Einige Anmerkungen zur Bedeutung körpersprachlicher Signale für die zwischenmenschliche Kommunikation
Schon Friedrich Schiller schrieb in seiner medizinischen Dissertation über den Zusammenhang von Körper und Geist Folgendes:
"Durch eben diesen Nervenzusammenhang, welcher, wie wir hören, bei der Mitteilung der Empfindungen zu Grund liegt, werden die geheimsten Rührungen der Seele auf der Außenseite des Körpers geoffenbart und die Leidenschaft dringt selbst durch den Schleier des Heuchlers." 1
Was Schiller hier formuliert, ist nichts anderes als die alte Erkenntnis, dass es fast unmöglich ist, körpersprachlich zu lügen.
Wir sind neurobiologisch darauf geeicht, körpersprachliche Signale ernster zu nehmen als verbale.
Heute wissen wir, dass jeder Mensch neurobiologisch darauf "geeicht" ist, intuitiv und unbewusst die körpersprachlichen Signale seiner Mitmenschen wahrzunehmen und zu entschlüsseln. Diese Wahrnehmung erfährt eine präreflexive Bewertung, aus der man dann seine Schlüsse zieht, wie der andere seine Beziehung zu einem selbst definiert und ob das für einen selbst eine Gefahr (Ärger, Stress) oder ein Vergnügen in Aussicht stellt. Das wiederum steht in einem stetigen Rückkopplungsprozess zu meiner eigenen Beziehungsdefinition und zu meinem Verhalten, das ich an den Tag lege, woraus der andere wiederum seine Schlüsse zieht usw.
Das „echte“ und das „falsche“ Lächeln
In neuen Forschungen hat man herausgefunden, woran man intuitiv und unterbewusst ein falsches von einem herzlich gemeinten Lächeln unterscheiden kann:
"Ein falsches Lächeln - zu dem man sich aus gesellschaftlichen Gründen zwingt - stimuliert lediglich die Jochbeinmuskeln im Gesicht, die, wenn man die Lippen schürzt, die Zähne entblößen. Im Gegensatz dazu mobilisiert ein "echtes" Lächeln zusätzlich die Muskeln um die Augen herum. Diese lassen sich nicht willentlich, mittels des kognitiven Gehirns, zusammenziehen. Der Befehl dazu muss aus dem primitiven, tief liegenden limbischen System kommen. Deshalb lügen Augen nie: Die Kräuselung um sie herum zeigt, ob ein Lächeln echt oder falsch ist. An einem herzlichen, einem echten Lächeln merken wir intuitiv, ob unser Gesprächspartner sich genau in diesem Augenblick in einem Zustand der Harmonie zwischen dem, was er denkt, und dem, was er fühlt, zwischen Kognition und Emotion befindet." 2
Das „Liebes-Laboratorium“ in Seattle
"An der Universität Seattle gibt es ein Love Lab, wo sich Ehepaare von Prof. Gottman emotional unter die Lupe nehmen lassen können. Prof Gottman kann aus der exakten Video-Analyse eines Streits zwischen einem Ehepaar mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90 % vorhersagen, ob die Ehe halten wird oder in den nächsten Jahren mit einer Scheidung zu rechnen ist. Bei den Ehepaaren im Love Lab genügt ein Wort zuviel, ein verächtliches Zucken um den Mundwinkel, das einem nicht ganz aufmerksamen Beobachter kaum auffällt - und schon stieg der Blutdruck. Eine wohl platzierte Spitze, gewürzt mit einer Spur Verachtung und der Herzschlag des Adressaten schnellte auf über 110 Schläge pro Minute hoch." 3
Die Stimme - ein hochrelevater Kommunikationskanal - signalisiert in Kombination mit Gestik und Mimik wie der Lehrer - oft unbewusst - die Beziehung zu seinen Schülern definiert.
Ein weiterer, für die zwischenmenschliche Kommunikation hochrelevanter, nonverbaler Bedeutungsträger ist die Stimme. Schon kleinste Signale geben darüber Auskunft, wie sich der Sprecher gerade fühlt, wie er die Beziehung zum Gesprächspartner definiert und was er ihm - oft genug unter- oder unbewusst – mitteilen will. Ein Seufzer zwischen den Sätzen, eine mit leicht weinerlichem Unterton vorgetragene Mitteilung appelliert an den Zuhörer eventuell: „Hab Mitleid mit mir - ich hab´s grade so schwer!“ Eine leise Stimme, kraftlos und ohne Spannkraft, könnte die Botschaft enthalten: „Ich kann nicht mehr!“ Eine leise Stimme, gekoppelt mit einer angespannten, kontrollierten Mimik könnte auf eine innere Spannung hindeuten, vielleicht eine Aggressivität, die bewusst zurückgehalten wird.
Der allseits bekannte „Unterton“ in der Stimme ist fast noch eindeutiger zu entschlüsseln als der viel sagende Blick. Genau wie mit bestimmten Blickverhalten gekoppelte Gesichtsausdrücke, können auch mit Hilfe zahlreicher Stimmvariationen eine breite Palette von Gefühlen kommuniziert werden, die zumeist Beziehung definierende Funktion haben oder auf der Ebene der Selbstmitteilung liegen.
Wer im Konfliktfall immer den Deckel der Sachlichkeit auf die Schlangengrube der Gefühle presst, verliert an Glaubwürdigkeit
Schüler, die ja in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Lehrern stehen, haben ein äußert feines „Radar“ für die Entschlüsselung der unausgesprochenen Mitteilungen, die allein in der Lehrerstimme liegen. Ein nicht verbal geäußerter Ärger, eine Enttäuschung, eine Irritation zeigen sich oft im Tonfall, gekoppelt mit einem bestimmten Blickverhalten. Die hinter Worten verborgenen wahren Gefühle erkennen die Schüler oft mit schlafwandlerischer Sicherheit. Sie erfahren daraus mehr über die wahre Einstellung ihrer Lehrer ihnen gegenüber, als aus den rational gesteuerten verbalen Verlautbarungen. Der Lehrer, die sich im Konfliktfall nur auf das bezieht, was er in Worten gesagt hat, verliert an Glaubwürdigkeit. In diesem Fall wissen es die Schüler nämlich besser wie es um die Beziehung bestellt ist, und sie wissen, dass sie Recht haben.
Es sind die Feinheiten, auf die es ankommt
Es sind also die winzigen körpersprachlichen Feinheiten, für die wir uns sensibilisieren müssen, um hinter die groben Worte blicken zu können, so dass wir immer besser erkennen, wie das Gesagte eigentlich gemeint war.
1
Engelmann/Kaiser, Möglichst Schiller - Ein Lesebuch, Reihe Hanser bei dtv
2
David Servan-Schreiber, Die neue Medizin der Emotionen, Goldmann 2006, S. 46
3
Ders. ebenda S. 220f