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Neue Me­tho­den zum Ge­dan­ken­le­sen

Auch wenn die Hirn­for­scher nicht unter den ers­ten Plät­zen des „Brain In­ter­pre­ta­ti­on"-Wett­be­werbs ver­tre­ten waren, be­wegt sich doch ei­ni­ges an der For­schungs­spit­ze der ko­gni­ti­ven Neu­ro­wis­sen­schaft, um die neu­ro­na­len Grund­la­gen von Denk­pro­zes­sen zu ver­ste­hen. Neue­re mul­ti­va­ria­te Aus­wert­me­tho­den be­schrän­ken sich nicht dar­auf, ge­mit­tel­te Si­gnal­stär­ke ein­zel­ner Voxel oder Re­gio­nen auf ihre Kor­re­la­ti­on mit einem Sti­mu­lus oder einer Auf­ga­be zu un­ter­su­chen. Statt­des­sen su­chen sie in Ge­hirn­auf­nah­men einer be­stimm­ten Zeit­span­ne nach spe­zi­fi­schen Mus­tern ak­ti­vier­ter Voxel in einem be­stimm­ten Hirn­be­reich. Diese Er­geb­nis­se kön­nen dabei hel­fen, un­ge­lös­te Fra­gen der neu­ro­na­len In­for­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung zu lösen, bei­spiels­wei­se ob diese eher mo­du­lar und lokal funk­tio­niert (27, 28) oder ho­lis­tisch und räum­lich ver­teilt (29, 30). Die Ver­fah­ren, die dabei zum Ein­satz kom­men, wer­den schon bei zahl­rei­chen prak­ti­schen An­wen­dun­gen zur Mus­ter­er­ken­nung ver­wen­det, etwa der au­to­ma­ti­schen Ge­sichts­er­ken­nung oder der Ana­ly­se von DNA In­for­ma­ti­on. Dabei funk­tio­nie­ren die Aus­wer­te­pro­gram­me, zum Bei­spiel die „Sup­port Vec­tor Ma­chi­nes" (SVM) (31, 32), nach dem fol­gen­den Ver­fah­ren: Zu­nächst sucht der Al­go­rith­mus mit einer Reihe von Trai­nings­da­ten­sät­zen nach Zu­sam­men­hän­gen in der Ak­ti­vie­rung der ein­zel­nen Da­ten­punk­te, dem Mus­ter. Dafür muss man je­doch nicht nur die Da­ten­punk­te selbst, son­dern auch In­for­ma­ti­on dar­über in das Sys­tem füt­tern, wel­che ex­pe­ri­men­tel­le Be­din­gung zu wel­chen Daten ge­hört. Ist die Trai­nings­pha­se ab­ge­schlos­sen, ver­wen­det man idea­ler­wei­se einen neuen Da­ten­satz, um die Klas­si­fi­ka­ti­on des Al­go­rith­mus zu über­prü­fen. Hat die­ser für be­stimm­te Da­ten­punk­te ein Mus­ter er­kannt, wird er mit einer ge­wis­sen Wahr­schein­lich­keit be­stim­men kön­nen, wel­che ex­pe­ri­men­tel­le Be­din­gung bei der Auf­nah­me die­ses Da­ten­sat­zes vor­lag. Ge­lingt das mit hoher Ge­nau­ig­keit, so kann man dar­auf schlie­ßen, dass das Mus­ter der neu­ro­na­len Ver­ar­bei­tung an die­sem Ort, über meh­re­re Da­ten­punk­te ver­teilt, spe­zi­fisch mit der ex­pe­ri­men­tel­len Auf­ga­be ver­bun­den ist (Abb. 1).

