­pe: Ver­suchs­de­sign

Der Phi­lo­soph Mi­cha­el Pauen (*1956) un­ter­sucht in sei­nem Text, ob das De­sign der Libet-Ex­pe­ri­men­te ge­eig­net ist, Wil­lens­frei­heit em­pi­risch zu über­prü­fen.

„In Li­bets Ex­pe­ri­men­ten fin­det gar keine wirk­li­che Ent­schei­dung statt. An­ders als man viel­leicht ver­mu­ten könn­te, mach­ten die Ver­suchs­per­so­nen bei Libet nicht etwa eine spon­ta­ne und von ihnen frei zu be­stim­men­de Be­we­gung, viel­mehr hat­ten sie die Auf­ga­be, vier­zig­mal die­sel­be Hand­be­we­gung aus­zu­füh­ren. Eine Wahl zwi­schen zwei oder gar meh­re­ren un­ter­schied­li­chen Op­tio­nen be­sa­ßen sie nicht; le­dig­lich den Zeit­punkt der Aus­füh­rung die­ser Be­we­gung konn­ten sie »frei« be­stim­men, wobei es auch in die­sem Punkt ge­wis­se Re­strik­tio­nen gab.

Das wirft zum einen die Frage auf, ob Libet über­haupt eine echte Ent­schei­dungs­si­tua­ti­on un­ter­sucht. Zieht man in Be­tracht, dass eine Ent­schei­dung die Aus­wahl zwi­schen meh­re­ren Op­tio­nen vor­aus­setzt, dann ist das of­fen­bar nicht der Fall. Die ein­zi­ge wirk­li­che Ent­schei­dung, die die Ver­suchs­per­so­nen Li­bets zu tref­fen hat­ten, fand au­ßer­halb des ei­gent­li­chen Ex­pe­ri­ments statt, näm­lich als die Pro­ban­den ein­wil­lig­ten, an dem Ver­such teil­zu­neh­men und vier­zig­mal ihre Hand zu be­we­gen.“

(Aus: Mi­cha­el Pauen (2007): Was ist der Mensch? Die Ent­de­ckung der Natur des Geis­tes, Mün­chen: DVA, S. 193f., Ver­öf­fent­li­chung mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung von Mi­cha­el Pauen)

Ar­beits­auf­trä­ge

  1. Gebt Mi­cha­el Pau­ens Be­ur­tei­lung der Libet-Ex­pe­ri­men­te wie­der.
  2. Ar­bei­tet Pau­ens Be­grün­dung für seine Ein­schät­zung der Ver­su­che her­aus.
  3. Prüft, ob sich noch wei­te­re Ar­gu­men­te gegen die de­ter­mi­nis­ti­sche Deu­tung der Libet-Ex­pe­ri­men­te an­füh­ren las­sen. Be­rück­sich­tigt dabei auch Er­fah­run­gen mit Ex­pe­ri­men­ten im na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Un­ter­richt.
Ur­teil
Ar­gu­men­te

Grup­pe: Per­spek­ti­ven

Der Phi­lo­soph Peter Bieri (*1945) er­läu­tert in sei­nem Text den Zu­sam­men­hang zwi­schen „Zwe­cken“ und „Per­spek­ti­ven“.

„Be­trach­ten wir ein Ge­mäl­de. Wir kön­nen es als einen phy­si­ka­li­schen Ge­gen­stand be­schrei­ben. Wir kön­nen aber auch vom dar­ge­stell­ten Thema spre­chen. Oder es geht um Schön­heit und Aus­drucks­kraft. Oder um den Han­dels­wert. Der­sel­be Ge­gen­stand wird aus un­ter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven be­schrie­ben. Alles, was wir sagen, ist im glei­chen Sinne wahr. Es ist wahr, dass das Bild 30 Ki­lo­gramm wiegt und in Öl ge­malt ist und es ist wahr, dass es das Abend­mahl dar­stellt, ein ver­kitsch­tes Mach­werk ist und einen zu hohen Preis er­zielt hat. Keine der Be­schrei­bun­gen ist näher an der Wirk­lich­keit oder be­sitzt einen hö­he­ren Grad an Tat­säch­lich­keit als die an­de­ren. Wir haben un­ter­schied­li­che Sys­te­me der Be­schrei­bung für un­ter­schied­li­che Zwe­cke ent­wi­ckelt. Kei­nes ist einem an­de­ren ohne Rück­sicht auf den Zweck, also ab­so­lut über­le­gen. Man darf ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven nicht ver­mi­schen. Den­ken wir uns je­man­den, der ein Bild zer­leg­te, um her­aus­zu­fin­den, was es dar­stellt: Wir wür­den ihn für ver­rückt hal­ten – ver­rückt im Sinne eines Ka­te­go­ri­en­feh­lers. Es geht nie gut, wenn wir Fra­gen, die sich auf der einen Be­schrei­bungs­ebe­ne stel­len, auf einer an­de­ren zu be­ant­wor­ten su­chen.“

(Aus: Peter Bieri (2005): Unser Wille ist frei. In: Der Spie­gel vom 10.1.2005, Nr. 2, S. 124f., hier: S. 124, Ver­öf­fent­li­chung mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung von Peter Bieri)

