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DS3

Wie reich darf man sein? / (Reich­tum als ethi­sches Pro­blem?)

M6 Ver­mö­gens­ver­tei­lung in Deutsch­land

(Ab­bil­dung z.B. von Oxfam)

Die fünf reichs­ten Deut­schen ver­fü­gen mit 101 Mrd. US-Dol­lar über ein Ver­mö­gen, das dem der är­me­ren 40 Pro­zent der Be­völ­ke­rung ent­spricht. Davon ent­fal­len auf

  • Karl Al­brecht (Aldi): 25 Mrd. US$
  • Die­ter Schwarz (Lidl): 21,1 Mrd. US$
  • Theo Al­brecht & Fa­mi­lie (Aldi): 19,3 Mrd. US$
  • Mi­cha­el Otto & Fa­mi­lie (Otto): 18,4 Mrd. US$
  • Su­san­ne Klat­ten (BMW): 17, 4 Mrd. US$.

M7 Zitat Aris­to­te­les: Reich­tum

„Der Groß­ge­ar­te­te rich­tet auch gewiß sein Haus so ein, wie es der Größe sei­nes Reich­tums an­ge­mes­sen ist – denn diese Ein­rich­tung be­deu­tet ir­gend­wie Glanz und Ehre -, und er gibt lie­ber etwas aus für Werke, die Dauer ver­hei­ßen, denn dies sind die schöns­ten. Und in jedem Ein­zel­fall wahrt er hier­bei das ge­zie­men­de Maß.“

(Aris­to­te­les: Ni­ko­ma­chi­sche Ethik, Buch IV, 1123a7, Stutt­gart (Re­clam )2006.

*Groß­ge­ar­tet: je­mand, der über ent­spre­chen­de Mit­tel ver­fügt (selbst­er­wor­ben, ge­erbt, durch Ver­bin­dun­gen ver­füg­bar) und diese mit takt­vol­lem Emp­fin­den aus­gibt. (a.a.O.S.95)

Auf­ga­ben:

  1. Er­läu­tern Sie das Zitat. Gehe dabei auch dar­auf ein, wel­che Rolle das rich­ti­ge Maß in der aris­to­te­li­schen Ethik spielt.
  2. Zei­gen Sie an­hand von Bei­spie­len, wel­che Ver­hal­tens­for­men nach Aris­to­te­les nicht dem „ge­zie­men­den Maß“ ent­spre­chen und des­halb für ihn un­ethisch sind.
  3. Setz­ten Sie sich kri­tisch mit die­ser Hal­tung aus­ein­an­der.

M8a Aris­to­te­les: Gren­zen­lo­ser Geld­reich­tum ist nicht na­tur­ge­mäß

Zu frü­he­ren Zei­ten [...] be­zo­gen wer­den müsse.

(Aris­to­te­les: Po­li­tik, 1257a-1258a, be­ar­bei­tet; https://​www.​pro­jekt-​gu­ten­berg.​org/​aris­to­te/​po­li­tik/​cha­p002.​html)

Für eine neue­re und für Schü­ler*innen bes­ser ver­ständ­li­che Über­set­zung siehe Aris­to­te­les: Po­li­tik Stutt­gart (Re­clam) 1989, 1257a-1258a)

Auf­ga­ben:

  1. Ar­bei­ten Sie Merk­ma­le und Ziele des Tausch­han­dels, des Han­dels­we­sens und des „der Natur zu­wi­der­lau­fen­den“ Ka­pi­taler­werb­we­sens her­aus und ver­glei­chen Sie diese mit­ein­an­der.
  2. Dis­ku­tie­ren Sie, ob es sich bei dem mensch­li­chen Be­dürf­nis Geld ver­meh­ren zu wol­len (Z.31-40) le­dig­lich um Hab­gier han­delt.
  3. Aris­to­te­les: Gren­zen­lo­ser Reich­tum ist nicht na­tur­ge­mäß. Es ist gut, Reich­tum zu be­schrän­ken, da er kei­nen Wert an sich hat.

Er­läu­tern Sie diese These mit Hilfe des Tex­tes und Ihres bis­he­ri­gen Wis­sens über die die Be­deu­tung der Polis und des rech­ten Maßes in der aris­to­te­li­schen Ethik und neh­men Sie kri­tisch Stel­lung.

