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DS6

Glo­ba­le Ge­rech­tig­keit, glo­ba­le Ver­ant­wor­tung?

M16a Fak­ten über Armut und Reich­tum welt­weit

(…)

Tho­mas Pogge in: An­ge­wand­te Ethik. Hg.v. D.​Hors­ter, Stutt­gart (Re­clam) 2013.)

Der neue Oxfam-Be­richt zeigt, dass das reichs­te Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung 50,8 Pro­zent des welt­wei­ten Ver­mö­gens be­sitzt – und damit mehr als die rest­li­chen 99 Pro­zent zu­sam­men.

oxfam.​de

Auf­ga­be:

Wel­che Ge­füh­le, Ge­dan­ken, As­so­zia­tio­nen oder Re­ak­tio­nen rufen diese In­for­ma­tio­nen bei Ihnen her­vor? Tau­schen Sie sich mit Ihren Sitz­nach­bar*innen über Ihre Ein­drü­cke aus.

M16b Zitat Jean Zieg­ler [16]

Ein Kind, das an Hun­ger stirbt, wird er­mor­det. (Jean Zieg­ler)

Auf­ga­be:

Tau­chen Sie sich mit Ihren Sitz­nach­bar*innen über die Be­deu­tung der Aus­sa­ge von Zieg­ler aus.

M17 Peter Sin­ger: Ar­gu­ment für die Ver­pflich­tung zu hel­fen

Erste Prä­mis­se:

Wenn wir etwas Schlech­tes ver­hü­ten kön­nen, ohne ir­gend etwas von ver­gleich­ba­rer mo­ra­li­scher Be­deu­tung zu op­fern, soll­ten wir es tun.

Zwei­te Prä­mis­se:

Ab­so­lu­te Armut ist schlecht.

Drit­te Prä­mis­se:

Es gibt ein be­stimm­tes Maß von ab­so­lu­ter Armut, das wir ver­hü­ten kön­nen, ohne ir­gend etwas von ver­gleich­ba­rer mo­ra­li­scher Be­deu­tung zu op­fern.

Schluß­fol­ge­rung:

Wir soll­ten ein be­stimm­tes Maß an ab­so­lu­ter Armut ver­hü­ten.

Das Ar­gu­ment ist nicht von ir­gend­wel­chen spe­zi­fi­schen Wer­ten oder ethi­schen Prin­zi­pi­en ab­hän­gig. Ich meine, daß die drit­te Prä­mis­se für die meis­ten in den In­dus­trie­staa­ten le­ben­den Men­schen gilt, wel­che ver­tret­ba­re An­sicht dar­über, was mo­ra­lisch re­le­vant ist, man auch nimmt. Unser Reich­tum be­deu­tet, daß wir Ein­kom­men haben, über das wir ver­fü­gen kön­nen, ohne den le­bens­not­wen­di­gen Be­darf auf­zu­ge­ben, und daß wir die­ses Ein­kom­men dazu ver­wen­den kön­nen, ab­so­lu­te Armut zu ver­rin­gern. Wie­viel genau auf­zu­ge­ben wir uns für ver­pflich­tet hal­ten, wird davon ab­hän­gen, was wir an­ge­sichts der Armut, die wir ver­hü­ten kön­nen, als ver­gleich­bar mo­ra­lisch be­deut­sam be­trach­ten: mo­di­sche Klei­der, teure Re­stau­rant­be­su­che, eine raf­fi­nier­te Ste­reo­an­la­ge / Mu­sik­an­la­ge, Fe­ri­en­rei­sen nach Über­see, ein (zwei­tes) Auto, eine grö­ße­re Woh­nung, Pri­vat­schu­len für die Kin­der usw.

Für Uti­li­ta­ris­ten kann kaum etwas davon so be­deut­sam sein wie die Ver­rin­ge­rung ab­so­lu­ter Armut; und wer kein Uti­li­ta­rist ist, muß, wenn er das Prin­zip der Uni­ver­sa­li­sier­bar­keit un­ter­schreibt, auf jeden Fall ak­zep­tie­ren, daß zu­min­dest ei­ni­ge die­ser Dinge eine weit ge­rin­ge­re mo­ra­li­sche Be­deu­tung haben als die ab­so­lu­te Armut, die mit dem Geld, das diese kos­ten, ver­hü­tet wer­den könn­te. So scheint die drit­te Prä­mis­se nach jeder plau­si­blen ethi­schen An­sicht Gül­tig­keit zu haben – wenn­gleich das ge­naue Maß an Armut, das ver­hü­tet wer­den kann, bevor ir­gend­et­was von mo­ra­li­scher Be­deu­tung ge­op­fert wird, ent­spre­chend der je­weils ver­tre­te­nen ethi­schen An­sicht va­ri­ie­ren wird.

(Peter Sin­ger: Prak­ti­sche Ethik, Stutt­gart (Re­clam) 1994, S.294-95)

Auf­ga­ben:

  1. Prü­fen Sie, ob Sin­gers Prä­mis­sen und seine Schluss­fol­ge­rung wahr bzw. lo­gisch kor­rekt sind.

  2. Er­läu­tern Sie, wie ein Uti­li­ta­rist und ein Ver­tre­ter des Prin­zips der Uni­ver­sa­li­sier­bar­keit (z.B. Kant) die Ver­pflich­tung zu hel­fen be­grün­den würde.