Ar­beits­auf­trä­ge

  1. Er­läu­tert an­hand des Ge­mäl­de-Bei­spiels, warum die Ver­mi­schung von Per­spek­ti­ven pro­ble­ma­tisch ist.
  2. De­fi­niert den Be­griff „Ka­te­go­ri­en­feh­ler“ (Z. 11).
Ein Ka­te­go­ri­en­feh­ler liegt vor, wenn....
  1. Ein­zel­ne Hirn­for­scher ver­tre­ten in ihren Tex­ten die Po­si­ti­on, dass das Ge­hirn die Ent­schei­dun­gen tref­fe und nicht das Ich. Ent­wi­ckelt unter Be­zug­nah­me auf Bieri eine Stel­lung­nah­me zu den Be­haup­tun­gen von Hirn­for­schern.
Ur­teil
Ar­gu­men­te

Grup­pe: Ar­gu­men­ta­ti­ons­lo­gik

Der neu­kan­tia­ni­sche Phi­lo­soph Hein­rich Ri­ckert (1863-1936) un­ter­sucht in sei­nem „Sys­tem der Phi­lo­so­phie“(1921) die Po­si­ti­on des De­ter­mi­nis­mus mit­hil­fe einer lo­gi­schen Ana­ly­se.

„Be­haup­tet er, dass es über­haupt keine Frei­heit der Ent­schei­dung gibt, dann kann er in sei­ner ei­ge­nen Ent­schei­dung für den De­ter­mi­nis­mus eben­falls nicht einen frei­en Akt des Sub­jekts sehen, son­dern le­dig­lich ein Pro­dukt der kau­sa­len Not­wen­dig­keit. Falls das aber zu­trifft, hat der De­ter­mi­nis­mus ge­gen­über der fak­tisch auch vor­han­de­nen Ent­schei­dung an­de­rer Den­ker für den In­de­ter­mi­nis­mus jeden theo­re­ti­schen Vor­zug ein­ge­büßt, denn der In­de­ter­mi­nis­mus ist, ge­ra­de nach der de­ter­mi­nis­ti­schen Theo­rie, mit eben der der­sel­ben kau­sa­len Not­wen­dig­keit ent­stan­den wie der De­ter­mi­nis­mus. Wir haben also die kau­sa­len Na­tur­pro­duk­te: De­ter­mi­nis­mus und In­de­ter­mi­nis­mus, ein­fach hin­zu­neh­men. [...]

Falls er nicht frei ist, kann er nicht be­haup­ten, er­kannt zu haben, er sei un­frei. Um die Un­frei­heit zu er­ken­nen, braucht er die Frei­heit der Er­kennt­nis. Frei­heit des Be­ja­hens, wie wir be­ja­hen sol­len, set­zen wir auf jeden wis­sen­schaft­li­chen Stand­punkt als con­di­tio sine qua non [not­wen­di­ge Be­din­gung] vor­aus. […] Die Wil­lens­frei­heit ist Vor­aus­set­zung jeder Theo­rie. Der De­ter­mi­nis­mus ist also mit einem zer­stö­ren­den Wi­der­spruch be­haf­tet, so­bald er den An­spruch er­hebt, die Welt in ihrer To­ta­li­tät für un­frei zu er­klä­ren. Er zer­sprengt sich dann sel­ber von innen her. Wenn wir frei sind, ist der De­ter­mi­nis­mus si­cher falsch. Sind wir aber un­frei, kann es eben­falls kei­nen De­ter­mi­nis­mus als wahre wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis geben. Der Den­ker, der sich selbst ver­steht, muss für sich die Fä­hig­keit in An­spruch neh­men, frei zu be­ja­hen, wie be­jaht wer­den soll. Die Leug­nung der Frei­heit für das Welt­gan­ze ist lo­gisch un­mög­lich.“

(Aus: Ri­ckert, Hein­rich (1921): Sys­tem der Phi­lo­so­phie. Ers­ter Teil: All­ge­mei­ne Grund­le­gung der Phi­lo­so­phie. Tü­bin­gen, S. 302-304, https://​gal­li­ca.​bnf.​fr/ark:/12148/bpt6k319337x [30.1.2021])

Ar­beits­auf­trä­ge

  1. Iden­ti­fi­ziert den Haupt­vor­wurf, den Hein­rich Ri­ckert den De­ter­mi­nis­ten macht.
  2. Er­ar­bei­tet Ri­ckerts` Ar­gu­men­ta­ti­ons­gang mit­hil­fe einer Fall­un­ter­schei­dung.

Ur­teil

Ar­gu­men­ta­ti­ons­gang

Fall 1: Wir sind nicht de­ter­mi­niert.

= >

Fall 2: Wir sind de­ter­mi­niert.

= >

3. Dis­ku­tiert, ob Euch Ri­ckerts ` Kri­tik über­zeugt.

Dis­kus­si­on

Um­set­zungs­bei­spiel Frei­heit und Selbst­ver­ständ­nis des Men­schen: Her­un­ter­la­den [docx][86 KB]

Um­set­zungs­bei­spiel Frei­heit und Selbst­ver­ständ­nis des Men­schen: Her­un­ter­la­den [pdf][602 KB]

Wei­ter zu Stun­den 7 und 8