M8b Chris­ti­an Neu­häu­ser: (Glo­ba­ler) Wohl­stand durch Be­schrän­kung des Reich­tums - Ein Vor­schlag in 3 Schrit­ten

Schritt 1: Ge­rech­te Ko­ope­ra­ti­on und so­zia­le Würde

Die Grund­la­ge für eine sta­bi­le, faire und zu­kunfts­fä­hi­ge Ge­sell­schaft be­steht in der ge­rech­ten Or­ga­ni­sa­ti­on des Ko­ope­ra­ti­ons­pro­zes­ses in­ner­halb der Ge­sell­schaft. Jedes Ge­sell­schafts­mit­glied muss die Mög­lich­keit haben, sei­nen oder ihren Teil zur Ko­ope­ra­ti­on bei­zu­tra­gen. Ihre oder seine Be­mü­hun­gen wer­den glei­cher­ma­ßen ge­ach­tet.

Eine sol­che Ko­ope­ra­ti­on hat Aus­wir­kun­gen auf unser Ver­ständ­nis von Würde. Die Würde jedes Men­schen be­steht tat­säch­lich nicht nur darin, be­stimm­te Grund­rech­te zu be­sit­zen. Sie be­ruht auch dar­auf, als gleich­ran­gi­ges Ge­sell­schafts­mit­glied an­er­kannt zu wer­den. Der In­di­vi­dua­li­sie­rungs­pro­zess der Mo­der­ne läuft auf die Idee hin­aus, dass alle Men­schen fun­da­men­tal gleich und ihre Le­bens­füh­rung im Kern glei­cher­ma­ßen wert­voll ist. Ein Mensch, der sich selbst auf diese Weise ver­steht, ist aus Grün­den der Selbst­ach­tung dar­auf an­ge­wie­sen, von an­de­ren Men­schen als glei­cher­ma­ßen wür­de­vol­les Ge­sell­schafts­mit­glied ge­ach­tet zu wer­den. Geld­reich­tum stellt mit Blick auf die so­zia­le Würde des Ein­zel­nen also aus zwei Grün­den ein Ge­rech­tig­keits­pro­blem dar: Ers­tens ver­schafft er ei­ni­gen Men­schen die Macht, ge­sell­schaft­li­che Hier­ar­chi­en zu ge­stal­ten und damit zu be­stim­men, was über­haupt wür­de­voll ist. Zwei­tens sind es diese Men­schen, die den ent­spre­chen­den Le­bens­stil dann auch tat­säch­lich pfle­gen kön­nen, wäh­rend an­de­re nicht ein­mal die Chan­ce dazu haben, auch nur im An­satz mit­zu­hal­ten. Ver­schärft wird diese Pro­ble­ma­tik noch in Markt­ge­sell­schaf­ten, in denen viele so­zia­le Ak­teu­re markt­ba­siert sind. Dort kon­trol­lie­ren rei­che Ak­teu­re fast den ge­sam­ten In­ter­ak­ti­ons­raum.

Schritt 2: Reich­tum steu­ern

Durch eine kluge Ein­rich­tung von Ver­mö­gens- und Ein­kom­mens­steu­er ließe sich er­rei­chen, dass Men­schen gar nicht zu reich wer­den kön­nen. Man könn­te die Pro­gres­si­on die­ser Steu­er bis zur po­li­tisch fest­ge­leg­ten Schwel­le nur schwach an­stei­gen las­sen, viel­leicht sogar schwä­cher als jetzt. Ab der fest­ge­leg­ten Schwel­le, ab der man als reich gilt, würde die Pro­gres­si­on des Steu­er­sat­zes dann ra­sant an­stei­gen und am Ende sehr schnell bei 100 Pro­zent an­kom­men. Dann würde es sich nicht mehr loh­nen, noch mehr Geld zu ver­die­nen.

Das hätte den po­si­ti­ven Ef­fekt, dass sich auch die wirt­schaft­li­chen Struk­tu­ren ver­än­dern müss­ten. Es wären nicht mehr ei­ni­ge we­ni­ge Men­schen, die einen Groß­teil der wirt­schaft­li­chen Ge­win­ne auf sich ver­tei­len wür­den, son­dern viel mehr Men­schen be­kä­men davon etwas ab. Die so­zia­le Sche­re würde sich wie­der schlie­ßen. Ar­beit würde sich für mehr Men­schen wie­der loh­nen. Ver­mut­lich würde die Be­reit­schaft, etwas für die Ge­mein­schaft zu tun, an­wach­sen, weil Men­schen stär­ker davon über­zeugt wären, an einem ge­mein­sa­men Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jekt be­tei­ligt zu sein. Auf die Dauer ge­se­hen würde dies be­deu­ten, dass ent­spre­chen­de Un­ge­rech­tig­keit be­reits im Sys­tem be­sei­tigt wer­den, weil das Pro­fit­mo­tiv ab­ge­schwächt würde.

