Lesetechniken, Lesestrategien, Lesehaltungen
Lesehaltungen
Leseprozesse beinhalten ein komplexes Zusammenspiel aus kognitiven und affektiven Faktoren, die teilweise bewusst, teilweise unbewusst ablaufen. Eine Lesehaltung einzunehmen bedeutet, eine kognitiv-affektive Steuerung bzw. Schwerpunktsetzung beim Lesen von Texten anzustreben, um unterschiedliche Leseziele zu erreichen.
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spontanes Lesen – Verzicht auf den Einsatz methodischer oder analytischer Instrumente, z. B. um Gefühle oder Assoziationen Raum zu geben
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methodisch geleitetes Lesen – vorbereitetes Lesen; Lesen unter Einsatz von methodischem Wissen und Können
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analytisches Lesen – Einsatz objektivierender Methoden beim Lesen, mit deren Hilfe ein Text durch Zerlegung in Komponenten genau erfasst werden soll
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identifikatorisches Lesen – Lesen mit geringer kognitiv-affektiver Distanz zum Text; Emotionswahrnehmung und Emotionseinnahme beim Lesen
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wertendes Lesen – subjektive oder kriteriengeleitete Stellungnahme zum Gelesenen
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aktualisierendes Lesen – vergleichender Rückbezug des Gelesenen zum Beispiel auf Vorstellungen, Gefühle, Lebensbedingungen des Lesers
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kontextualisierendes Lesen – Herstellung von Zusammenhängen zwischen dem Gelesenen und dessen historischen, thematischen, politischen, gesellschaftlichen … Kontexten
Lesetechniken
Unter Lesetechniken versteht man „mentale Werkzeuge […], die samt Anwendungsbedingungen gezielt vermittelt und von den Schülern bewusst angeeignet werden können.“ (Rosebrock/Nix 2017, 74) Nötig ist ein Repertoire, aus dem in einer Lesesituation gezielt ausgewählt werden kann.
ordnende Lesetechniken | elaborierende Lesetechniken | wiederholende Lesetechniken |
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strukturieren den Text und erlauben, ihn auf seine wesentlichen Kernaussagen reduzieren |
gehen über die unmittelbare Textebene hinaus, um den Textinhalt gezielt mit Vorwissen, Gefühlen, Meinungen, inneren Bildern usw. der Leser(innen) in Beziehung zu setzen |
leiten eine erneute Textauseinandersetzung ein, um die Verstehens- und Behaltensleistungen zu vertiefen |
z. B. Textstellen differenziert markieren (Wichtiges, Umschwünge, Gliederungsformulierungen…; Farben), Überschriften für einzelne Textabschnitte finden, Stichwörter zusammenstellen, Schlüsselbegriffe als Marginalien notieren, verschiedene Formen des Exzerpierens |
z. B. unbekannte Wörter und Passagen klären, Vorwissen aktivieren, Fragen an den Text stellen, Textstellen oder Textstrukturen visualisieren, Text in andere Form übertragen, Text expandieren (ausführen, Leerstellen füllen), gezielt persönliche Assoziationen initiieren und notieren, Text kommentieren (Marginalien), mit anderen Texten vergleichen |
z. B. den Text bzw. bestimmte Textstellen ein zweites Mal lesen, Exzerpte oder Stichwortlisten durchgehen |
Lesestrategien
Lesestrategien (Strategiebegriff) sind Handlungsfolgen, die bewusst eingesetzt werden, um ein Leseziel zu erreichen. Sie „beziehen sich auf hierarchiehohe Ebenen des kognitiven Textverständnisses. […] Mittels Lesestrategien kann der Leser bzw. die Leserin die im Text aufbereiteten Informationen erschließen, auftretende Verstehensschwierigkeiten bewusst wahrnehmen und meistern, das Gelesene in Verbindung mit eigenen Vorwissensstrukturen bringen und auf diese Weise ein inneres Gesamtkonstrukt, ein mentales Modell des Textes, bilden.“ (Rosebrock/Nix 2017, 73 f.)
Strategie | mögliche Leseziele |
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orientierendes Lesen: ein erster Überblick wird hergestellt (z. B. durch Heranziehen des Inhaltsverzeichnisses, der Überschriften, des Klappentextes, Aktivieren von Informationen über Autor und Kontext etc.) |
z. B. Text auf Tauglichkeit für eine Aufgabe prüfen, weitere Planung der Auswertung, Erwartungen an den Text formulieren |
navigierendes Lesen: Lesen, das durch Hypertexte oder Paratexte wie ein Inhaltsverzeichnis geleitet ist. |
z. B. gezielte Informationsentnahme, Hintergründe klären, Aufbau eines Textes erschließen |
vergleichendes Lesen: einen weiteren vergleichbaren Text lesen |
z. B. Textwahrnehmung schärfen, Text in eine Diskursfeld einordnen, Glaubwürdigkeit prüfen, Beschreibungskategorien entwickeln, Textvergleich ausarbeiten |
diskurs-/problemzentriertes Lesen
Strategie | mögliche Leseziele |
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selektives Lesen, Scanning (auch punktuelles Lesen): Ein Text wird gezielt im Hinblick auf Einzelinformationen gelesen. |
z. B. Information für eine Aufgabe gewinnen, Belegstelle für eine Aussagen finden |
diagonales Lesen (auch Querlesen): Ein Text wird überflogen mit dem Ziel, Schlüsselbegriffe zu entdecken. Einzelne Passagen werden daraufhin intensiver gelesen. |
z. B. Argumente für eine Position finden, Text in ein thematisches oder historisches Diskursfeld einordnen, Figurencharakterisierung |
textzentriertes Lesen
Strategie | mögliche Leseziele |
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Skimming (englisch to skim: abschöpfen, überfliegen): erste Leseeindrücke sammeln, Thema erfassen (Leitfragen: Schlüsselbegriffe? Was verraten Überschriften und Layout? Textsorte? Kontext(e)?) |
z. B. Zugang für eine genaueres Textverständnis gewinnen |
kursorisches Lesen: Der Text wird vollständig gelesen, mit dem Ziel alle wichtigen Informationen zu erfassen. Gegebenenfalls werden Anstreichungen vorgenommen und einzelne Passagen wiederholt gelesen. |
z. B. Gesamtaussage des Textes erfassen |
intensives Lesen: Zum besseren Verständnis wird ein Text immer wieder gelesen und alle Informationen genau geprüft |
z. B. Inhaltsangabe, szenische Umsetzung, Sachtextanalyse, Rezension, Deutungshypothese überprüfen, Interpretation |
formzentriertes Lesen: Sprache und formale Mittel beachten und für das Textverständnis fruchtbar machen |
z. B. Textvortrag, Sachtextanalyse, Analyse und Interpretation, Imitation |
elaboriertes Lesen: Leseprozess wird gezielt nach einem bestimmten Vorgehen organisiert, z. B. SQ3R/Fünf-Schritt-Lesemethode.
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