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Vertiefungs- und Erweiterungsmaterialien

Technik und Typologie der Fördertürme

Zur Funktion

Fördertürme stehen über Schachtöffnungen von Bergwerken. Sie sind Teil einer Aufzugsanlage, mit der unter Tage abgebaute Bodenschätze an die Erdoberfläche transportiert werden. Die gesamte zur Förderung benötigte Aufzugsanlage besteht aus: Förderschacht, Förderseilen, Förderbehältern, Fördermaschine und Förderturm. Zwei quaderförmige, an Seilen hängende Förderbehälter werden im Schacht gegenläufig auf- und abwärts bewegt, wobei sie einander als Kontergewichte dienen. Die Bewegungsenergie liefert eine Antriebsmaschine, die üblicherweise mit einigem Abstand seitlich vom Schacht in einem Maschinenhaus untergebracht ist. Hier wird die gesamte Länge des Förderseils über eine Trommel aufgewickelt (für die Aufwärtsbewegung) beziehungsweise abgewickelt (für die Abwärtsbewegung).

Der Förderturm ist eine Stützkonstruktion aus Stahl, Stahlbeton oder Holz, die das Führungsgerüst aus dem Schacht fortsetzt und im oberen Teil zwei Räder trägt, über die die Seile zur Antriebsmaschine umgelenkt werden. Je nach dem Grad der Umlenkung ist das Gerüst seitlich abgestrebt.

Auf der Entladeebene, die meist erhöht angebracht ist, um das natürliche Gefälle für den Wagenumlauf zu nutzen, befindet sich ein Aufsetzmechanismus für das genaue und sichere Abbremsen der aus dem Schacht kommenden Förderbehälter. Das Gerüst muss so konstruiert sein, dass es den Beanspruchungen standhält, die durch die Förderlast, das erhebliche Eigengewicht der Stahlseile und durch starke Schwingungen und Stöße beim Beschleunigen und Abbremsen entstehen. Je tiefer der Schacht ist, desto höher und belastbarer muss der Förderturm sein.

Konstruktionsarten

Das einstöckige Strebengerüst kann als Prototyp der Förderturmarten gelten. Es wird seit Mitte des vorigen [19.] Jahrhunderts in fast allen Bergbaugebieten der Welt überwiegend gebaut. Die beiden Räder sind parallel auf einer Etage angeordnet. Das Maschinenhaus liegt zu ebener Erde neben dem Schacht. Die beiden Förderseile werden nebeneinander zum Maschinenhaus geführt. Die Konstruktion ist wegen der Zugbeanspruchung der Seile seitlich abgestrebt.

Das doppelstöckige Strebengerüstwird gebaut, wenn die Platzierung des Maschinenhauses es nicht erlaubt, die beiden Seile nebeneinander zu führen, sondern die übereinander dorthin geführt werden müssen. In diesem Fall können die Räder nicht parallel zueinander angeordnet sein, sondern das zweite Rad wird auf einem entsprechend höheren Niveau seitlich versetzt über dem ersten, montiert.

Das Doppelstrebengerüst stellt eine symmetrische Verdoppelung der oben beschriebenen Anordnung dar. Es hat also zwei Räderpaare, zwei Förderbehälterpaare und zwei einander gegenüberliegende Antriebsmaschinen und ist in zwei Richtungen abgestrebt. Eine Variante der Doppelförderung ist die Anordnung der zwei Fördermaschinen im rechten Winkel zueinander.

Der Tandemförderturm bedient zwei nebeneinanderliegende Schächte mit einer Antriebsmaschine.

Die Turmförderanlage hat ihr Maschinenhaus oberhalb der Förderkonstruktion anstatt seitlich zu ebener Erde. Diese Anordnung ist erst möglich, seitdem leichte Elektromotoren die schweren Dampfmaschinen als Antrieb der Fördermaschine abgelöst haben.

Der Malakow-Turm ist ein aus Ziegelsteinen gemauerter Förderturm. Er wurde zwischen 1860 und 1880 überwiegend im Ruhrgebiet gebaut, als man bereits in größere Tiefe gehen musste, aber noch nicht genügend Erfahrung mit Stahlkonstruktionen hatte. Seinen Namen erhielt er nach dem Fort Malakow der Festung Sewastopol, das im Krimkrieg Bedeutung erlangte. Die massiven Mauern des Turms, in denen die Seilscheibenlager verankert waren, übernahmen die tragende Funktion. Die Malakow-Türme bewährten sich wegen ihrer aufwendigen Bauweise und ihrer Empfindlichkeit gegen Schwingungen nicht. Vielfach errichtete man später im Innern ein von Mauerwerk unabhängiges Stahlgerüst, das aus Dach und Mauerwerk herausragte.

Das Holzgerät der pennsylvanischen Kleinzechen unterscheidet sich grundsätzlich von den übrigen Konstruktionsarten. Der Schacht verläuft hier nicht senkrecht durch die Gesteinsschichten hindurch, sondern folgt der Richtung des an Oberfläche reichenden Kohleflözes. Der Winkel, der sich aus der Lage der Kohle zur Neigung der Erdoberfläche ergibt, bestimmt die Konstruktion. Ein weiteres charakteristisches Merkmal besteht in einer einfachen mechanischen Vorrichtung am oberen Teil des Gerüstes, die den Förderwagen während der Aufwärtsbewegung öffnet, kippt, und seinen Inhalt in einen Vorratsbehälter schüttet. Diese spezielle Funktion ist der Grund für den Namen „Tipple“, der in dieser Gegend gebräuchlich ist. Die hölzernen Fördergerüste Pennsylvaniens, ihrer Entstehungszeit nach die ältesten der hier dargestellten Bauten, sind eine in den meisten Bergbaugebieten nicht mehr vorkommende Frühform des Förderturms, die in der Zeit vor den Eisenkonstruktionen neben den gemauerten Fördertürmen die einzig mögliche war.