Neben Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­steu­er müss­ten auch Erb­schaft- und Schen­kungs­steu­er an­ge­passt wer­den, um zu ver­hin­dern, dass sich eine Klas­se von Ren­tiers [15] aus­bil­det, die nicht am Ko­ope­ra­ti­ons­pro­zess be­tei­ligt sind. Diese Men­schen wür­den dann re­gel­mä­ßig Geld­be­trä­ge erben oder ge­schenkt be­kom­men, die knapp unter der Gren­ze liegt, ab der man reich ist.

Schritt 3: Glo­ba­ler Wohl­stand (→ evt. weg­las­sen oder erst in DS 7 ein­set­zen)

Un­se­re Welt ist im Prin­zip eine Welt, in der es für jeden genug geben soll­te. Wir haben auf glo­ba­ler Ebene ein Wirt­schafts­sys­tem ge­schaf­fen, das jedem Men­schen ein Leben in Wohl­stand er­mög­li­chen könn­te. Wenn die Ein­kom­men aus­ge­gli­che­ner wären, be­steht eine rea­lis­ti­sche Chan­ce, dass die So­li­da­ri­tät unter Men­schen wie­der zu­nimmt, weil der Sta­tus­wett­be­werb und Kon­kur­renz­kampf ab­nimmt. Der wirt­schaft­li­chen Ko­ope­ra­ti­on würde der ver­gif­te­te Sta­chel ge­zo­gen, der dafür sorgt, dass die Men­schen nur noch an sich selbst und viel­leicht noch an ihre nächs­ten An­ge­hö­ri­gen den­ken. Statt­des­sen würde es wie­der at­trak­ti­ver wer­den, ge­mein­sam ge­samt­ge­sell­schaft­li­che Auf­ga­ben an­zu­ge­hen, weil die Ver­ant­wor­tung für diese Auf­ga­ben fair unter allen Ge­sell­schafts­mit­glie­dern ge­teilt würde.

Eine Be­we­gung gegen schäd­li­chen Reich­tum muss sich welt­weit ver­or­ten. Nur so kann sie auch glo­ba­le Wirt­schafts­struk­tu­ren, durch die sich die Rei­chen er­mäch­ti­gen, nach­hal­tig ver­än­dern. Hier liegt die größ­te Her­aus­for­de­rung im an­hal­ten­den Kampf für mehr so­zio­öko­no­mi­sche Ge­rech­tig­keit.

(Chris­ti­an Neu­häu­ser: Wie reich darf man sein? Über Gier, Neid und Ge­rech­tig­keit. Stutt­gart (Re­clam) 2019, Seite 44-47; 76-86, leicht ver­än­dert)

Auf­ga­ben:

  1. Eine ge­rech­te Ge­sell­schaft ist eine Ge­sell­schaft, die allen Men­schen ein Leben in Würde und Selbst­ach­tung er­mög­licht. In solch einer ge­rech­ten Ge­sell­schaft gibt es nicht nur nach unten, son­dern auch nach oben hin eine klare Gren­ze für er­laub­te so­zio­öko­no­mi­sche Un­gleich­heit. (Chris­ti­an Neu­häu­ser)

    Be­schrei­ben Sie an­hand eines Bei­spiels in­wie­fern es einen Zu­sam­men­hang zwi­schen so­zia­ler Würde und Reich­tum bzw. Armut gibt.

  2. Er­läu­tern Sie die im Text ge­nann­ten po­si­ti­ven Ef­fek­te wirt­schaft­lich ver­än­der­ter Struk­tu­ren durch Steu­er­än­de­run­gen.

  3. Prü­fen Sie, in­wie­fern Aris­to­te­les (M6b, 7) und Neu­häu­ser darin über­ein­stim­men, dass die Be­gren­zung von Reich­tum zu mehr Sta­bi­li­tät und Ge­rech­tig­keit und damit zu einem guten Leben für alle führt.

  4. Neh­men Sie kri­tisch Stel­lung zu den Vor­schlä­gen von Neu­häu­ser.

[15] Ren­tier: eine Per­son, die von re­gel­mä­ßi­gen Zah­lun­gen aus in Ak­ti­en an­ge­leg­tem Ka­pi­tal, der Ver­mie­tung von Im­mo­bi­li­en oder Ver­pach­tung von Land lebt.

Um­set­zungs­bei­spiel Reich­tum und Ge­rech­tig­keit: Her­un­ter­la­den [docx][102 KB]

Um­set­zungs­bei­spiel Reich­tum und Ge­rech­tig­keit: Her­un­ter­la­den [pdf][452 KB]

Wei­ter zu DS4