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Stra­te­gi­en vs Tech­ni­ken

Dass Stra­te­gi­en ein in­te­gra­ler Be­stand­teil kom­pe­ten­ten Han­delns sind, ist mitt­ler­wei­le ein (fach)di­dak­ti­scher Ge­mein­platz. Nicht immer ist dabei klar, was genau unter Stra­te­gi­en ver­stan­den wird und wie diese genau gegen Ar­beits­tech­ni­ken oder Me­tho­den ab­ge­grenzt wer­den.

Der Zwi­schen­spurt ver­steht unter Stra­te­gi­en einen be­wusst­seins­fä­hi­gen und ziel­ge­rich­te­ten Ein­satz von ko­gni­ti­ven Hand­lun­gen und Ar­beits­tech­ni­ken, die einer Pro­blem­lö­sung die­nen. Ar­beits­tech­ni­ken wie das mehr­fa­che Lesen von Tex­ten oder das Un­ter­strei­chen, das An­fer­ti­gen einer Mind-Map oder das Mit­schrei­ben sind noch keine Stra­te­gi­en und brin­gen für sich ge­nom­men kei­nen Kom­pe­tenz­zu­wachs. Erst durch den pas­sen­den Ein­satz in einer be­stimm­ten Si­tua­ti­on auf ein kon­kre­tes Lese-, Schreib, Sprech- oder Zu­hör­ziel hin sind sie Teil einer Stra­te­gie.

Stra­te­gi­en sind Hand­lun­gen, die

  1. ziel­ge­rich­tet,

  2. be­wusst,

  3. wil­lent­lich, ge­plant und an­stren­gend

  4. me­ta­ko­gni­tiv und

  5. spe­zi­fisch

  6. be­zo­gen auf ko­gni­ti­ve Hand­lun­gen sind.1

zu (1): Der As­pekt der Ziel­ge­richtet­heit ist ge­ra­de schon er­läu­tert wor­den. Wei­te­re Dif­fe­ren­zie­run­gen vgl. (3) und (5)

zu (2): Ob sie nur „be­wusst­seins­fä­hig“ (Ro­se­brock/Nix 2018, 73) sind, ist in der Pra­xis und ins­be­son­de­re in Er­werbs­kon­tex­ten eine ehr nach­ge­ord­ne­te Frage – dort müs­sen sie immer be­wusst wer­den. Ob über­haupt eine voll­stän­di­ge Au­to­ma­ti­sie­rung mög­lich ist, scheint frag­lich.

zu (3): Stra­te­gi­en be­dür­fen der An­stren­gung. Damit set­zen sie die Be­reit­schaft der Selbst­kon­trol­le, ja bis zu einem ge­wis­sen Grade der Selbst­tech­ni­sie­rung vor­aus. Sie sind Hand­lungs­se­quen­zen, die ei­gen­stän­dig sind und daher auch als ei­gen­stän­di­ge Hand­lun­gen für sich er­wor­ben wer­den kön­nen. Als Se­quen­zen kön­nen (und soll­ten) sie in be­stimm­te Schrit­te zer­legt wer­den.

zu (4): Stra­te­gi­en die­nen einer er­folg­rei­chen Pra­xis, ge­nau­er: der er­folg­rei­chen Um­set­zung ko­gni­ti­ver Hand­lun­gen. Sie sind auf eine Be­ob­ach­tung des ei­ge­nen Tuns an­ge­wie­sen, das me­ta­ko­gni­tiv pro­ble­ma­ti­siert (z. B. „Hm, ir­gend­wie hab ich noch zu wenig In­halt.“) wird und zu einer selbst­re­gu­la­ti­ven Ak­ti­vie­rung von Ar­beits­tech­ni­ken (z. B. Re­cher­chie­ren, Brain­stor­men, ec­ri­tu­re au­to­ma­tique) führt. Die ko­gni­ti­ven Hand­lun­gen, auf die sich die Me­ta­ko­gni­ti­on be­zieht, kön­nen ko­gni­tiv oder selbst me­ta­ko­gni­tiv sein; dann hat man es mit Me­ta­ko­gni­tio­nen zwei­ter Ord­nung zu tun (z. B. „Wir kom­men mit Brain­stor­men nicht wei­ter, viel­leicht soll­ten wir ein­mal in der Bi­blio­thek re­cher­chie­ren.“).

