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M4 – M5

M4: Bruno Frey/Armin Steu­er­na­gel: Wer im Un­ter­neh­men ist ver­ant­wort­lich? Nie­mand?

In der Zeit er­schien an­läss­lich des Ab­gas­skan­dals ein Ar­ti­kel von Bruno S. Frey und Armin Steu­er­na­gel, der sich (mit ent­spre­chen­der Be­ar­bei­tung) sehr gut im Un­ter­richt be­nut­zen lässt.

Bruno S. Frey ist eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor der Uni­ver­si­tä­ten Zü­rich und Basel und For­schungs­di­rek­tor von Crema – Cen­ter for Re­se­arch in Eco­no­mics, Ma­nage­ment and the Arts. Auch Armin Steu­er­na­gel ar­bei­tet dort. In dem Ar­ti­kel be­kla­gen die bei­den einen Ver­lust an Un­ter­neh­mens­kul­tur. Ex­ter­ne An­rei­ze (Boni, Löhne) haben die in­trin­si­sche Mo­ti­va­ti­on der Mit­ar­bei­ter sys­te­ma­tisch er­setzt, immer mehr Mit­ar­bei­ter seien rein “aus­füh­ren­de Or­ga­ne”, die nur noch nach Be­fehl han­deln. Es wird sogar der Ver­gleich von streng hier­ar­chisch ge­führ­ten Un­ter­neh­men mit so­zia­lis­ti­schen Plan­wirt­schaf­ten an­ge­stellt. Dazu führt der Ar­ti­kel Um­fra­gen an, die die Mo­ti­va­tions- und Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit der Mit­ar­bei­ter be­le­gen sol­len und zeigt Al­ter­na­ti­ven auf, etwa in Form des ame­ri­ka­ni­schen To­ma­ten­ver­ar­bei­ters “Morning Star”, bei dem sich die Mit­ar­bei­ter selbst ma­na­gen, da­durch of­fen­bar mün­di­ger sind und eher be­reit, per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und ein Ar­beits­ethos zu ent­wi­ckeln, das auch öko­lo­gi­sche und so­zia­le Be­lan­ge um­fasst. Eine (Un-) Kul­tur der Vor­ga­ben­er­fül­lung, die beide Au­to­ren bei vie­len an­de­ren Un­ter­neh­men sehen, schließt genau das hin­ge­gen aus.

Der Ar­ti­kel heißt: „Ver­ant­wort­lich? Nie­mand! Kon­zer­ne wie VW fes­ti­gen das Sys­tem der Kon­trol­le von oben. Das ist der fal­sche Weg.“, er­schien in der Zeit 17/2016 und ist zu fin­den unter: zeit.​de (Link ge­prüft 01. 02.2021)

Mit fol­gen­den Auf­ga­ben könn­te man hier ar­bei­ten:

Auf­ga­ben (M4)

  1. Geben Sie die Kri­tik des Ver­fas­sers an den Ver­ant­wor­tungs­struk­tu­ren in Be­trie­ben wie­der.
  2. Ur­tei­len Sie be­grün­det: Im Un­ter­neh­men hat es einen gro­ßen Ver­stoß ge­ge­ben, es wur­den Um­welt­wer­te ma­ni­pu­liert. Wer ist ver­ant­wort­lich:
    1. Eine Ar­beits­kraft, die sich über ihre ei­ge­nen mo­ra­li­schen Nor­men hin­weg­setzt, um Ziele des Un­ter­neh­mens zu er­rei­chen.
    2. Die Vor­ge­setz­ten, die die Ar­beits­kraft nur dann kon­trol­lie­ren, wenn diese die Un­ter­neh­mens­zie­le ver­fehlt und diese evtl. noch zur Wert­stei­ge­rung an­trei­ben.
    3. Die Firma selbst, die sich selbst das Ziel ge­setzt hat, Welt­markt­füh­rer zu wer­den und den Mit­ar­bei­tern durch ihre Struk­tur von hier­ar­chi­scher Über­wa­chung kei­nen mo­ra­li­schen Frei­raum setzt.
  3. Ent­wer­fen Sie, aus­ge­hend vom letz­ten Ab­schnitt des Tex­tes, ein Ar­beits­um­feld, in dem jeder ei­gen­ver­ant­wort­lich und den­noch zum Wohl von Firma und Ge­sell­schaft han­deln kann.

M5: Chris­ti­an Neu­häu­ser: Kön­nen Fir­men Ver­ant­wor­tung tra­gen? Das Pro­blem der „Cor­po­ra­te Re­s­pon­si­bi­li­ty“

Chris­ti­an Neu­häu­ser (geb. 1977) ist Phi­lo­so­phie­pro­fes­sor mit dem Schwer­punkt auf Wirt­schafts­ethik. Be­kannt ge­wor­den ist er vor allem mit sei­nen Schrif­ten zur Pro­ble­ma­tik des Reich­tums.

