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Zwi­schen­spurt als För­der­an­ge­bot

Übersichtsschaubild Förderunterricht als guter Unterricht. Es sind vier Textfelder dargestellt mit den Inhalten: 1. Adaptivität 2. Engagement herstellen, Selektion und Übung als Herausforderungen 3. Förder-Arragements 4. enge Begleitung durch die Lehrkräfte

Die Fest­stel­lung, dass es sich beim För­dern „nicht um einen Fach­ter­mi­nus der Er­zie­hungs­wis­sen­schaft han­delt“ (Wi­scher 2014, 6), mag über­ra­schen. An­ge­sichts die­ses State­ments stellt sich umso dring­li­cher die Frage, was mit einem För­der­an­ge­bot für den gym­na­sia­len Deutsch-Un­ter­richt in­ten­diert sein kann.

Wenn för­dern be­deu­tet, „jmdn., etw. in sei­ner Ent­wick­lung vor­wärts­brin­gen, un­ter­stüt­zen“1 , dann ist dies zu­nächst ein­mal die Auf­ga­be jeden Un­ter­richts. Eine Ab­gren­zung von über den Re­gel­un­ter­richt hin­aus­ge­hen­dem För­der­un­ter­richt ist weder leicht noch scharf. Man könn­te sogar zu­ge­spitzt for­mu­lie­ren: För­der­un­ter­richt folgt zu­nächst den­sel­ben Grund­sät­zen wie guter Fach­un­ter­richt, wenn auch auf ent­ge­gen­kom­men­de­rem Ni­veau (z. B. ad­ap­ti­ve Texte, Scaf­fol­ding, en­ge­re Füh­rung).

Es scheint zu­nächst auch nicht wei­ter­zu­hel­fen, wenn man fest­hält, dass För­de­rung in­di­vi­du­ell sein soll – die­ser An­spruch wird seit lan­gem auch für jeden Un­ter­richt er­ho­ben (ob er auch an­ge­sichts der ob­wal­ten­den Rand­be­din­gun­gen ein­ge­löst wer­den kann, steht auf einem an­de­ren Blatt). Als Ab­gren­zungs­kri­te­ri­um wird oft die Ad­ap­ti­vi­tät ge­nannt, d. h. es muss ein spe­zi­fi­scher Be­darf be­ste­hen. Die­ser muss fest­ge­stellt wer­den, ver­schwin­det mit Er­rei­chen des Ziels und geht in Zu­schnitt (z. B. Auf­ga­ben, Be­glei­tung) und Rah­men­be­din­gun­gen (z. B. Grup­pen­grö­ßen, Lern­zei­ten) über den Re­gel­un­ter­richt hin­aus. Schon hier wird deut­lich: För­de­rung be­darf einer sinn­vol­len Um­set­zung, die mit den Ma­te­ria­li­en des Zwi­schen­spurts un­ter­stützt, aber nicht von ihnen ge­leis­tet wer­den kann.

För­de­rung ist ein po­si­ti­ver Hoch­wert­be­griff. Er soll Bil­dungs­ge­rech­tig­keit an­ge­sichts un­ter­schied­li­cher Vor­aus­set­zun­gen und Lern­stän­de her­stel­len. Daher wer­den dar­un­ter zu­meist Un­ter­stüt­zungs­maß­nah­men für schwä­che­re Ler­nen­de ver­stan­den; Be­gab­ten­för­de­rung spielt eine eher rand­stän­di­ge Rolle. So ist auch die Ziel­grup­pe des vor­lie­gen­den För­der­kon­zepts de­fi­niert. Aus der Idee der Bil­dungs­ge­rech­tig­keit lei­tet sich ein An­spruch auf För­de­rung her.

An­de­rer­seits setzt, wer dabei hel­fen möch­te, „den An­schluss wie­der her­zu­stel­len“, im­pli­zit immer eine Grup­pen­norm an.2 För­de­rung ist damit immer auch mit einer Se­lek­ti­on ver­bun­den. Se­lek­ti­on ist zu­nächst und zu­meist ne­ga­tiv kon­no­tiert. Dies ist pre­kär, denn zen­tral für jede För­de­rung ist die Mo­ti­va­ti­on bzw. das Evo­zie­ren von En­ga­ge­ment. Er ist kein „Nach­sitz­un­ter­richt“ und darf auch nie­mals als sol­cher wahr­ge­nom­men wer­den. Dies ist die erste Her­aus­for­de­rung an die Mo­ti­va­ti­on.

Eine zwei­te liegt in der Natur der Sache: Kom­pe­ten­z­er­werb be­darf immer auch der Übung. Sie ist ein wich­ti­ger Teil des För­der­un­ter­richts – auch und ge­ra­de, wenn es um den Er­werb von hier­ar­chie­nied­ri­gen Kom­pe­ten­zen geht, die ja ge­ra­de durch ihre Au­to­ma­ti­sier­bar­keit de­fi­niert sind. Das Ge­win­nen von Rou­ti­ne und Er­fah­rung be­trifft aber ge­nau­so die hier­ar­chie­ho­hen Kom­pe­ten­zen wie z. B. die Text­pla­nung, das Ver­wen­den von Le­se­stra­te­gi­en oder die Re­fle­xi­on von Kör­per­spra­che. Auch hier gilt aber: Mo­ti­va­ti­on und Ziel­ori­en­tie­rung sind wich­tig, eben­so ggf. Er­ar­bei­tungs­pha­sen, wenn Vor­aus­set­zun­gen feh­len und Kom­pe­tenz­de­fi­zi­te be­ste­hen.

