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M10 – M11

M10: Mil­ton Fried­man: Wem ge­gen­über ist der Ma­na­ger/die Ma­na­ge­rin ver­ant­wort­lich?

Mil­ton Fried­man (1912 – 2006) er­hielt 1976 den No­bel­preis für Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten (kor­rek­ter: Al­fred Nobel Ge­dächt­nis­preis für Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten) und gilt als einer der ein­fluss­reichs­ten Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler des 20. Jahr­hun­derts. Unter an­de­rem ist ein kur­zer Auf­satz von ihm aus der „New York Times“ von 1970 be­rühmt ge­wor­den. Dort for­dert er, dass Un­ter­neh­mer grund­sätz­lich mo­ra­lisch zu ent­las­ten sind. Un­ter­neh­men sind, so Fried­man im Ge­gen­satz zu neue­ren Po­si­tio­nen etwa von Chris­ti­an Neu­häu­ser oder Peter French, höchs­tens sehr vage zur Ver­ant­wor­tung zu zie­hen, da sie als „künst­li­che Per­sön­lich­kei­ten“ nur ein­ge­schränkt ver­ant­wor­tungs­fä­hig sind. An­de­res gelte für die füh­ren­den Men­schen im Un­ter­neh­men, die sich im ope­ra­ti­ven Ge­schäft be­fin­den, also die Ma­na­ger. Diese sind, auch wenn sich Fried­man dazu nicht näher äu­ßert, wohl grund­sätz­lich ver­ant­wor­tungs­fä­hig, aber weder dazu aus­ge­bil­det noch dazu in der Lage: In einem Ver­ant­wor­tungs­kon­flikt sind sie immer zu­erst den Men­schen ver­pflich­tet, die sie mit Geld ver­sor­gen und denen sie sich ex­pli­zit ver­pflich­tet haben. In dem Mo­ment, wo ein Ma­na­ger ent­schei­det, auf Ge­winn zu­guns­ten der Um­welt zu ver­zich­ten oder seine Mit­ar­bei­ter bes­ser zu be­zah­len als er zwin­gend müss­te, würde er, wenn man Fried­mans Po­si­ti­on wei­ter­denkt, das Geld, das ihm von An­teils­eig­nern zur Ver­fü­gung ge­stellt wurde, ei­gen­mäch­tig ver­un­treu­en. Im Grun­de also etwa so han­deln wie ein Bank­an­ge­stell­ter, der, ohne seine Kun­den zu fra­gen, die Zin­sen ihrer Kon­ten für wohl­tä­ti­ge Zwe­cke nützt. Der Ma­na­ger würde seine Macht schlicht über­schät­zen und quasi Gott spie­len. Er ent­schei­det will­kür­lich, wen oder was er un­ter­stützt, ent­we­der nach ei­ge­nem Gut­dün­ken oder um in me­dia­len Dis­kur­sen gut da­zu­ste­hen. Ein wei­te­res Ar­gu­ment von Fried­man und Geg­nern der ethi­schen Ver­ant­wor­tung von Ma­na­ger/innen ist, dass Ma­na­ger/innen nicht aus­ge­bil­det sind, so­zi­al ver­ant­wor­tungs­voll zu han­deln: Führt eine von ihnen ver­an­lass­te Er­hö­hung der Ge­häl­ter zu einer Er­hö­hung der In­fla­ti­ons­ra­te? Sind In­itia­ti­ven, die Um­welt zu schüt­zen, nicht even­tu­ell kon­tra­pro­duk­tiv, weil das im bes­ten Ge­wis­sen mo­di­fi­zier­te Pro­dukt viel­leicht schlim­mer ist als das alte? Im Grun­de läuft die Ar­gu­men­ta­ti­on auf ein „Schus­ter, bleib bei dei­nen Leis­ten“ hin­aus.

Der zen­tra­le Auf­satz von Mil­ton Freed­man „The So­ci­al Re­s­pon­si­bi­li­ty Of Busi­ness Is to In­crea­se Its Pro­fits“ aus der New York Times von 13.09.1970 ist im Ori­gi­nal und in Über­set­zung im In­ter­net zu fin­den und mit leich­ter Be­ar­bei­tung (Kür­zung) mit den fol­gen­den Auf­ga­ben gut im Un­ter­richt ein­setz­bar.

