DS3
Wie reich darf man sein? / (Reichtum als ethisches Problem?)
M6 Vermögensverteilung in Deutschland
(Abbildung z.B. von Oxfam)
Die fünf reichsten Deutschen verfügen mit 101 Mrd. US-Dollar über ein Vermögen, das dem der ärmeren 40 Prozent der Bevölkerung entspricht. Davon entfallen auf
- Karl Albrecht (Aldi): 25 Mrd. US$
- Dieter Schwarz (Lidl): 21,1 Mrd. US$
- Theo Albrecht & Familie (Aldi): 19,3 Mrd. US$
- Michael Otto & Familie (Otto): 18,4 Mrd. US$
- Susanne Klatten (BMW): 17, 4 Mrd. US$.
M7 Zitat Aristoteles: Reichtum
„Der Großgeartete richtet auch gewiß sein Haus so ein, wie es der Größe seines Reichtums angemessen ist – denn diese Einrichtung bedeutet irgendwie Glanz und Ehre -, und er gibt lieber etwas aus für Werke, die Dauer verheißen, denn dies sind die schönsten. Und in jedem Einzelfall wahrt er hierbei das geziemende Maß.“
Aufgaben:
- Erläutern Sie das Zitat. Gehe dabei auch darauf ein, welche Rolle das richtige Maß in der aristotelischen Ethik spielt.
- Zeigen Sie anhand von Beispielen, welche Verhaltensformen nach Aristoteles nicht dem „geziemenden Maß“ entsprechen und deshalb für ihn unethisch sind.
- Setzten Sie sich kritisch mit dieser Haltung auseinander.
M8a Aristoteles: Grenzenloser Geldreichtum ist nicht naturgemäß
Zu früheren Zeiten [...] bezogen werden müsse.
(Aristoteles: Politik, 1257a-1258a, bearbeitet; https://www.projekt-gutenberg.org/aristote/politik/chap002.html)
Für eine neuere und für Schüler*innen besser verständliche Übersetzung siehe Aristoteles: Politik Stuttgart (Reclam) 1989, 1257a-1258a)
Aufgaben:
- Arbeiten Sie Merkmale und Ziele des Tauschhandels, des Handelswesens und des „der Natur zuwiderlaufenden“ Kapitalerwerbwesens heraus und vergleichen Sie diese miteinander.
- Diskutieren Sie, ob es sich bei dem menschlichen Bedürfnis Geld vermehren zu wollen (Z.31-40) lediglich um Habgier handelt.
- Aristoteles: Grenzenloser Reichtum ist nicht naturgemäß. Es ist gut, Reichtum zu beschränken, da er keinen Wert an sich hat.
Erläutern Sie diese These mit Hilfe des Textes und Ihres bisherigen Wissens über die die Bedeutung der Polis und des rechten Maßes in der aristotelischen Ethik und nehmen Sie kritisch Stellung.
M8b Christian Neuhäuser: (Globaler) Wohlstand durch Beschränkung des Reichtums - Ein Vorschlag in 3 Schritten
Schritt 1: Gerechte Kooperation und soziale Würde
Die Grundlage für eine stabile, faire und zukunftsfähige Gesellschaft besteht in der gerechten Organisation des Kooperationsprozesses innerhalb der Gesellschaft. Jedes Gesellschaftsmitglied muss die Möglichkeit haben, seinen oder ihren Teil zur Kooperation beizutragen. Ihre oder seine Bemühungen werden gleichermaßen geachtet.
Eine solche Kooperation hat Auswirkungen auf unser Verständnis von Würde. Die Würde jedes Menschen besteht tatsächlich nicht nur darin, bestimmte Grundrechte zu besitzen. Sie beruht auch darauf, als gleichrangiges Gesellschaftsmitglied anerkannt zu werden. Der Individualisierungsprozess der Moderne läuft auf die Idee hinaus, dass alle Menschen fundamental gleich und ihre Lebensführung im Kern gleichermaßen wertvoll ist. Ein Mensch, der sich selbst auf diese Weise versteht, ist aus Gründen der Selbstachtung darauf angewiesen, von anderen Menschen als gleichermaßen würdevolles Gesellschaftsmitglied geachtet zu werden. Geldreichtum stellt mit Blick auf die soziale Würde des Einzelnen also aus zwei Gründen ein Gerechtigkeitsproblem dar: Erstens verschafft er einigen Menschen die Macht, gesellschaftliche Hierarchien zu gestalten und damit zu bestimmen, was überhaupt würdevoll ist. Zweitens sind es diese Menschen, die den entsprechenden Lebensstil dann auch tatsächlich pflegen können, während andere nicht einmal die Chance dazu haben, auch nur im Ansatz mitzuhalten. Verschärft wird diese Problematik noch in Marktgesellschaften, in denen viele soziale Akteure marktbasiert sind. Dort kontrollieren reiche Akteure fast den gesamten Interaktionsraum.