  3. Er­ör­tern Sie, wel­che Kon­se­quenz die Um­set­zung von Sin­gers For­de­rung für Ihr Leben hätte

    .
  4. Tho­mas Pogge: Die rei­chen Län­der ver­feh­len nicht nur ihre po­si­ti­ven Pflich­ten, son­dern ver­let­zen auch ihre ne­ga­ti­ven Pflich­ten: die Pflich­ten, eine un­ge­rech­te Be­sitz­ver­tei­lung nicht mit Ge­walt zu ver­tei­di­gen oder zum ei­ge­nen Vor­teil aus­zu­nut­zen. (aus Det­lef Hors­ter: An­ge­wand­te Ethik. Texte und Ma­te­ria­li­en, Stutt­gart (Re­clam) 2013, S.71)

    Dis­ku­tie­ren Sie dar­über, ob Tomas Pogge mit sei­ner Aus­sa­ge Recht hat.

Mög­li­che Ein­wän­de gegen das Ar­gu­ment für die Ver­pflich­tung zu hel­fen

Ich habe ein Recht auf mein Ei­gen­tum und muss die­sen nicht tei­len.
Wir müs­sen zu­nächst für uns selbst sor­gen und die, die uns nahe ste­hen.
Ar­muts­be­kämp­fung – wo soll ich da an­fan­gen und wo auf­hö­ren?
Den Armen zu hel­fen ist Sache der Re­gie­rung.
Wir sind jetzt schon zu viele Men­schen auf der Erde. Den Armen zu hel­fen würde das Pro­blem ver­schär­fen

(ver­glei­che Peter Sin­ger: Prak­ti­sche Ethik, Stutt­gart (Re­clam) 1994, S.296-314)

Auf­ga­ben

  1. Er­läu­tern Sie kurz die Ein­wän­de in den Sprech­bla­sen.
  2. For­mu­lie­ren Sie Ge­gen­ar­gu­men­te, mit denen Sie die Ein­wän­de ent­kräf­ten kön­nen.

M18 Amar­tya Sen: Glo­ba­le Ge­rech­tig­keit

Amar­ty­ra Sen (geb.1933) ist ein in­di­scher Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler und Phi­lo­soph, zu des­sen For­schungs­schwer­punk­ten u.a. die Pro­ble­ma­tik der glo­ba­len Ge­rech­tig­keit und Ar­muts­be­kämp­fung ge­hö­ren.

Nach Senn grei­fen die bis­he­ri­gen Ge­rech­tig­keits­kon­zep­tio­nen zu kurz, da sie sich auf ein­zel­ne Ge­sell­schaf­ten oder Na­tio­nen be­schrän­ken und daher für glo­ba­le Pro­ble­me keine Lö­sungs­an­sät­ze bie­ten. Senn greift daher in dem vor­lie­gen­den Ar­ti­kel John Rawls Idee der Ge­rech­tig­keit als Fair­ness auf und ent­wi­ckelt sie wei­ter, indem er den Be­griff „plu­ra­le Zu­ge­hö­rig­keit“ ein­führt. Er ver­steht dar­un­ter die An­nah­me, dass wir alle mul­ti­ple Iden­ti­tä­ten haben. Jede die­ser Iden­ti­tä­ten bringt In­ter­es­sen und For­de­run­gen mit sich, die sich we­sent­lich er­gän­zen oder mit ein­an­der ernst­haft in Kon­kur­renz ste­hen kön­nen.

(Amar­tya Sen: Glo­ba­le Ge­rech­tig­keit. Jen­seits in­ter­na­tio­na­ler Gleich­be­rech­ti­gung. In: Phi­lo­so­phie der Ge­rech­tig­keit, Stutt­gart (Suhr­kamp) 2018, S: 472/73)

Auf­ga­ben:

  1. Er­läu­tern Sie (an­hand eines Bei­spiels), was Sen unter dem Be­griff „plu­ra­le Zu­ge­hö­rig­keit“ bzw.“ mul­ti­ple Iden­ti­tä­ten“ ver­steht.
  2. Geben Sie den In­halt des Tex­tes wie­der, indem Sie dar­auf ein­ge­hen, wie und warum nach Sen (im Ge­gen­satz zu Rawls) Ge­rech­tig­keit als Fair­ness glo­bal ver­stan­den wer­den kann bzw. muss.
  3. Dis­ku­tie­ren Sie über die Vor­aus­set­zun­gen, die es braucht damit Fair­ness zu mehr glo­ba­ler Ge­rech­tig­keit führt.

Über­le­gen Sie sich als Grund­la­ge für die Dis­kus­si­on ein ak­tu­el­les glo­ba­les Pro­blem (wie z.B. Welt­ar­mut, Kli­ma­ka­ta­stro­phe, Co­ro­na-Pan­de­mie).


[16] Jean Zieg­ler (geb.1934, Schwei­zer Po­li­ti­ker, So­zio­lo­ge und Autor

Um­set­zungs­bei­spiel Reich­tum und Ge­rech­tig­keit: Her­un­ter­la­den [docx][102 KB]

Um­set­zungs­bei­spiel Reich­tum und Ge­rech­tig­keit: Her­un­ter­la­den [pdf][452 KB]

Wei­ter zu DS7