Ins­be­son­de­re mit Blick auf hier­ar­chie­ho­he Kom­pe­ten­zen gilt – und zwar für jeg­li­chen Un­ter­richt –, dass sie ef­fek­tiv und nach­hal­tig nur ver­netzt er­wor­ben und ge­för­dert wer­den. Das Ver­hält­nis von hier­ar­chie­ho­hen und hier­ar­chie­nied­ri­gen Kom­pe­ten­zen ist auch nicht so zu den­ken, dass die hier­ar­chie­nied­ri­gen Kom­pe­ten­zen eine not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für die hier­ar­chie­hö­he­ren wäre und zeit­lich stets vor­an­ge­hen müss­ten. Ver­net­zung er­for­dert eine ziel­füh­ren­de und funk­tio­na­le Ein­bet­tung der Auf­ga­ben in Er­kennt­nis- und An­wen­dungs­zu­sam­men­hän­ge. Dem trägt die the­ma­ti­sche Aus­rich­tung der Mo­du­le des Zwi­schen­spurts Rech­nung. Sie in­ten­diert dar­über hin­aus eine An­bin­dung an den re­gu­lä­ren Un­ter­richt. Dazu ge­hört aber auch die hier an­ge­setz­te Auf­ga­ben­kul­tur der För­der-Ar­ran­ge­ments. Damit ein­her geht auch, dass För­der­un­ter­richt, auch wenn er ten­den­zi­el­le eine en­ge­re Füh­rung und ein klein­schrit­ti­ge­res Vor­ge­hen ver­langt, nicht nur ge­schlos­se­ne Auf­ga­ben stel­len darf, son­dern immer auch Ge­stal­tungs­mög­lich­kei­ten bie­ten muss.

Hand­lungs­trä­ger des För­derns sind Schü­ler(innen) und Lehr­kräf­te glei­cher­ma­ßen. In die­ser Fest­stel­lung liegt keine Ab­kehr vom Pa­ra­dig­ma der Schü­ler­zen­trie­rung und Schü­ler­ak­ti­vie­rung, die un­be­streit­bar not­wen­dig ist. Eine Stär­kung der Ei­gen­ak­ti­vi­tät z. B. durch das Ver­wen­den­kön­nen von Stra­te­gie­wis­sen oder Me­ta­ko­gni­ti­on ist in­te­gra­ler Teil des Zwi­schen­spurts. Auf der an­de­ren Seite kann man die­sen As­pekt po­si­tiv wen­den: För­de­rung be­darf immer einer engen Be­glei­tung durch die Lehr­kraft. Guter För­der­un­ter­richt ist kein rei­ner Selbst­lern­un­ter­richt – wie in­di­vi­dua­li­siert und auf ei­gen­stän­di­ge Be­ar­bei­tung an­ge­legt auch immer Selbst­lern­ma­te­ria­li­en sein mögen. Eine hohe Be­deu­tung kommt der un­ter­richt­li­chen Ein­bet­tung zu, die min­des­tens so wich­tig ist wie die an­ge­bo­te­nen Auf­ga­ben. Wich­tig sind zudem auch For­men ko­ope­ra­ti­ven Ler­nens (z. B. re­zi­pro­kes Lesen, Feed­back­pro­zes­se, ko­ope­ra­ti­ves und kol­la­bo­ra­ti­ves Schrei­ben und Über­ar­bei­ten …).

Ein ent­schei­den­des Ele­ment für eine er­folg­rei­che För­de­rung ist ein ge­schütz­ter, be­wer­tungs­frei­er Raum des ge­gen­sei­ti­gen Ver­trau­ens. Alle Schwie­rig­kei­ten müs­sen von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern angst­frei an­ge­spro­chen wer­den kön­nen.

1 DWDS. För­dern lei­tet sich vom ahd. fur­diren her, was „wei­ter nach vorne brin­gen“ be­deu­tet. Darin steckt „für­der“ als Stei­ge­rung von „fort“ = vor­wärts, wei­ter, wie es als Prä­fix noch in „fort­kom­men“, „fort­pflan­zen “ oder „Fort­schritt“ steckt. Die berg­män­ni­sche Be­deu­tung „aus dem Erd­in­nern fort­schaf­fen, durch Abbau ge­win­nen “ stammt aus dem 16. Jhdt., die Ab­lei­tung be­för­dern im Sinne von im Beruf auf­rü­cken kommt im 18. Jhdt. auf (vgl. Duden: Ety­mo­lo­gie (1989), 199, 201).

2 Diese Norm kann recht­lich (z. B. In­klu­si­ons­ge­setz) oder öko­no­misch (z. B. was die Ge­sell­schaft braucht) be­grün­det wer­den (vgl. Hein­rich 2014).

Zwi­schen­spurt Deutsch: Her­un­ter­la­den [pdf][2 MB]