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Wil­helm Raabe: Stopf­ku­chen – Eine See- und Mord­ge­schich­te (1891)

Emp­feh­lung für das Leis­tungs­fach

Kurz­in­for­ma­ti­on

Der strickende Wachposten, ein Gemälde von Carl Spitzweg aus dem Jahr 1855

Carl Spitz­weg 039.​jpg: Der stri­cken­de Wach­pos­ten von Carl Spitz­weg (The Yorck Pro­ject (2002) 10.000 Meis­ter­wer­ke der Ma­le­rei (DVD-ROM), dis­tri­bu­ted by DI­RECT­ME­DIA Pu­blis­hing GmbH. ISBN: 3936122202.) [ge­mein­frei] via Wi­ki­me­dia

Der Aus­wan­de­rer Edu­ard kehrt nach vie­len Jah­ren in sein preu­ßi­sches Hei­mat­städt­chen zu­rück. Dort sucht er ei­ni­ge Tage nach sei­ner An­kunft sei­nen ehe­ma­li­gen Mit­schü­ler Hein­rich Schau­mann auf. Wegen sei­ner Kör­per­fül­le hat man Schau­mann in der Schu­le als „Stopf­ku­chen“ ver­spot­tet und aus­ge­grenzt. Schau­mann er­zählt Edu­ard, wie sich sein Leben nach der leid­vol­len Schul­zeit in­zwi­schen zum Bes­se­ren ge­wen­det hat. Er hat ge­hei­ra­tet und ist sogar Herr über ein klei­nes Land­gut, das ihm sein Schwie­ger­va­ter ver­macht hat. Lange hat man Schau­mann und seine Fa­mi­lie in der Klein­stadt aus­ge­grenzt, weil sein Schwie­ger­va­ter des Mor­des an einem Pfer­de­händ­ler ver­däch­tig ge­we­sen ist. Im Ge­spräch mit Edu­ard ent­hüllt Schau­mann je­doch sein bis­lang ver­schwie­ge­nes Wis­sen über den tat­säch­li­chen Mör­der. Tief be­wegt von der Be­geg­nung mit sei­nem ehe­ma­li­gen Mit­schü­ler ver­lässt Edu­ard Preu­ßen und se­gelt zu­rück in seine Wahl­hei­mat Süd­afri­ka. Noch auf dem Schiff schreibt er seine Er­leb­nis­se nie­der.

Der recht un­spek­ta­ku­lä­re Plot der Er­zäh­lung kann leicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass Raabe mit sei­nem be­kann­tes­ten Roman the­ma­tisch und auch er­zähl­tech­nisch Neu­land be­tritt. Lange blieb dies auch der Raabe-For­schung ver­bor­gen, die den Stopf­ku­chen vor­nehm­lich als mo­ra­li­sie­ren­de Kri­tik am Pro­vin­zia­lis­mus des Kai­ser­reichs mit Schau­mann als an­ti­bür­ger­li­chem Hel­den ge­le­sen hat. Neue­re Les­ar­ten ver­wei­sen je­doch auf die er­zäh­le­ri­sche Raf­fi­nes­se Raa­bes, der die preu­ßi­sche Pro­vinz mit dem süd­afri­ka­ni­schen Ko­lo­nia­lis­mus ver­klam­mert. Vor allem die Ti­tel­fi­gur, die nur vor­der­grün­dig als Sym­pa­thie­trä­ger an­ge­legt ist, ent­puppt sich ganz wie ihr ko­lo­nia­les Spie­gel­bild Edu­ard als schi­zo­phre­nes Opfer einer ge­walt­vol­len So­zia­li­sa­ti­on (vgl. Baß­ler, Win­kels, 2019). Raa­bes kom­ple­xes Er­zähl­ge­flecht aus ver­schie­de­nen geo­gra­phi­schen und zeit­li­chen Ebe­nen macht den Roman in un­ge­wöhn­li­cher Weise an­schluss­fä­hig an zeit­ge­nös­si­sche wie ak­tu­el­le De­bat­ten (Ideo­lo­gie­kri­tik, Dis­kri­mi­nie­rungs­dis­kur­se, ge­sell­schaft­li­che Zer­rüt­tung, Post­ko­lo­nia­lis­mus).

Text­aus­ga­ben:

Wil­helm Raabe: Stopf­ku­chen. Eine See- und Mord­ge­schich­te. Text­aus­ga­be mit An­mer­kun­gen, Wort­er­klä­run­gen, Li­te­ra­tur­hin­wei­sen und einem Nach­wort von Alex­an­der Rit­ter, Stutt­gart 1986 (= Re­clam Uni­ver­sal-Bi­blio­thek 9393)

Wil­helm Raabe: Stopf­ku­chen. Eine See- und Mord­ge­schich­te Edi­ti­on Holzin­ger. Ta­schen­buch. Ber­li­ner Aus­ga­be, Ber­lin 2016

Raabe: „Stopf­ku­chen“: Her­un­ter­la­den [pdf][208 KB]

Wei­ter zu In­halt