Um Un­ter­neh­men als grund­sätz­lich ver­ant­wor­tungs­fä­hi­ge Ak­teu­re auf­fas­sen zu kön­nen, müs­sen von ihnen zwei Be­din­gun­gen er­füllt wer­den. Sie müs­sen freie Ak­teu­re sein und sie müs­sen in der Lage sein, den mo­ra­li­schen Stand­punkt ein­zu­neh­men. Tat­säch­lich tref­fen beide Be­din­gun­gen auf Un­ter­neh­men zu. Sie sind ers­tens mit­hil­fe ihrer Mit­ar­bei­ter(innen) in

der Lage, frei zu han­deln, wobei sich die Hand­lun­gen des Un­ter­neh­mens nicht auf die Hand­lun­gen der in­di­vi­du­el­len Mit­ar­bei­ter(innen) re­du­zie­ren las­sen. Denn die Mit­ar­bei­ter(innen) selbst schrei­ben ihren Un­ter­neh­men Pläne zu und han­deln dann in­di­vi­du­ell nach die­sen kor­po­ra­ti­ven Plä­nen. Dabei ist es wich­tig zu sehen, dass es sich wirk­lich um die kor­po­ra­ti­ven Pläne des je­wei­li­gen Un­ter­neh­mens han­delt und nicht um die in­di­vi­du­el­len Pläne der Mit­ar­bei­ter(innen). Denn die Zu­schrei­bung die­ser Pläne ge­schieht in einem kol­lek­ti­ven Pro­zess, der sich nicht auf in­di­vi­du­el­le Zu­schrei­bun­gen re­du­zie­ren lässt.

Diese kor­po­ra­ti­ven Pläne der Un­ter­neh­men üben zudem einen nor­ma­ti­ven Druck auf die Mit­ar­bei­ter(innen) aus, die sich in der Pflicht sehen, im In­ter­es­se ihres Un­ter­neh­mens zu han­deln und daher die­sen Plä­nen zu fol­gen.

Es ist also wirk­lich zen­tral, die Un­ter­neh­men selbst und nicht nur die Mit­ar­bei­ter(innen) als ver­ant­wort­li­che Ak­teu­re zu adres­sie­ren, weil sonst diese kor­po­ra­ti­ven Un­ter­neh­mens­plä­ne gar nicht be­rührt wer­den. Wenn wir nur in­di­vi­du­el­le Mit­ar­bei­ter(innen) ver­ant­wort­lich ma­chen, dann sind die aber mit mas­siv kon­fli­gie­ren­den An­sprü­chen kon­fron­tiert: den­je­ni­gen des Un­ter­neh­mens und den mo­ra­li­schen An­for­de­run­gen, die von außen kom­men. Die­ser Wi­der­spruch kann nur auf­ge­löst wer­den, wenn die Pläne der Un­ter­neh­men selbst einem mo­ra­li­schen Druck aus­ge­setzt wer­den, sie also als ver­ant­wort­li­che Ak­teu­re be­han­delt wer­den. Dies ist mög­lich, weil Un­ter­neh­men auch die zwei­te not­wen­di­ge Be­din­gung er­fül­len: Sie kön­nen den mo­ra­li­schen Stand­punkt ein­neh­men. Das zeigt sich be­reits daran, dass Un­ter­neh­men stra­te­gisch in Bezug auf mo­ra­li­sche Fra­gen agie­ren, bei­spiels­wei­se durch Maß­nah­men zur Cor­po­ra­te So­ci­al Re­s­pon­si­bi­li­ty. Sie ver­ste­hen also die mo­ra­li­sche Spra­che. Letzt­lich hängt auch dies wie­der von den Mit­ar­bei­ter(inne)n ab, in­so­fern die Mit­ar­bei­ter(innen) für das Un­ter­neh­men, also als Agen­ten die­ses kor­po­ra­ti­ven Ak­teurs, den mo­ra­li­schen Stand­punkt ein­neh­men kön­nen.

Neu­häu­ser, Chris­ti­an: Un­ter­neh­men in der Um­welt­ver­ant­wor­tung. In: Öko­lo­gi­sches Wirt­schaf­ten 1/2011, S. 17-19, hier S. 17.

Auf­ga­ben (M5)

  1. Nen­nen und er­läu­tern Sie die 2 Be­din­gun­gen, die für Neu­häu­ser not­wen­dig er­füllt sein müs­sen, damit man Un­ter­neh­men „Ver­ant­wor­tungs­fä­hig­keit“ zu­schrei­ben kann.
  2. Er­läu­tern Sie den Satz „Denn die Mit­ar­bei­ter(innen) selbst schrei­ben Ihren Un­ter­neh­men Pläne zu und han­deln dann in­di­vi­du­ell nach die­sen kor­po­ra­ti­ven Plä­nen.“, ggf. an einem Bei­spiel.
  3. Dis­ku­tie­ren Sie: Sind nach die­ser De­fi­ni­ti­on auch die fol­gen­den Grup­pen ver­ant­wor­tungs­fä­hi­ge Ak­teu­re?
    1. or­ga­ni­sier­te De­mons­tra­tio­nen
    2. wü­ten­de Mobs
    3. Fuß­ball­ver­ei­ne
  4. Er­ör­tern Sie: Folgt aus die­sem Text, dass Mit­ar­bei­ter und Ma­na­ger völ­lig frei von jeder Ver­ant­wor­tung sind?

Um­set­zungs­bei­spiel Un­ter­neh­mens­ethik: Her­un­ter­la­den [docx][77 KB]

Um­set­zungs­bei­spiel Un­ter­neh­mens­ethik: Her­un­ter­la­den [pdf][323 KB]

Wei­ter zu M6 – M9