Die Form

Kein Förderturm gleicht dem andern. Jeder einzelne ist maßgeschneidert und den speziellen geologischen, funktionalen und ökonomischen Vorgaben angepasst. Ornamente oder stilistische Verkleidungen sind relativ selten. Am häufigsten sind sie bei französischen und belgischen Betonkonstruktionen zu finden. Stahlfördertürme dagegen sind schwieriger zu ornamentieren. Um sie architektonisch zu überhöhen, werden sie oftmals mit pagodenartigen Dächern versehen, die offensichtlich der Bauweise französischer Gartenpavillons entlehnt sind.

Die im Ziegelmauerwerk errichteten Malakow-Türme des Ruhrgebiets, die besonders ausgeprägte historische Merkmale zu haben scheinen, sind jedoch überwiegend funktional konzipiert. Die Bögen, Lisenen, Eck- und Strebepfeiler dienten der Verstärkung des Mauerwerks. Die Ecktürme beherbergten separate Treppenhäuser, die als feuersichere Fluchtwege benutzt werden konnten. Nur Zinnen und Zierrat an den oberen Abschlüssen sind als reines Ornament zu betrachten. Paradoxerweise sind gerade die besonders nüchtern und funktional wirkenden Verkleidungen der modernen Fördertürme oftmals Produkte besonders hohen formgestalterischen Aufwands.“

(Aus: Becher, Bernd & Hilla (1997): Fördertürme. München: Schirmer/Mosel, S. 5f.)

Aufgaben

  1. Stellt in einer Mindmap dar, welche Faktoren für die Architektur von Fördertürmen entscheidend sind.
  2. Identifiziert auf dem Tableau mit den neun Fotografien von Bernd & Hilla Becher aus dem Unterrichtseinstieg bestimmte Typen von Fördertürmen.
  3. Recherchiert mithilfe des Internet andere nicht auf dem Tableau vertretene Typen von Fördertürmen. Vergleicht diese hinsichtlich der Ästhetik mit der Neunertypologie.
  4. Prüft, ob der Begriff „Fördergerüste“, den die Bechers in dem Katalog zu ihrer ersten Museumsausstellung „Industriebauten 1830-1930“ 1967 in München verwendeten, besser zur Bezeichnung der Seilstützkonstruktionen passt als der Begriff „Fördertürme“.
  5. 1970 publizierten Bernd & Hilla Becher ihr erstes Buch mit dem Titel „Anonyme Skulpturen. Eine Typologie technischer Bauten“. Diskutiert, ob Ihr den gewählten Titel für angemessen haltet.
  6. Warum empfindet Ihr bestimmte Fördertürme als schön? Beurteilt, ob sich bestimmte Elemente ihrer Architektur identifizieren lassen, die den Fördertürmen eine Ästhetik verleihen.

Jan Assmann: Kulturelles Gedächtnis

Der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann (*1938) hat in seinem Buch „Das kulturelle Gedächtnis“(1992) - neben dem individuellen, verkörperten Gedächtnis und dem interaktiven bzw. kommunikativen Gedächtnis - eine weitere Form des Gedächtnisses entwickelt, nämlich das „kulturelle Gedächtnis“. Dieses existiert nicht nur in Personen, sondern auch in Texten, Bilden und Riten, welche prägend für unser Selbst- und Weltbild sind.

(Vgl. Assmann, Jan (2018/1992): Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und Identität in den frühen Hochkulturen. München: C.H. Beck, S. 34-36, 50, 54f.; (2006): Thomas Mann in Ägypten. Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen. München: C. H. Beck, S. 69f.)

  1. Nennt die drei Arten des Gedächtnisses, welche Jan Assmann unterscheidet, und erläutert diese anhand eines Beispiels.
  2. Diskutiert, ob Industriebauten genauso wie Kunstwerke einen Beitrag zum „kulturellen Gedächtnis“ leisten können.

Projektvorschlag A

  1. Schaut Euch das Eröffnungsvideo zu der Ausstellung „Bernd & Hilla Becher“ im Metropolitan Museum of Art in New York (2022) an (20.7.2023) [23:03 Min.]
  2. Begründet unter Bezugnahme auf philosophische Argumentationen und Positionen, warum es sinnvoll ist, diese große Retrospektive zu den Bechers zu besuchen.

Projektvorschlag B

  1. Recherchiert, ob in Eurer Umgebung eines der folgenden Industriebauten, die der Nutzung dien(t)en, steht: Wasserturm, Förderturm, Bergwerk, Hochofen, Getreidesilo, Gasbehälter, Kühlturm, Steinwerk, Kalkofen u.a.
  2. Stellt Euch vor, dieses Objekt soll abgerissen werden. Verfasst ein Plädoyer für den Erhalt des technischen Baus. Nehmt bei eurer Stellungnahme auch Bezug auf Argumentationen und Positionen von Bernd & Hilla Becher.
  3. * Fotografiert den Industriebau im Stile von Bernd & Hilla Becher.

Projektvorschlag C

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es mehrere Museen zur Industriekultur, zum Beispiel:

LWL-Museum Zelle Zollern, Dortmund

LWL-Museum Zeche Hannover, Bochum

Technoseum, Mannheim

Museum Industriekultur, Nürnberg

MIK Museum Industriekultur Osnabrück

Völklinger Hütte, Völklingen

Aufgaben

  1. Wählt ein Museum Industriekultur und stellt dieses anhand ausgewählter Exponate vor.

  2. Begründet mit kulturphilosophischen und ästhetischen Argumenten, warum das Museum zur Industriekultur erhalten bleiben soll.

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