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In­halt

Wäh­rend es drau­ßen stürmt, haben sich drei Per­so­nen auf einer Rit­ter­burg im Harz zu einem Ka­min­ge­spräch ver­sam­melt. Neben dem Ehe­paar Eck­bert und Ber­tha, den Be­sit­zern der Burg, ist noch deren guter Freund Phil­ipp Walt­her zu­ge­gen. Eck­bert hat mit sei­nem schlich­ten „hell­blon­den Haar“ und sei­nem „blas­sen ein­ge­fal­le­nen Ge­sich­te“ ein kränk­li­ches Aus­se­hen. Seine schwa­che kör­per­li­che Kon­sti­tu­ti­on deu­tet eben­so wie die un­ge­woll­te und ge­mein­sam be­trau­er­te Kin­der­lo­sig­keit der Gast­ge­ber auf eine Stö­rung der Le­bens­ver­hält­nis­se hin. Als Ein­dring­ling in die star­re Zwei­sam­keit kommt dem Freund Walt­her eine be­son­de­re Rolle zu, denn er durch­bricht die „stil­len Me­lan­cho­lie“ des Paa­res und fun­giert für beide als wich­tigs­te Ver­bin­dung zur Au­ßen­welt. Die­ser Be­deu­tung Walt­hers ist sich of­fen­bar auch Eck­bert be­wusst. Er äu­ßert den Wunsch, dass es zwi­schen dem Paar und dem Freund keine Ge­heim­nis­se mehr geben soll: ein Ver­trau­ens­be­weis ge­gen­über Walt­her. Auf Eck­berts aus­drück­li­che Bitte hin er­zählt Ber­tha an die­sem Abend die bis­lang ver­schwie­ge­ne „selt­sa­me“ Ge­schich­te ihrer Ju­gend. Schon zu Be­ginn ihrer Aus­füh­run­gen be­tont Ber­tha, dass es sich bei der Er­zäh­lung nicht um ein „Mär­chen“ hand­le, „so son­der­bar sie auch klin­gen mag“. Sie schil­dert dann, wie sie schon als klei­nes Kind von ihrem (Pfle­ge-)Vater, einem armen Hir­ten, „auf die grau­sams­te Art“ miss­han­delt wurde, weil sie an­geb­lich zu nichts Nutze ge­we­sen sei. Die Si­tua­ti­on ver­schlim­mert sich schließ­lich so sehr, dass sie die Ge­walt nicht mehr er­tra­gen kann. Be­reits im Alter von acht Jah­ren flieht sie aus dem hei­mat­li­chen Dorf. Ohne Rast und Ziel ent­fernt sie sich auf ihrer Flucht immer wei­ter vom El­tern­haus; le­bens­not­wen­di­ge Dinge muss sie sich er­bet­teln. Schließ­lich über­schrei­tet sie die Gren­ze jeg­li­cher Zi­vi­li­sa­ti­on und ge­langt in eine le­bens­feind­li­che Wild­nis. Ori­en­tie­rungs­los ge­wor­den er­klimmt sie mit letz­ter Kraft einen stei­len Fel­sen. Der er­hoff­te Aus­blick auf einen Aus­weg bleibt ihr wegen des Ne­bels je­doch ver­sagt. Am Null­punkt ihrer jun­gen Exis­tenz an­ge­langt, stellt sie sich den­noch mit letz­ter Kraft dem Tod ent­ge­gen. Sie zwingt sich wei­ter­zu­ge­hen und ge­langt wenig spä­ter tat­säch­lich in mil­de­re Land­schaf­ten. Der erste Mensch, der ihr be­geg­net, ist eine wun­der­li­chen Alte. Diese ver­sorgt sie in einem Akt christ­li­cher Barm­her­zig­keit mit Brot und Wein und nimmt sie schließ­lich in ihrer klei­nen Hütte auf, in der auch ein klei­ner Spitz und ein ma­gi­scher Vogel leben. Das ku­rio­se Wesen der Alten, die mit kräch­zen­der Stim­me singt, sich trotz Krück­stocks be­hän­de be­wegt und deren Ge­sicht kon­tu­ren­los bleibt, sät kein Miss­trau­en. Viel­mehr ent­wi­ckelt sich eine enge Be­zie­hung zwi­schen Ber­tha und der Frau, die das Mäd­chen in Haus­halts­din­gen und Hand­ar­beit an­lei­tet. Bald ist Ber­tha in der Lage, den klei­nen Haus­halt selbst­stän­dig zu füh­ren. Dies er­öff­net der Alten die Ge­le­gen­heit, aus­wär­ti­gen Be­sor­gun­gen nach­zu­ge­hen. Vier Jahre lang leben beide so zu­sam­men. Ber­tha lernt schließ­lich sogar das Lesen. Als sie zwölf Jahre ge­wor­den ist, ent­deckt ihr die alte Frau das Ge­heim­nis des Vo­gels. Die­ser kann nicht nur ein wun­der­li­ches Lied von der „Wald­ein­sam­keit“ sin­gen, son­dern legt auch Eier, in denen sich Dia­man­ten oder Per­len ver­ber­gen. In der Wild­nis sind diese Schät­ze je­doch ohne Wert. Noch zwei Jahre lebt