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Fachlich/Didaktische Überlegungen

Die Unternehmensethik teilt als relativ junge Bereichsethik das Problem vieler anderer Felder der angewandten Ethik: Es gibt eine Vielzahl einzelner, manchmal auf wenige Akteure bzw. Standorte beschränkter Schulen (Integrative Ethik, Republikanische Ethik, Analytische Ethik, Ökonomische Ethik, Kulturalistische Ethik etc. allein im deutschsprachigen Raum), aber es existieren noch nicht die kanonischen, zum „Bildungsgut“ gehörenden Entwürfe, die eine Art Fixpunkt bilden und an denen sich andere Positionen abarbeiten müssen. Vielleicht ist das aufgrund des hohen Praxisbezuges und der schnellen Veränderungen im betriebswirtschaftlichen Bereich auch nicht nötig oder möglich, dennoch erschwert dieser quasi vorparadigmatische Zustand die Bündelung des Themas für den Schulunterricht ungemein. Die Vielzahl möglicher Fragen ist dabei unerschöpflich, in dieser Reihe soll versucht werden, sie entlang der bekannten Verantwortungs-Relationen zu gliedern: Wer trägt Verantwortung für was aus welchem Grund, und gegenüber wem muss er sich wie verantworten?

Die Frage der Unternehmensverantwortung hat in letzter Zeit Christian Neuhäuser, in Fortsetzung der Arbeiten von Peter French, aufgeworfen. Für ihn lassen sich „Verantwortungslücken“, etwa bei der Untersuchung moralischer Fehlverhalten, nur schließen, indem man das Unternehmen als Ganzes als moralischen Akteur in die Haftung nimmt. Dies sei möglich, da ein Unternehmen zwar keinen moralischen Personenstatus habe, aber einen Gemeinwillen erzeuge, der größer als die Summe seiner Teile sei. Jeder Mitarbeiter passt seinen Individualwillen bewusst oder unbewusst dem des Unternehmens an (in dieser Reihe thematisiert in M5). Natürlich schließt sich unmittelbar daran die Frage nach einer Individualethik an: Sind die Mitarbeiter, auf allen Hierarchieebenen, damit entlastet oder gar entmündigt (M14)? Entgegen aller Versuche, eine solche Entlastung zu bestreiten, in dem etwa auf einen minimalethischen Konsens hingewiesen wird, mit der Verpflichtung, als Mitarbeiter bei klaren Verstößen gegen Menschenrechte aufzubegehren oder das Unternehmen zu verlassen, bleibt diese wahrscheinlich nicht unrealistische Sicht doch ethisch umstritten. Lässt sich die Vermeidung der Spaltung einer Persönlichkeit in den Individualwillen und die Teilhabe an (mindestens) einem korporativen Willen nicht zumindest als Desiderat formulieren? Hier ist der nächste titelgebende Schwerpunkt der Reihe angesprochen. In Milton Friedmans berühmtem Credo, dass der Manager/die Managerin ausschließlich den Aktionär/innen im Sinne der Vermögensverwaltung verantwortlich sei, steckt eine weitere dramatische Reduktion individueller Verantwortung. Selbst der Führungskraft, ein Begriff, über den in dieser Reihe zu diskutieren sein wird (Einstieg zu Stunde 7/8, M10), wird nicht geraten, ja sogar nicht zugetraut, ethische Verantwortung zu übernehmen, unter anderem mit dem Argument, dass sie in gesellschaftlich-ethischen Fragen nicht als Experte/Expertin urteilen könne (M10). Abgesehen von der Frage, ob man den wenigen „Expert/innen“ auf diesen Gebieten wirklich die gesellschaftliche Verantwortung überlassen sollte, ergeben sich hier weitere Schwierigkeiten. Ist nicht die Verantwortung gegenüber den Aktionären, die evtl. keinerlei Interesse an der Firma haben und ggf. sogar ständig wechseln, nicht genauso diffus? Und wird selbst der hochrangige Manager damit nicht zum reinen Funktionsträger? Es ist offensichtlich, dass dies Fragen sind, die Schülerinnen und Schüler, die kurz vor wichtigen Laufbahnentscheidungen stehen, direkt betreffen. Die Reihe versucht also, neben einer generellen Einführung in unternehmensethische Problemfelder (M1-M3, M7-M9, M15), die Fragen nach der Verantwortung, die einem Mitarbeiter zugesprochen bzw. zugetraut wird, und seiner individuellen Persönlichkeitsbildung zu verknüpfen.

