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Ritalin für das Abitur?

In den USA ist beispielsweise die Meinung weit verbreitet, Schüler könnten durch die Verwendung von Methylphenidat (MPH, bekannt durch das ADHD-Medikament Ritalin®) ihre Leistung in den üblichen College-Anwärter-Tests erheblich steigern.

So spricht Michael Gazzaniga von der Universität in Santa Barbara in seinem Buch "The Ethical Brain" (3) von einer Steigerung in Höhe von 100 SAT-Punkten (4), was in etwa sieben IQ-Punkten entspräche und im Einzelfall darüber entscheiden kann, ob ein Student an einem College angenommen wird oder nicht.

Die wissenschaftlichen Belege für solche Aussagen zu finden, erweist sich aber als schweres Unterfangen. Die Gruppe um Trevor Robbins und Barbara Sahakian von der Cambridge Universität fand beispielsweise in einer mit gesunden Freiwilligen durchgeführten Studie zur Wirksamkeit des MPHs als "cognitive Enhancer" ein zweideutiges Bild (5). Wie in solchen Untersuchungen üblich, wurden die Versuchspersonen zu zwei Terminen eingeladen, wobei einmal die erste und einmal die zweite Hälfte blind den Wirkstoff bekam und die anderen ein Placebo. Hierbei zeigte sich, dass beim ersten Termin tatsächlich die MPH-Gruppe bessere Ergebnisse in Tests für räumliche Spanne und räumliches Arbeitsgedächinis hatte. Dieser Unterschied nivellierte sich jedoch beim zweiten Termin bzw. kehrte sich für die räumliche Spanne sogar ins Gegenteil um: Hier war nun die Placebogruppe besser.

Auch in den Tests für Planungsstrategien zeigte sich ein ähnliches Bild. Robbins und seine Kollegen erklären das Ergebnis mit einer zweifachen Wirkung von MPH: Einerseits würde die Substanz die kognitive Leistung in neuen Situationen verstärken, andererseits aber auch die Impulsivität der Versuchspersonen steigern. Das führe dazu, dass die Freiwilligen unter Einfluss von MPH die Aufgaben beantworteten, bevor sie die nötige Information vollständig verarbeitet hätten, und daher mehr Fehler machten.

Für Schüler, die sich über Jahre auf das Abitur vorbereiten und daher mit den Aufgaben vertraut sind, könnte ein "Mind Doping" mit MPH also kontraproduktiv sein.

Ernüchternd sind auch die Ergebnisse zweier anderer Studien, die sowohl bei jungen Erwachsenen unter Schlafentzug als auch bei älteren Männern keine Verbesserungen kognitiver Leistungen durch MPH zeigten (6, 7). Allerdings führte MPH zur Selbstüberschätzung: In beiden Studien glaubten die Teilnehmer in der Substanzgruppe fälschlicherweise, dass ihre Leistungen sich verbessert hätten. Das könnte erklären, warum sich bei Anwendern das weit verbreitete Vorurteil über die Leistungsverbesserung durch MPH bestätigt.

Weiter: Hochleistung durch weniger Schlaf


Schleim, S; Walter, H.; Cognitive Enhancement. Fakten und Mythen; in: Nervenheilkunde 1-2 / 2007, S. 83-87.

Nervenheilkunde

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