Identitätsentwicklung
Der Begriff der Identität wird in diesem Lernvorhaben als ein Selbstentwurf verstanden, der einem Entwicklungs- und Auseinandersetzungsprozess unterliegt. Die Frage nach der eigenen Identität stellt sich allerdings nur dann, wenn sie zum Problem geworden ist, sei es, dass sie durch äußere Faktoren, z. B. Autoritäten, beeinträchtigt oder durch innere Prozesse, z. B. Widerspruch zwischen Selbst- und Idealbild, in ihrer Ausbildung gehemmt wird. Für den Religionsunterricht ist entscheidend zu klären, was oder worin der theologische Beitrag zur Identitätsbildung liegen kann. Nach Pirner1 prägen vier Facetten eine christliche Identität:
Christliche Identität ist eine Beziehungs-Identität, die sich in der suchenden Beziehung Gottes zum Menschen gründet und in der Gestaltung der Beziehungen zu den Mitmenschen entfaltet. Durch die Gottesbeziehung wird ein „Identitätsraum“ (Pirner) eröffnet, innerhalb dessen dem Menschen Erfahrungen des „Mit-sich-identisch-Seins“ ermöglicht werden.
Christliche Identität ist eine fragmentarische und prozesshafte Identität, innerhalb derer der Mensch sich durchaus als zerrissen, bruchstückhaft und zweifelnd erleben kann. Daher ist christliche Identität in eine Spannung zwischen dem Schon und dem Noch-nicht eingespannt und verweist so prozesshaft und entlastend auf die heilende und erfüllende Zuwendung Gottes. Die Akzeptanz der eigenen Endlichkeit kann in ein Ganzheitsvertrauen münden, das die eigene Begrenztheit annimmt.
Christliche Identität ist eine ideologiekritische Identität indem sie Ganzheitsversprechen nach vollkommener Identität misstraut und den Stachel der Begrenztheit konstitutiv als Teil der eigenen Identität realistisch behauptet und aushält.
Christliche Identität ist eine offene Übergangsidentität. Ihr Prozesscharakter und ihre Akzeptanz der Bruchstückhaftigkeit des Lebens ermöglichen, dass diese offene Übergangsidentität nicht zur Isolation und Abgrenzung führt, sondern als eine im Werden begriffene Identität offen für neue Entwicklungen und Herausforderungen ist. Das Unbekannte und Fremde, das der Mensch in und an sich selbst erfährt, und der Unbekannte und Fremde werden nicht ausgrenzt, sondern akzeptiert und je nach Umstand und Voraussetzungen integriert.
1 vgl. dazu: Manfred Pirner, „Christliche Identität – Identität zwischen Grenzbewusstsein und Ganzheitsvertrauen“, Vortrag beim CJD, 07.11.2001
Du bist mein Nächster – Wer bin ich und wer bist Du?: Herunterladen [docx][5 MB]
Weiter zu Heterogenität