zu (5): Stra­te­gi­en ver­fol­gen spe­zi­fi­sche Ziele; daher kön­nen sie nicht nur in all­ge­mei­nen Hin­wei­sen be­ste­hen. „All­ge­mei­ne Stra­te­gi­en tra­gen zur Lö­sung eines kon­kre­ten Pro­blems zu­meist nur wenig bei; jene Stra­te­gi­en, die einen gro­ßen Bei­trag leis­ten, sind sel­ten all­ge­mein.“ (Mandl und Fried­rich 1992, 18). Wenn in der Schreib­di­dak­tik immer wie­der der aus Rhe­to­rik und pro­zess­ori­en­tier­tem Schrei­ben satt­sam be­kann­te Drei­schritt aus Pla­nen, For­mu­lie­ren und Über­ar­bei­ten ge­nannt wird, ist damit zu­nächst für die kon­kre­te Schreib­för­de­rung nicht viel ge­won­nen. Idea­ler­wei­se be­we­gen sich ver­mit­tel­te und ge­üb­te Stra­te­gi­en auf einen mitt­le­ren Abs­trak­ti­ons­ni­veau. Es gibt eine ganze Reihe von Ein­tei­lun­gen von Stra­te­gi­en. Vgl. dazu die Über­sich­ten zu Le­se­stra­te­gi­en, Schreib­stra­te­gi­en und Stra­te­gi­en des Spre­chens und Zu­hö­rens.

zu (6): Stra­te­gi­en sind kein Selbst­zweck. Sie kön­nen im Ide­al­fall aus einem Re­per­toire von Ar­beits­tech­ni­ken aus­wäh­len, die Werk­zeug­cha­rak­ter haben.

Die Ein­füh­rung von Stra­te­gi­en kann sich, wie bei allen Hand­lun­gen, nicht auf ein de­kla­ra­ti­ves Wis­sen be­schrän­ken (das frei­lich hilf­reich sein kann). Ein ziel­füh­ren­des de­duk­ti­ves Ver­fah­ren ist das Mo­del­lie­ren oder auch das laute Den­ken (vgl. das Mo­dell des self re­gu­la­ted stra­te­gy de­ve­lop­ment, SRDS, von Gra­ham Har­ris 2005, vgl. Phil­ipp 2019, 98–105, das hier ge­ring­fü­gig mo­di­fi­ziert wird). An­de­re, in­duk­ti­ve­re Me­tho­den sind eben­falls mög­lich.

Fol­gen­de Schrit­te sind sinn­voll:

  1. Hand­lungs­ziel klä­ren
  2. spe­zi­fi­sches Wis­sen ak­ti­vie­ren und ver­mit­teln (de­kla­ra­tiv, pro­ze­du­ral, kon­di­tio­nal)
  3. Mo­del­lie­ren (Vor­füh­ren einer Tech­nik mit ge­plan­ter Ver­ba­li­sie­rung der ko­gni­ti­ven Pro­zes­se)
  4. Me­mo­rie­ren der Hand­lungs­schrit­te
  5. Ein­üben (zu­nächst be­glei­tet, dann zu­neh­mend selb­stän­dig)
  6. An­wen­den
  1. Das Klä­ren des Hand­lungs­ziels ist zen­tral für die Ver­mitt­lung von Stra­te­gi­en, sonst bleibt es bei der Ver­mitt­lung von Tech­ni­ken. Zu­gleich wird damit auch schon der Weg zu kon­di­tio­na­lem Wis­sen ge­bahnt (das sich mit der Er­fah­rung durch An­wen­dung von Stra­te­gi­en stets er­wei­tert). Zudem soll­te hier die Mo­ti­va­ti­on für die Stra­te­gie ge­schaf­fen wer­den, um für wil­lent­li­ches Han­deln und An­stren­gungs­be­reit­schaft zu sor­gen. Hier­zu sind Ler­nar­ran­ge­ments sinn­voll.

