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Di­dak­ti­sche Hin­wei­se & Ver­net­zung

Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

In ihrem zum 200. Ge­burts­tag Stif­ters im Jahr 2005 er­schie­ne­nen Band über Stif­ter in der Schu­le füh­ren die ös­ter­rei­chi­schen Di­dak­ti­ker Gott­wald, Scha­cher­rei­ter und Win­ter­stei­ner die feh­len­de Re­so­nanz Stif­ters im schu­li­schen Kanon auf das bie­der­mei­er­li­ches Image Stif­ters zu­rück. Sie ver­wei­sen dar­auf, dass die ober­fläch­li­che schu­li­sche Re­zep­ti­on vor allem in den 1950er und 60er Jah­ren selbst für diese Zu­schrei­bung ver­ant­wort­lich zeich­net. Der Glau­be an tech­ni­schen Fort­schritt und den „Au­to­ma­tis­mus einer ge­sell­schaft­li­chen Wei­ter­ent­wick­lung“ habe den Blick dafür ver­stellt, dass Stif­ters Werk oft mit den Haar­ris­sen einer sich immer stär­ker be­schleu­ni­gen­den und dar­über un­si­cher wer­den­den Ge­sell­schaft aus­ein­an­der­setzt und auch einen Blick für die öko­lo­gi­sche Kon­se­quen­zen eines ge­stör­ten Ver­hält­nis­ses zwi­schen Natur und Mensch auf­weist (Gott­wald et al. 2005). Häu­fig un­ter­schätzt wird zudem der den zeit­ge­nös­si­schen Le­se­ge­wohn­hei­ten dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­te poe­to­lo­gi­sche An­satz Stif­ters mit sei­ner Fo­kus­sie­rung auf das Ephe­me­re, die stark mit den da­mals do­mi­nan­ten Gran­des Nar­ra­ti­ves (z. B. in den Wer­ken Gus­tav Frey­tags) kon­tras­tiert. Die Mo­der­ni­tät sol­cher dar­stel­le­ri­schen Fest­le­gun­gen Stif­ters wurde be­reits von Au­to­ren der Klas­si­schen Mo­der­ne wie Franz Kafka und Tho­mas Mann be­wun­dert. Be­son­ders in­ter­es­sant wird Stif­ter aber vor allem für ös­ter­rei­chi­sche Au­to­ren der Nach­kriegs­ge­ne­ra­ti­on wie Tho­mas Bern­hard oder Peter Hand­ke (Die Ge­schich­te des Blei­stifts). Deren kon­zep­tu­el­le Be­mü­hun­gen um eine sprach­kri­ti­sche Li­te­ra­tur, die ohne „große Stof­fe“ aus­kommt und die ihre Ge­schich­ten eher „fin­det“ als kon­stru­iert, be­ruft sich neben Witt­gen­steins Trac­ta­tus lo­gi­co-phi­lo­so­phi­cus und Kon­zep­ten des Nou­veau Roman immer auch auf Stif­ter (vgl. Stif­ter Hand­buch, s. v. „Re­zep­ti­on und Wir­kung“).

In fach­di­dak­ti­scher Hin­sicht bie­tet es sich an, Stif­ters spe­zi­fi­schen Zu­gang zur Li­te­ra­tur und auch des­sen Re­zep­ti­on in der Nach­kriegs­zeit im Rah­men eines pro­duk­ti­ons­ori­en­tier­ten Li­te­ra­tur­un­ter­richts auf­zu­grei­fen (vgl. Bleck­wenn 1996). So lie­ßen sich bei­spiels­wei­se ex­tre­men Raf­fun­gen in Tur­ma­lin (z. B. bei der Schil­de­rung des Ehe­bruchs und des­sen un­mit­tel­ba­rer Fol­gen) über Um­schrei­bun­gen von Kurz­ge­schich­ten aus den 50er Jah­ren oder an­de­ren Pro­sa­tex­ten der Zeit üben, an­de­rer­seits fin­den sich in Tur­ma­linauch aus­führ­li­che und de­tail­rei­che Dar­stel­lun­gen von Ar­chi­tek­tur, die als Vor­la­ge für ei­ge­ne Schreib­ver­su­che zum Thema die­nen und durch die Lek­tü­re von Kaf­kas Der Bau (1923) als zu­sätz­li­chen Im­puls ver­tieft wer­den könn­ten.

Wei­te­re di­dak­tisch loh­nen­de Er­ar­bei­tun­gen:

  • Ver­gleich mit zwei wei­te­ren frü­hen Groß­stadt­tex­ten der deut­schen Li­te­ra­tur wie E.T.A. Hoff­manns „phy­sio­lo­gi­scher“ (H. Schlaf­fer) Ber­lin-No­vel­le Des Vet­ters Eck­fens­ter (1822) als Bei­spiel für pan­ora­ma­ti­sches Er­zäh­len mit der Schil­de­rung vie­ler Mi­nia­tur­sze­nen und er­fun­de­ner Ge­schich­ten zu den Vor­bei­lau­fen­den sowie dem Tur­ma­lin mo­ti­visch eng ver­wand­ten Der arme Spiel­mann von Franz Grill­par­zer (1848)

  • Ver­gleich der Figur des „Mäd­chen mit dem gro­ßen Kopf“ in Tur­ma­lin mit Nar­ra­ti­ven des Wech­sel­balgs und des „frem­den Kin­des“ als Chif­fren für das Er­zäh­len im 18. Jahr­hun­dert und der Ro­man­tik (Tieck: Elfen(1811 ), E. T. A. Hoff­mann Das frem­de Kind (1819) sowie der Ditha in Stif­ter Ab­di­as (1842))

  • Sprach­kri­tik in Tur­ma­lin und Kas­par(1968)von Peter Hand­ke

  • The­ma­tik „Kas­par Hau­ser“: Aus­zü­gen aus An­selm Feu­er­bachs Schrift Kas­par Hau­ser (1829), Film Kas­par Hau­ser (1993); Ver­tie­fun­gen zu The­ra­pie­me­tho­den in der ers­ten Hälf­te des 19 Jh.: Aus­zü­ge aus Jean Paul Die un­sicht­ba­re Loge (1793) sowie aus Stif­ter Kat­zen­sil­ber(1853)

  • Art Cru – Flö­ten­spiel des Rentherrn und des­sen Toch­ter, Armer Spiel­mann

Ver­net­zung

  • Jean Paul Die un­sicht­ba­re Loge (1793)

  • Franz Grill­par­zer Der arme Spiel­mann (1848)

  • E.​T.​A.​Hoff­mann Das frem­de Kind(1819), Des Vet­ters Eck­fens­ter (1822)

  • An­selm Feu­er­bach Der Fall Kas­par Hau­ser(1832)

  • Peter Hand­ke Kas­par (1968)

Text­aus­ga­ben:

Adal­bert Stif­ter: Tur­ma­lin. Wei­tra (A) 1996 (Bi­blio­thek der Pro­vinz, Bd. 1)

Adal­bert Stif­ter: Bunte Stei­ne. Stutt­gart 1994

Stif­ter: Bunte Stei­ne II (Spre­cher: Heiko Ru­precht, MP3-Down­load), Stutt­gart 2018

Stif­ter: „Tur­ma­lin“: Her­un­ter­la­den [pdf][224 KB]