Didaktische Hinweise & Vernetzung
Didaktische Hinweise
Mit den Themen ‚Musik und Individualität in einer ökonomisierten bürgerlichen Gesellschaft‘, ‚Partnerschaft und Geschlechterstereotypien‘, ‚Kunst und ihr Stellenwert für Individuum und Gesellschaft‘, ‚Charakter und Lebenschancen‘ sind in Der arme Spielmann Anknüpfungspunkte gesetzt, die auch für jüngere Leserinnen und Leser im 21. Jahrhundert interessant sein können, da durch sie die überzeitliche Relevanz des fast 180 Jahre alten Textes deutlich wird. Darüber hinaus sind diese thematischen Anknüpfungspunkte didaktisch fruchtbar. Aufgrund der zwar nicht trivialen, aber gut ergründbaren doppelten Perspektivik, der spezifischen, doch nicht überkomplexen sprachlichen Darstellung und Erzählweise sowie einer vielschichtigen Symbolik erweist sich die Erzählung als ein geeigneter Text für die Oberstufe: Er eröffnet ein breites, analytisch sowie interpretatorisch ergiebiges Spektrum an Deutungsfacetten, die zudem über die christlich-mythologischen Subtexte und deren Symbolik zahlreiche Vertiefungsmöglichkeiten bieten. Angemessen ausführlich annotierte und mit prägnanten Sacherläuterungen versehene Taschenbuchausgaben, z.B. die 2021 neu aufgelegte Reclam-Ausgabe, ermöglichen eine erfolgreiche eigenständige Erstbegegnung durch Schülerinnen und Schüler der Kursstufe, die, durch entsprechende Begleitaufträge flankiert, z.B. Grobgliederung in Erzählphasen durch Zwischenüberschriften, Darstellung der Figurenkonstellation auf den beiden Zeitebenen, ein solides Primärverständnis für die dann einsetzende Unterrichtseinheit erzeugt. Die Einheit selbst könnte folgende Teilthemen enthalten:
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Die Rahmenerzählung
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Charakterisierung des Erzählers
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die christlichen, mythologischen und historischen Verweise bzw.Subtexte (Demeter-, Dionysos-Mythos, Revolutionsgeschehen, Volksaufstände, Restaurationsgesellschaft)
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das Verhältnis des Erzählers zu Jakob zwischen anthropologischem Interesse, Empathie und ökonomischem Warentausch
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die Konstellation Erzähler – Jakob – Barbara
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Die Binnenerzählung
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Charakterisierung Jakobs
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Jakob als Verkörperung Jesu (vgl. auch Lautähnlichkeit und Silbengleichheit)
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Jakobs Geschichte des sozialen Abstiegs (Verhältnis zum Vater / Phasen)
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Jakobs Beziehung zu Barbara (Phasen, Charakterisierung Barbaras, die Kuss-Episode)
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Symbolik
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der Ordnung und Abgrenzung (Scheibe, Kreidestrich)
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Geige
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Wortfeld: Wasser / Strömen
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Kunst und Musik zwischen Struktur und Textur, Funktionalität und Autonomie, Handwerk und Offenbarung, seelischer Erfüllung und Vermarktung, Radikalität und Gefälligkeit
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Intertextualität
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Erzähltradition der moralisierenden Beispielgeschichte (z.B. von Joseph Schreyvogel)
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Populäre Erzähltradition der ‚Physiologien‘ (z.B. Wien und die Wiener in Bildern aus dem Leben 1841-44)
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Goethe ‚Der Römische Karneval‘ (1789) und die Darstellung des Brigittenkirchtags
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Künstler- und Außenseiterfiguren bei:
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Gottfried Keller: Der Grüne Heinrich
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Thomas Mann: Der Tod in Venedig, Tristan, Der kleine Herr Friedemann
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Franz Kafka: Der Hungerkünstler, Die Verwandlung
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Thomas Bernhard: Wittgensteins Neffe, Minetti
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Robert Schneider: Schlafes Bruder
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Vernetzung
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siehe Intertextualität
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Frührealismus (Gustav Frank: Auf dem Weg zum Realismus. In: Christian Begemann (Hrsg.) Realismus. Epoche – Autoren – Werke. Darmstadt 2007, 27-44)
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Grillparzer, Dichter des Biedermeier (Gerhard Scheit: Franz Grillparzer. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1989)
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Die Erzählung im Kontext des Almanachs als Publikationsform (Iris. Deutscher Almanach für 1848. Hrsg. von Johann Grafen Mailáth. Neue Folge. Zweiter Jahrgang. Mit 6 Stahlstichen. Heckenast Leipzig [Erstdruck. Digitalisat bei ALO: Austrian Literature Online])
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Kulturgeschichte (Adalbert Stifter [Hrsg.]: Wien und die Wiener, in Bildern aus dem Leben. Pesth 1844.)
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Außenseiterfiguren (Adalbert Stifter: Kalkstein/Turmalin)
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Hero und Leander
Grillparzer: „Spielmann“: Herunterladen [pdf][195 KB]