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M2

Ba­sis­text re­li­giö­ser Fun­da­men­ta­lis­mus

Fun­da­men­ta­lis­mus – was ist das?

Wenn wir heute das Wort „Fun­da­men­ta­lis­mus“ hören, ver­bin­den wir es meis­tens mit re­li­giö­sen Fa­na­ti­kern, die sich einer Sache un­kri­tisch ver­schrie­ben haben und ge­walt­be­reit dafür ein­set­zen. Das Wort „Fun­da­men­ta­lis­ten“ be­geg­net daher häu­fig im Zu­sam­men­hang mit is­la­mis­ti­schen Ter­ro­ris­ten, die sich für ihre je­wei­li­ge Grup­pie­rung bis zum ei­ge­nen Tod ein­set­zen und ihre Geg­ner töten wol­len. Aber auch im po­li­ti­schen und welt­an­schau­li­chen Kon­text be­geg­net der Be­griff immer wie­der.

Auch wenn der Be­griff heut­zu­ta­ge sehr schnell mit der ge­walt­be­rei­ten Abart des Islam ver­bun­den wird, stammt er ur­sprüng­lich aus dem christ­li­chen, ge­nau­er ge­sagt aus dem pro­tes­tan­ti­schen Chris­ten­tum in den USA. Dort ent­stand An­fang des 20. Jahr­hun­derts eine Ver­ei­ni­gung, die auf die Bibel als un­um­stöß­li­ches und irr­tums­lo­ses Fun­da­ment ihres Glau­bens ver­wies. „Fun­da­men­ta­lis­ten“ nann­ten sich alle Mit­glie­der der Ver­ei­ni­gung „World Chris­ti­an Fun­da­men­tals As­so­cia­ti­on“, wel­che für die von Gott selbst in­spi­rier­te Bibel ein­tra­ten und sich von ihr alle Ant­wor­ten auf Le­bens­fra­gen in der mo­der­nen Welt er­hoff­ten. Auch heute noch gibt es in jeder Re­li­gi­on Fun­da­men­ta­lis­ten.

Merk­ma­le des Fun­da­men­ta­lis­mus:

  1. An­ti­mo­der­nis­mus: Der Fun­da­men­ta­lis­mus ver­sucht, die Fol­gen und Ver­un­si­che­rung der mo­der­nen Welt ab­zu­weh­ren. Die mo­der­ne Welt wird dabei häu­fig als Be­dro­hung emp­fun­den, durch die die ei­ge­nen Werte und Tra­di­tio­nen in Frage ge­stellt wer­den. In­so­fern ist der Fun­da­men­ta­lis­mus eine an­ti­mo­der­ne Ant­wort auf eine sub­jek­tiv für schlimm be­fun­de­ne Kri­sen­si­tua­ti­on. Als Ele­men­te der Mo­der­ne wer­den nicht nur Al­ko­hol, Pro­sti­tu­ti­on und Glücks­spiel be­kämpft. Viel­mehr ge­ra­ten auch Frau­en­eman­zi­pa­ti­on, Ho­mo­se­xua­li­tät und ei­ni­ge Er­kennt­nis­se der mo­der­nen Na­tur­wis­sen­schaf­ten, wie z.B. die Evo­lu­ti­ons­leh­re ins Vi­sier der Fun­da­men­ta­lis­ten.
  2. Wört­li­ches Schrift­ver­ständ­nis: Aber es gibt ein Ge­gen­kon­zept: Sich wört­lich an die je­wei­li­ge Hei­li­ge Schrift zu hal­ten, die nach der Vor­stel­lung der Fun­da­men­ta­lis­ten den Au­to­ren Wort für Wort von Gott ein­ge­ge­ben wurde. Das be­deu­tet, dass jedes Wort, un­ab­hän­gig von sei­nem Kon­text, so ver­stan­den wer­den muss, wie es da­steht. Ein kri­ti­scher Um­gang mit re­li­giö­sen Tex­ten ist bei sol­chem wört­li­chen Schrift­ver­ständ­nis nicht vor­ge­se­hen.
  3. Au­to­ri­tä­re Struk­tu­ren: Damit es nicht dazu kommt, die Hei­li­ge Schrift ver­schie­den aus­zu­le­gen, son­dern nur eine ein­zi­ge Ant­wort auf eine Le­bens­fra­ge zu er­hal­ten, muss eine Per­son oder eine Grup­pe au­to­ri­tär fest­le­gen, wel­che Bi­bel­stel­le für wel­che Frage her­an­ge­zo­gen wird und wie sie zu ver­ste­hen ist. Dar­aus fol­gen au­to­ri­tä­re, oft auch pa­tri­ar­cha­le Struk­tu­ren in­ner­halb fun­da­men­ta­lis­ti­scher Grup­pen. Der Ein­zel­ne muss sich die­ser Au­to­ri­tät un­ter­ord­nen.
  4. Dua­lis­mus: Weil Fun­da­men­ta­lis­ten davon aus­ge­hen, dass sie im Be­sitz der Wahr­heit sind, er­gibt sich leicht der Um­kehr­schluss, dass alle, die nicht die­ser Grup­pe an­ge­hö­ren, auf dem fal­schen Weg sind. Da­durch kommt es zu einem sog. „Dua­lis­mus“, bei dem sich immer zwei Sei­ten ge­gen­über­ste­hen: Die ei­ge­ne, „gute“ Seite und alle an­de­ren. Die bei­den Grup­pen, „Gut“ und „Böse“, er­schei­nen in einem dau­ern­den Kampf mit­ein­an­der, der auch als Schlacht einer End­zeit be­trach­tet wird. Als wahr­haft gläu­big er­weist sich, wer auf der Seite der Guten die Bösen be­kämpft. Dar­aus folgt in ei­ni­gen Fäl­len kör­per­li­che und psy­chi­sche Ge­walt – auch in Form mi­li­tä­ri­scher oder ter­ro­ris­ti­scher Ge­walt.
  5. Tra­di­tio­na­lis­mus: Wird die Ge­gen­wart als Kri­sen­zeit be­wer­tet, so rich­tet sich der Blick oft auf die Tra­di­ti­on der Ver­gan­gen­heit, auf ein gol­de­nes Zeit­al­ter, wel­ches ver­herr­licht wird. Die Tra­di­tio­nen und Re­geln die­ser Zeit, die so­zia­len Struk­tu­ren, die Schrif­ten und die Welt­an­schau­ung, ja sogar der Klei­dungs­stil die­ses Zeit­al­ters wird in die heu­ti­ge Zeit über­nom­men. Die Ge­schich­te seit­her ist eine Ge­schich­te des Zer­falls. Auf­ga­be der „wahr­haft Gläu­bi­gen“ ist es, die­sen Zer­fall auf­zu­hal­ten, indem sie die alten Ver­hält­nis­se des Gol­de­nen Zeit­al­ters wie­der­her­stel­len.
  6. Ab­gren­zung: Viele Fun­da­men­ta­lis­ten wol­len sich auch äu­ßer­lich von an­de­ren Men­schen ab­gren­zen, um ihre An­ders­ar­tig­keit zu un­ter­strei­chen: Die Grup­pe, die in der er­war­te­ten End­zeit auf der rich­ti­gen Seite ste­hen wird, muss sich von der nor­ma­len Ge­sell­schaft auch äu­ßer­lich un­ter­schei­den – z.B. durch das Tra­gen be­son­de­rer Klei­dung, aber auch durch die Ab­leh­nung von allem, was die Ge­sell­schaft aus­macht: Me­di­en, Schul­bil­dung, De­mo­kra­tie, kul­tu­rel­le Ver­an­stal­tun­gen wie Thea­ter oder Kino. In die­sem Rah­men kommt es auch dazu, dass Men­schen­rech­te für un­er­heb­lich be­ach­tet wer­den, da sie nur Pro­dukt einer de­ge­ne­rier­ten Ge­sell­schaft seien, von der man sich ab­grenzt.

Li­te­ra­tur: M. Rie­se­brodt: Was ist re­li­giö­ser Fun­da­men­ta­lis­mus, in: C. Six, M. Rie­se­brodt, S. Haas (Hg.): Re­li­giö­ser Fun­da­men­ta­lis­mus. Vom Ko­lo­nia­lis­mus zur Glo­ba­li­sie­rung, Stu­di­en Ver­lag, Inns­bruck u.a. 2004, 13-32 und M. Pöhl­mann, C. Jahn (Hg.), Hand­buch Welt­an­schau­un­gen, re­li­giö­se Ge­mein­schaf­ten, Frei­kir­chen, Gü­ters­lo­her Ver­lags­haus, Gü­ters­loh 2015. 249-255.

 

Ar­beits­auf­trag::

  1. Be­nen­ne für jedes Merk­mal drei zen­tra­le Be­grif­fe.
  2. Ge­stal­tet in Part­ner­ar­beit eine Mind­map zum Be­griff „re­li­giö­ser Fun­da­men­ta­lis­mus“. Auf der ers­ten Ebene der Mind­map sol­len sich die ge­mein­sam ver­ein­bar­ten zen­tra­len Be­grif­fe wie­der­fin­den.
  3. Er­klärt einer an­de­ren Part­ner­grup­pe an­hand eurer Mind­map, was man unter re­li­giö­sem Fun­da­men­ta­lis­mus ver­steht.

 

Ma­te­ria­li­en: Her­un­ter­la­den [docx][400 KB]

Ma­te­ria­li­en: Her­un­ter­la­den [pdf][272 KB]

 

Wei­ter zu M3