Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Di­dak­ti­sche Hin­wei­se & Ver­net­zung

Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

Als Hin­füh­rung bie­tet es sich an, Vor­stel­lun­gen vom Ur­laub in Ita­li­en am Strand und Er­leb­nis­se mit der Hoch­kul­tur Ita­li­ens zu sam­meln, um die ei­gen­tüm­li­che At­mo­sphä­re in Torre de Ve­ne­re in den Blick zu be­kom­men. Al­ter­na­tiv lässt sich der Topos von der Ita­li­en­sehn­sucht der Deut­schen durch eine Be­spre­chung von Goe­thes Mi­gnons Lied the­ma­ti­sie­ren.

Eine Sich­tung der brief­li­chen Zeug­nis­se lässt Tho­mas Manns Fik­tio­na­li­sie­rung sei­nes Er­leb­ten und seine ver­schie­de­nen In­ter­pre­ta­ti­ons­an­sät­ze er­ken­nen (po­li­ti­scher ver­sus ethi­scher Zu­gang).

Um die un­an­ge­neh­me Stim­mung am Strand ein­zu­fan­gen, bie­tet sich eine ver­glei­chen­de Ana­ly­se der Kon­flik­te an. Als ge­mein­sa­mer Nen­ner kann her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den, dass sie alle die ‚über­hitz­te’ Ge­müts­la­ge der Ita­lie­ner mit ihrem pa­trio­tisch über­stei­ger­tem Wür­de­ge­fühl spie­geln. Es feh­len ver­nünf­ti­ge Ur­tei­le und Ori­en­tie­rungs­maß­stä­be auf­grund der Frem­den­feind­lich­keit der Ita­lie­ner. Der „Orts­dä­mon“ wird gleich­sam wie durch einen Brenn­spie­gel in der Dä­mo­nie Ci­pol­las fi­xiert. Blickt man auf die Er­zäh­ler­kom­men­ta­re wird deut­lich, dass der Er­zäh­ler sein Ver­blei­ben vor Ort be­schö­ni­gen möch­te und dass er aus der Re­tro­spek­ti­ve Sinn­zu­sam­men­hän­ge im Sinne der Le­ser­len­kung re­kon­stru­iert. Da­durch nimmt der Er­zäh­ler eine Dop­pel­rol­le ein: Er ist Ak­teur in der Ge­schich­te und er­zählt zu­gleich rück­bli­ckend und mit zeit­li­chem Ab­stand die Ge­schich­te. Die zu­nächst un­an­ge­neh­men, wenn auch re­la­tiv be­lang­los er­schei­nen­den Un­stim­mig­kei­ten am Ba­de­ort wer­den dem­entspre­chend von ihm auf­ge­la­den und zu Vor­bo­ten der Ka­ta­stro­phe sti­li­siert. Eine Ana­ly­se des Wet­ters und sei­ner Um­schwün­ge kann dar­auf ab­zie­len, die Na­tur­wüch­sig­keit der Er­eig­nis­se als Sug­ges­ti­on zu ent­lar­ven. Auf die „of­fe­ne Glut“ am Strand fol­gen die „Sci­roc­co­schwü­le“ und ein „schwäch­li­cher Regen“. Auf dem Weg zur Zau­ber­vor­stel­lung wer­den noch­mals die Schwü­le, das Wet­ter­leuch­ten und der Regen er­wähnt. Die De­no­ta­tio­nen, die Schüs­se auf Ci­pol­la wer­den wie ein rei­ni­gen­des Don­nern im Rah­men eines Ge­wit­ters sti­li­siert und somit als in der Natur der Dinge lie­gend dar­ge­stellt. Die At­mo­sphä­re ist von An­fang an „ge­la­den“ und wird durch die Pis­to­len­schüs­se gleich­sam ent­la­den.

Um sich der Be­son­der­heit des Zau­be­rers Ci­pol­la mit sei­nem spre­chen­den Namen (ita­lie­nisch „Zwie­bel“) zu nä­hern, bie­tet sich ein Blick auf be­kann­te Zau­be­rer an (wie etwa Hou­di­ni, Gan­dalf, Harry Pot­ter u.a.), von denen er sich als Hyp­no­ti­seur und Wil­lens­bre­cher deut­lich un­ter­schei­det. Sein Auf­tre­ten mit Reit­peit­sche als Sym­bol sei­ner Herr­schaft, die gleich­sam der Bän­di­gung sei­nes Pu­bli­kums dient, kann mit Bil­dern Mus­so­li­nis oder der Zau­be­rin Kirke mit Peit­sche ver­gli­chen wer­den. Aus­ge­hend hier­von las­sen sich Texte zur Zeit Mus­so­li­nis und zum Fa­schis­mus in Ita­li­en sich­ten oder auch die my­tho­lo­gi­schen Be­zü­ge zu Kirke im Text auf­ar­bei­ten.

Zur in der No­vel­le eben­falls ver­han­del­ten The­ma­tik Füh­rer und Masse las­sen sich Texte von Le Bon (Psy­cho­lo­gie der Mas­sen, 1895) und Freud (Mas­sen­psy­cho­lo­gie und Ich-Ana­ly­se) u.a. ver­glei­chend bei­zie­hen.

Ein Ver­gleich mit der Ver­fil­mung Klaus Maria Bran­dau­ers ist loh­nens­wert, da im Film ein völ­lig an­de­res Ende ge­zeigt wird. Denn der Zau­be­rer über­lebt in der Ver­fil­mung, an sei­ner Stel­le wird Mario ge­tö­tet. Indem sich Ci­pol­las Be­geh­ren auf eine Frau, näm­lich Sil­ves­tra kon­zen­triert, wird seine Kon­kur­renz zu Mario noch­mals her­vor­ge­ho­ben. Gleich­zei­tig wird das in der No­vel­le an­klin­gen­de ho­mo­ero­ti­sche Be­geh­ren aus­ge­blen­det. Mög­li­cher­wei­se lässt sich der Schluss des Films auch als Sieg des Fa­schis­mus deu­ten.

Ver­net­zung

  • E.T.A. Hoff­mann Der Sand­mann (Cop­pe­li­us und Cop­po­la gel­ten als Vor­bil­der für Ci­pol­la)

  • Tho­mas Mann: Felix Krull

  • Ber­tolt Brecht: Ar­turo Ui

  • Hein­rich Mann: Die klei­ne Stadt

  • Hein­rich Mann: Der Un­ter­tan

Text­aus­ga­be:

Tho­mas Mann: Mario und der Zau­be­rer. Ein tra­gi­sches Rei­se­er­leb­nis. Frank­furt am Main (Erst­druck 1930) 2010.

Mann: „Ma­ri­on und der Zau­be­rer“: Her­un­ter­la­den [pdf][176 KB]