Ber­tha bei der Frau, die immer län­ger für ihre Be­sor­gun­gen fort­bleibt. Zu­neh­mend wird das Mäd­chen je­doch von gro­ßer Un­ru­he er­fasst. Die „wun­der­ba­ren Ge­schich­ten“ aus den Bü­chern der Alten las­sen sie die Mög­lich­kei­ten eines Le­bens au­ßer­halb der Wald­idyl­le er­ah­nen. Vor allem aber er­träumt sie sich die Liebe eines Man­nes. Eines Tages ent­schließt sie sich un­ver­mit­telt zur er­neu­ten Flucht. Den wert­vol­len Vogel nimmt sie mit sich, wäh­rend sie den er­bärm­lich win­seln­den Hund, an des­sen Namen sich Ber­tha wäh­rend ihrer Er­zäh­lung nicht er­in­nern kann, zu­rück­lässt. Nach ei­ni­gen Ta­ges­mär­schen ge­langt sie in ihr altes Dorf zu­rück. Dort er­fährt sie, dass ihre El­tern nicht mehr am Leben sind. Dar­auf­hin be­schließt Ber­tha, sich mit Hilfe der wert­vol­len Vo­gel­ei­er in einer na­he­ge­le­gen Stadt eine Exis­tenz auf­zu­bau­en. Ge­trübt wird die Idyl­le durch das Lied des Vo­gels, der sie immer lau­ter an die „Wald­ein­sam­keit“ und die be­tro­ge­ne Alte er­in­nert. Ber­tha ver­sucht sich von ihren Ge­wis­sens­bis­sen zu be­frei­en, indem sie den Vogel tötet. Den er­träum­ten „schöns­ten Rit­ter der Welt“ fin­det sie im blas­sen Eck­bert, mit dem sie sich bald ver­mählt. Damit endet die Er­zäh­lung. Walt­her ver­ab­schie­det sich und geht zu Bett. In sei­nem Ab­schieds­gruß nennt er un­ver­mit­telt den Namen des Hun­des, Stroh­mi­an, an den sich Ber­tha zuvor nicht er­in­nern konn­te. Vol­ler Ent­set­zen fällt Ber­tha dar­auf­hin in tiefe De­pres­si­on und kör­per­li­ches Un­wohl­sein. Das Ehe­paar reut es nun bit­ter­lich, Walt­her ins Ver­trau­en ge­zo­gen zu haben. Wäh­rend sich der Zu­stand Bert­has ver­schlech­tert, er­greift Eck­bert „ohne zu wis­sen, was er tut“, eine Arm­brust und er­schießt Walt­her bei der Jagd. Ber­tha er­fährt vom Tod Walt­hers nicht mehr. Wäh­rend Eck­bert und Walt­her bei der Jagd ge­we­sen sind, ist sie vor Kum­mer und Scham ge­stor­ben. Ge­plagt von Selbst­vor­wür­fen ver­lässt Eck­bert die Burg und be­gibt sich in die nächs­te Stadt. Dort ver­sucht er sich zu zer­streu­en, indem er Tanz­ver­an­stal­tun­gen und Feste be­sucht. Ein jun­ger Mann, Hugo, schließt sich ihm an und ge­winnt schnell sein Ver­trau­en. Eck­bert er­zählt ihm bei einem ge­mein­sa­men Aus­ritt von den tra­gi­schen Vor­fäl­len um Ber­tha und Walt­her. Seine Ver­trau­ens­be­weis ge­gen­über Hugo stärkt aber wie zuvor bei Walt­her ge­ra­de nicht die Freund­schaft, son­dern ver­kehrt sie in ihr Ge­gen­teil. Eck­berts Ab­nei­gung ge­gen­über Hugo wächst aus un­er­klär­li­chen Grün­den; Wahr­neh­mung und Er­in­ne­rung ver­schwim­men, so­dass ihm schließ­lich Walt­her und Hugo als ein und die­sel­be Per­son er­schei­nen. Miss­trau­isch ge­wor­den, be­schließt er zu flie­hen. Ein Bauer, der ihm spä­ter wie Wal­ter vor­kommt, weist ihm den Weg in die Wald­idyl­le aus Bert­has Ge­schich­te. Dort trifft er auf den Hund, den sin­gen­den Vogel und Walt­her, der sich ihm in Ge­stalt der Alten zeigt. Diese er­öff­net ihm das letz­te Ge­heim­nis. Eck­bert und Ber­tha seien Ge­schwis­ter; beide ent­stamm­ten dem­sel­ben Rit­ter­ge­schlecht. Ber­tha sei je­doch in die Obhut des Hir­ten ge­ge­ben wor­den, weil sie ein un­ehe­li­ches Kind ge­we­sen sei. Als Eck­bert dies er­fährt, ver­fällt er dem Wahn­sinn und stirbt.

Text­aus­ga­ben:

Tieck, Lud­wig: Der blon­de Eck­bert / Der Ru­nen­berg. Ham­bur­ger Le­se­heft Nr. 228. Ham­burg 2011

Tieck, Lud­wig: Der blon­de Eck­bert / Der Ru­nen­berg. Text­aus­ga­be mit Kom­men­tar und Ma­te­ria­li­en: Re­clam XL – Text und Kon­text. Hg. v. Uwe Jan­sen, Stutt­gart 2018

Tieck: „Der blon­de Eck­bert“: Her­un­ter­la­den [pdf][228 KB]