Ausgehend von einer sehr pessimistischen Beschreibung aktueller Unternehmensstrukturen (M4) und einer Auflistung möglicher gesellschaftlicher Verpflichtungen (M9), versuchen die Schülerinnen und Schüler Arbeitsumfelder zu entwickeln, die eine eigenverantwortliche, selbstbestimmte ethische Haltung auch im Berufsumfeld ermöglichen (Aufgaben zu M4 und M9). Sie diskutieren, in der Auseinandersetzung mit Friedman und Anhängern der ökonomischen (M12) und integrativen Ethik (M13, M14) die Rolle von Gewinn und gesellschaftlicher Verantwortung und das dahinterstehende Bild vom (meist in dieser Debatte: führenden) Angestellten, unabhängig davon, ob man Peter Ulrichs idealisierte Vorstellung des „Wirtschaftsbürgers“ (M14) teilt – hier wäre eine Zusammenarbeit mit Geschichte oder gar die Untersuchung bürgerlicher Ideale in einem Seminarkurs interessant. Die Schülerinnen und Schüler betrachten die Möglichkeit, von außen (M15) und innen (M9) Einfluss auf eine Unternehmenskultur zu nehmen und reflektieren, ob die Strukturen und die gesellschaftliche Funktion einer Firma wirklich so isoliert und als alternativlos (Strukturen) oder eindeutig definiert (Funktion) zu betrachten sind, wie es manchmal den Anschein haben mag. Die Reihe umfasst einige sehr umfangreiche Aufgabenstellungen, so dass sich die angegebene Stundenstruktur immer nur als Vorschlag versteht und bei erhöhtem Diskussionsbedarf an einzelnen Punkten immer zu durchbrechen ist.

Lehrplanbezug

3.3.4.2 bzw. 3.4.4.2 Die Schülerinnen und Schüler können verschiedene Bereiche der Angewandten Ethik (zum Beispiel Naturethik, Technikethik, Medizinethik, Medienethik, Wissenschaftsethik, Wirtschaftsethik) in Grundzügen charakterisieren. Sie können Chancen und Risiken in diesen Bereichen darlegen, ethisch-moralische Probleme identifizieren und Wertekonflikte herausarbeiten.

(Punkt 1-7 bzw. 1-8) Unternehmensethik als Teil der Wirtschaftsethik

Thema der Sequenz Möglichkeiten der Unternehmensethik / Verantwortung von Unternehmen und Mitarbeitern
Zielgruppe KS 1, KS 2, 2- oder 5-stündiger Kurs
Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler können
  • das Problem der Vereinbarkeit von Ethik und Wirtschaftlichkeit darstellen und beurteilen
  • Unternehmensethische Positionen in Grundlinien darstellen und beurteilen
  • den Unterschied von Shareholder- und Stakeholder basierten Ansätzen darstellen, Begriffe wie „Corporate Social Responsibility“ und „Corporate Citizenship“ anwenden und einordnen
  • ethische Selbstverpflichtungen von Unternehmen kritisch hinterfragen
Zeitaufwand des hier vorliegenden Materials: 4-6 Doppelstunden, Anschluss möglich (siehe unten)
Weiterführung 3.4.3.2. Utilitarismus, 3.4.2.3. Gerechtigkeit, 3.4.4.1. Verantwortungsethik

Umsetzungsbeispiel Unternehmensethik: Herunterladen [docx][77 KB]

Umsetzungsbeispiel Unternehmensethik: Herunterladen [pdf][323 KB]

 

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