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Der Markt hat schon längst reagiert

Während es noch keine - wissenschaftlich belegte - Substanz gibt, die sich unter diesen Gesichtspunkten als "cognitive Enhancer" eignen würde, streitet man derweil in der ethischen Diskussion darüber, wie häufig der Missbrauch - das bezeichnet die illegale Verwendung der verschreibungspflichtigen Substanzen - von "cognitive Enhancern" schon stattfindet.

Da heißt es mal, "tausende normaler, gesunder Kinder und Erwachsener" (17) oder "10% der High School Schüler und 20% der College-Studenten" (18). Diese Zahlen sind insofern verwirrend, als sie überhaupt nicht die individuelle Regelmäßigkeit und die Gründe für den Missbrauch berücksichtigen.

In einer nordamerikanischen Studie, an der über 10.000 Studenten an 119 Colleges teilnahmen, fand Sean McCabe vom Forschungszentrum für Substanzmissbrauch der Universität Michigan hingegen heraus, dass bescheidenere 4,1% der Studierenden im letzten Jahr und gar nur 2,1% im letzten Monat verschreibungspflichtige Substanzen missbraucht hatten (l 9). Untersuchungen an einzelnen Colleges, in denen aber auch eine nennenswerte Anzahl Studierender befragt wurden, bestätigen diese Zahlen (20).

In diesen und ähnlichen Studien konnten Forscher auch herausfinden, dass neben dem erhofften Konzentrationsschub oft auch Spaß, Erholung, ein "High"-Gefühl und - insbesondere unter Frauen - Gewichtsverlust als Motive genannt wurden.

Wenn Wissenschaftler mit extremen Zahlen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, machen sie diese Aussagen vielleicht zu einer Selffulfilling Prophecy, da dadurch mehr Schüler und Studenten zum "Mind Doping" motiviert werden könnten, wenn sie fälschlicherweise glauben, dass schon viele ihrer Kameraden und Kommilitonen ihre geistige Leistungsfähigkeit illegal steigern.

Problematisch erweisen sich unreflektierte Aussagen in den Medien und wissenschaftlichen Publikationen insbesondere dann, wenn sie naive Personen zur Beschaffung der Substanzen motivieren, die ausnahmslos verschreibungspflichtig sind oder sogar unter das Betäubungsmittelschutzgesetz fallen.

Beispielsweise reicht schon ein einfaches E-Mail-Konto aus, um beinahe täglich Werbung dubioser Quellen für potenzielle "Mind Doping"-Substanzen oder andere "Lifestyle Drugs" in Form von Spam-Mails zu erhalten.

Für die USA beläuft sich das geschätzte Volumen von im Ausland über das Internet bestellten Medikamenten auf 20 Millionen Packungen pro Jahr und die Foods & Drug Administration (FDA) schätzt, dass es sich bei 40% der in Argentinien, Kolumbien und Mexiko bestellten Mittel um Fälschungen handelt, die entweder verunreinigt sind oder im Wirkstoffgehalt stark schwanken (21).

In einigen US-Bundesstaaten blüht auch das Geschäft mit ganz legal über das Internet verkauften Stimulanzien. Rechtliche Grauzonen erlauben es dort Apotheken, die mit unseriösen Ärzten kooperieren, dass die Kunden in einem Online-Formular selbst anklicken können, welche Symptome sie angeblich hätten, woraufhin der Arzt dann automatisch ein Rezept ausstellt, ohne den "Patienten" auch nur gesehen zu haben.

Stichproben haben ergeben, dass manche Apotheken selbst dann das Medikament versandt haben, wenn Strohmänner der FDA in den Online-Formularen kontraindizierte Medikamente oder Gesundheitsfaktoren eingaben (21). Dies macht deutlich, warum trotz allem technologischem Fortschritt die Grenze zwischen Therapie und "Enhancement" klar gezogen werden sollte. Dies wird aller Voraussicht nach in Zukunft zunehmend eine der ärztlichen Aufgaben von Psychiatern und Neurologen werden.

Weiter: Herausforderungen für die Zukunft


Schleim, S; Walter, H.; Cognitive Enhancement. Fakten und Mythen; in: Nervenheilkunde 1-2 / 2007, S. 83-87.

Nervenheilkunde

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