  2. Die Stra­te­gie wird aus­ge­hend von Vor­wis­sen er­läu­tert (de­kla­ra­ti­ves Wis­sen über die Stra­te­gie und die not­wen­di­gen Wis­sens­be­stän­de über In­hal­te, pro­ze­du­ra­les Wis­sen über die An­wen­dung). Dies soll­te in­duk­tiv an­knüp­fend ans Vor­ver­ständ­nis der Ler­nen­den ge­sche­hen. Dabei soll­te ge­ra­de im För­der­un­ter­richt der dia­lo­gi­schen Ver­mitt­lung ge­nü­gend Raum ge­ge­ben wer­den.

  3. Der ent­schei­den­de Schritt ist das Mo­del­lie­ren, d. h. das Vor­füh­ren der An­wen­dung, bei der die we­sent­li­chen ko­gni­ti­ven Pro­zes­se (ein­schließ­lich Ziel­ori­en­tie­rung und Ak­ti­vie­rung von Hin­ter­grund­wis­sen) ex­pli­zit ge­macht wer­den. Die­ser Schritt ist für die Lehr­kraft durch­aus an­spruchs­voll und be­darf der ge­nau­en Vor­be­rei­tung (ggf. eines Scripts).

  4. Das Me­mo­rie­ren ver­bin­det die Wis­sens­ver­mitt­lung (2) und das Üben (5) mit­ein­an­der. Es muss nicht immer als ex­pli­zi­ter Schritt ope­ra­tio­na­li­siert wer­den – es sei denn, es zeigt sich, dass das not­wen­di­ge Pro­zess­wis­sen nicht ver­füg­bar ist, womit im För­der­un­ter­richt durch­aus zu rech­nen ist.

  5. Beim Ein­üben ist ge­ra­de zu Be­ginn eine ge­naue Be­glei­tung sinn­voll, ggf. auch eine stär­ke­re Ele­men­ta­ri­sie­rung. Dabei soll­ten al­ler­dings Sinn und Ziel nicht ganz aus dem Blick der Schü­ler ge­ra­ten und die Re­fle­xi­ons­pro­zes­se un­ter­stützt wer­den. Die Pro­gres­si­on hin zu immer grö­ße­rer Selb­stän­dig­keit ver­steht sich von selbst.

  6. Daran an­schlie­ßend soll­ten in fol­gen­den Un­ter­richts­se­quen­zen Ge­le­gen­hei­ten zur An­wen­dung ge­ge­ben und ex­pli­zit mar­kiert wer­den.

Zu­sam­men­fas­send kann man sagen: Stra­te­gi­sches Vor­ge­hen als ziel­ge­rich­te­tes Pro­blem­lö­sen setzt vor­aus, dass

  1. Ziele ge­klärt wer­den (hohe An­for­de­rung an Pro­zess­be­wusst­sein und Me­ta­ko­gni­ti­on, Ex­pli­ka­ti­on auf Auf­ga­be­nebe­ne, aber auch En­ga­ge­ment),

  2. ein Re­per­toire an Hand­lungs­op­tio­nen prak­ti­ziert wer­den kann (d. h. men­tal ver­füg­bar und ein­ge­übt ist) und

  3. die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in der Lage sind, Stra­te­gi­en ziel­füh­rend an­zu­wen­den. D. h. sie müs­sen sinn­voll aus­wäh­len und die Stra­te­gi­en an­wen­den kön­nen. Dies setzt Er­fah­rung vor­aus. Daher ist wich­tig, dass Stra­te­gi­en stets in­te­gra­tiv ein­ge­setzt wer­den.

1 Zu­grun­de ge­legt und mo­di­fi­ziert wird hier das gän­gi­ge und in der Li­te­ra­tur re­gel­mä­ßig zi­tier­te Merk­mals­sex­tett von Alex­an­der, Gra­ham und Har­ris (1998).

Zwi­schen­spurt Deutsch: Her­un­ter­la­den [pdf][2 MB]