Schritt 2: Reichtum steuern
Durch eine kluge Einrichtung von Vermögens- und Einkommenssteuer ließe sich erreichen, dass Menschen gar nicht zu reich werden können. Man könnte die Progression dieser Steuer bis zur politisch festgelegten Schwelle nur schwach ansteigen lassen, vielleicht sogar schwächer als jetzt. Ab der festgelegten Schwelle, ab der man als reich gilt, würde die Progression des Steuersatzes dann rasant ansteigen und am Ende sehr schnell bei 100 Prozent ankommen. Dann würde es sich nicht mehr lohnen, noch mehr Geld zu verdienen.
Das hätte den positiven Effekt, dass sich auch die wirtschaftlichen Strukturen verändern müssten. Es wären nicht mehr einige wenige Menschen, die einen Großteil der wirtschaftlichen Gewinne auf sich verteilen würden, sondern viel mehr Menschen bekämen davon etwas ab. Die soziale Schere würde sich wieder schließen. Arbeit würde sich für mehr Menschen wieder lohnen. Vermutlich würde die Bereitschaft, etwas für die Gemeinschaft zu tun, anwachsen, weil Menschen stärker davon überzeugt wären, an einem gemeinsamen Kooperationsprojekt beteiligt zu sein. Auf die Dauer gesehen würde dies bedeuten, dass entsprechende Ungerechtigkeit bereits im System beseitigt werden, weil das Profitmotiv abgeschwächt würde.
Neben Einkommens- und Vermögenssteuer müssten auch Erbschaft- und Schenkungssteuer angepasst werden, um zu verhindern, dass sich eine Klasse von Rentiers [15] ausbildet, die nicht am Kooperationsprozess beteiligt sind. Diese Menschen würden dann regelmäßig Geldbeträge erben oder geschenkt bekommen, die knapp unter der Grenze liegt, ab der man reich ist.
Schritt 3: Globaler Wohlstand (→ evt. weglassen oder erst in DS 7 einsetzen)
Unsere Welt ist im Prinzip eine Welt, in der es für jeden genug geben sollte. Wir haben auf globaler Ebene ein Wirtschaftssystem geschaffen, das jedem Menschen ein Leben in Wohlstand ermöglichen könnte. Wenn die Einkommen ausgeglichener wären, besteht eine realistische Chance, dass die Solidarität unter Menschen wieder zunimmt, weil der Statuswettbewerb und Konkurrenzkampf abnimmt. Der wirtschaftlichen Kooperation würde der vergiftete Stachel gezogen, der dafür sorgt, dass die Menschen nur noch an sich selbst und vielleicht noch an ihre nächsten Angehörigen denken. Stattdessen würde es wieder attraktiver werden, gemeinsam gesamtgesellschaftliche Aufgaben anzugehen, weil die Verantwortung für diese Aufgaben fair unter allen Gesellschaftsmitgliedern geteilt würde.
Eine Bewegung gegen schädlichen Reichtum muss sich weltweit verorten. Nur so kann sie auch globale Wirtschaftsstrukturen, durch die sich die Reichen ermächtigen, nachhaltig verändern. Hier liegt die größte Herausforderung im anhaltenden Kampf für mehr sozioökonomische Gerechtigkeit.
Aufgaben:
Eine gerechte Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die allen Menschen ein Leben in Würde und Selbstachtung ermöglicht. In solch einer gerechten Gesellschaft gibt es nicht nur nach unten, sondern auch nach oben hin eine klare Grenze für erlaubte sozioökonomische Ungleichheit. (Christian Neuhäuser)
Beschreiben Sie anhand eines Beispiels inwiefern es einen Zusammenhang zwischen sozialer Würde und Reichtum bzw. Armut gibt.
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Erläutern Sie die im Text genannten positiven Effekte wirtschaftlich veränderter Strukturen durch Steueränderungen.
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Prüfen Sie, inwiefern Aristoteles (M6b, 7) und Neuhäuser darin übereinstimmen, dass die Begrenzung von Reichtum zu mehr Stabilität und Gerechtigkeit und damit zu einem guten Leben für alle führt.
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Nehmen Sie kritisch Stellung zu den Vorschlägen von Neuhäuser.
[15] Rentier: eine Person, die von regelmäßigen Zahlungen aus in Aktien angelegtem Kapital, der Vermietung von Immobilien oder Verpachtung von Land lebt.
Umsetzungsbeispiel Reichtum und Gerechtigkeit: Herunterladen [docx][102 KB]
Umsetzungsbeispiel Reichtum und Gerechtigkeit: Herunterladen [pdf][452 KB]
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