Kon­kret haben David Cox und Ro­bert Savoy dies bei­spiels­wei­se mit zehn ver­schie­de­nen Ob­jekt­ka­te­go­ri­en durch­ge­führt, zu denen je­weils zwölf grau­stu­fi­ge Fotos ge­hör­ten. Den Ver­suchs­per­so­nen wur­den in Blö­cken von 20 Se­kun­den Länge zehn zu­fäl­lig ge­wähl­te Fotos aus einer die­ser Ka­te­go­ri­en ge­zeigt, bei­spiels­wei­se zehn Fotos von Tee­kan­nen, Gar­ten­zwer­gen, Kühen oder Pfer­den. Zu­sätz­lich zum Be­trach­ten be­ka­men die Ver­suchs­per­so­nen noch die Auf­ga­be, jedes der ge­zeig­ten Ob­jek­te ge­dank­lich zu be­nen­nen. In ihrem ers­ten Ex­pe­ri­ment nah­men sie die Trai­nings und Test­da­ten­sät­ze meh­re­re Tage oder gar Wo­chen ge­trennt von­ein­an­der auf. Dabei soll­te eine be­stimm­te Lie­ge­vor­rich­tung si­cher­stel­len, dass sich die Köpfe der Ver­suchs­per­so­nen an etwa der­sel­ben Stel­le und in der­sel­ben räum­li­chen Aus­rich­tung be­fan­den. Nach dem Trai­ning konn­te die SVM schon mit nur 50 frei aus dem Ge­hirn ge­wähl­ten Da­ten­punk­ten mit 85%iger Ge­nau­ig­keit be­stim­men, zu wel­cher Ka­te­go­rie die ge­se­he­nen Ob­jek­te aus einem der Test­blö­cke ge­hö­ren (31). Schränkt man dabei die Aus­wahl der Da­ten­punk­te auf ob­jekt­spe­zi­fi­sche kor­ti­ka­le Area­le ein, sinkt die Er­ken­nungs­ra­te auf 41%, was je­doch immer noch deut­lich höher ist als der Zu­falls­wert von 10%. Diese Werte va­ri­ie­ren aber stark zwi­schen den Ver­suchs­per­so­nen. Bei einer zwei­ten wur­den nur 58% be­zie­hungs­wei­se 33% Ge­nau­ig­keit er­zielt. Doch lie­gen auch diese Er­geb­nis­se noch höher als der Zu­fall. In ihrem zwei­ten Ex­pe­ri­ment gin­gen Cox und Savoy noch einen Schritt wei­ter. Dies­mal teil­ten sie die Fotos der zehn Ob­jekt­ka­te­go­ri­en in je­weils zwei Hälf­ten: sechs Fotos für die Trai­nings­mes­sun­gen und sechs an­de­re für die Test­durch­läu­fe. Das heißt, dies­mal soll­te die SVM eine Zu­ord­nung für Hirn­da­ten tref­fen, die beim Be­trach­ten von Fotos ent­stan­den war, die zwar zur sel­ben Ka­te­go­rie ge­hör­ten, je­doch vor­her noch nicht ge­zeigt wur­den. Auch in die­sem Fall ge­lang die Er­ken­nung mit 59 bis 97%iger Ge­nau­ig­keit für die Ver­suchs­per­so­nen, be­zie­hungs­wei­se 29 bis 55%iger, wenn man die Aus­wahl der Da­ten­punk­te wie­der auf ob­jekt­spe­zi­fi­sche kor­ti­ka­le Area­le be­schränk­te. Das heißt, die Mus­ter­ken­nung konn­te be­stimm­te In­va­ri­an­ten in den ge­mes­se­nen Daten iden­ti­fi­zie­ren, die ei­ner­seits über die Mess­zeit­punk­te (Tage bis Wo­chen) oder an­de­rer­seits über die je­wei­li­gen Fotos hin­weg (alte und neue Fotos einer Ob­jekt­ka­te­go­rie) ge­ne­ra­li­siert waren. Die For­scher wer­ten dies als Hin­weis dar­auf, dass die Ob­jektre­prä­sen­ta­ti­on im Ge­hirn auf räum­lich ver­teil­te Weise ge­schieht, denn sonst wür­den die ge­won­ne­nen Mus­ter keine so gute Vor­her­sa­ge er­mög­li­chen.

bild

Abb. l Neue­re Aus­wert­ver­fah­ren su­chen nicht nach ein­zel­nen Bild­punk­ten, wel­che mög­lichst gut mit dem ex­pe­ri­men­tel­len De­sign kor­re­lie­ren, son­dern über­prü­fen räum­lich ver­teil­te Bild­punk­te auf spe­zi­fi­sche Zu­sam­men­hän­ge ihrer Ak­ti­vie­rung, das Mus­ter.

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