Auf­ga­ben (M10)

  1. Geben Sie die Ar­gu­men­te gegen eine ge­sell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung des Ma­na­gers wie­der.
  2. Ge­wich­ten Sie diese Ar­gu­men­te: Wel­che hal­ten Sie für am über­zeu­gends­ten, wel­che über­zeu­gen Sie we­ni­ger?
  3. Er­ör­tern Sie die These: „Fried­man traut dem Ma­na­ger als In­di­vi­du­um doch reich­lich wenig zu“ und gehen Sie auf den Be­griff „Füh­rungs­kraft“ ein.
  4. Der deut­sche Wirt­schafts­ethi­ker Ul­rich Thiele­mann lie­fer­te ein Ge­gen­ar­gu­ment gegen diese Po­si­ti­on: Die An­teils­eig­ner wech­seln stän­dig und wer­den selbst bei jeder Ge­fahr von Ver­lus­ten ihre An­tei­le wie­der ab­sto­ßen. Sie haben kein In­ter­es­se am Un­ter­neh­men als sol­ches. Dis­ku­tie­ren Sie die­ses Ge­gen­ar­gu­ment.

M11: Ste­phen B. Young: Mensch­li­che Natur, Kul­tur und Ver­ant­wor­tung

Young ist Vor­sit­zen­der des „Caux Round Table“ einer Or­ga­ni­sa­ti­on in­ter­na­tio­na­ler Top-Ma­na­ger, die sich mit Fra­gen der Wirt­schafts­ethik be­schäf­tigt. Be­kannt wurde er durch sein Buch „Moral Ca­pi­ta­lism“ in dem er eine neue Sicht auf die Grund­la­gen der Markt­wirt­schaft bie­tet.

Mo­ra­li­scher Ka­pi­ta­lis­mus ba­siert auf dem Ge­dan­ken funk­tio­nie­ren­der Märk­te, des Pri­vat­ei­gen­tums und der Vor­stel­lung das auf­ge­klär­te Ei­gen­in­ter­es­se mit dem Ge­mein­wohl, das der mo­ra­li­sche Ka­pi­ta­lis­mus zur Ori­en­tie­rung hat, ver­ein­bar zu ma­chen. Zu be­to­nen ist ins­be­son­de­re, dass der Wert eines Un­ter­neh­mens auch den Good­will ein­schließt, der ak­ku­mu­liert wird, indem man gute Be­zie­hun­gen zu den Sta­ke­hol­dern pflegt und Ver­trau­en auf­baut. Un­ter­neh­men leben davon, dass sie gute Be­zie­hun­gen zu ihren Sta­ke­hol­dern auf­bau­en und sich ihrer dem­entspre­chen­den Pflich­ten be­wusst sind. Das heißt, Moral und Ei­gen­in­ter­es­se müs­sen sich über­lap­pen statt sich wech­sel­sei­tig aus­zu­lö­schen.

Auch die heu­ti­ge Wis­sen­schaft un­ter­stützt die These einer mensch­li­chen Natur. Die Evo­lu­ti­ons­bio­lo­gie sieht un­se­re Ent­wick­lung ge­ne­rell als Er­geb­nis so­zia­ler Ge­wohn­hei­ten, Re­zi­pro­zi­tät, Ar­beits­tei­lung und des Auf­baus der Struk­tu­ren wech­sel­sei­ti­ger Ver­läss­lich­keit. Viele Un­ter­su­chun­gen vie­ler Re­li­gio­nen im Hin­blick auf ihre För­de­rung mo­ra­li­scher Ver­hal­ten haben ge­zeigt, dass sich in den ver­schie­de­nen For­men mensch­li­chen Glau­bens ge­mein­sa­me Grund­an­lie­gen fin­den las­sen, die der Ver­mu­tung zu­sätz­li­ches Ge­wicht ver­lei­hen, dass unser mo­ra­li­sches Den­ken, bei aller Un­ter­schied­lich­keit im Kon­kre­ten, in sei­nen Grund­zü­gen über­all ähn­lich ist. Nach mei­ner Ein­schät­zung ist es ein­fa­cher, ein ge­mein­sa­mes Ver­ständ­nis für einen mo­ra­li­schen Ka­pi­ta­lis­mus zu ent­wi­ckeln als eine re­li­gi­ons­über­grei­fen­de Über­ein­stim­mung hin­sicht­lich des­sen zu fin­den, was uns Er­lö­sung bringt. Der Schlüs­sel für einen mo­ra­li­schen Ka­pi­ta­lis­mus ist die Ak­zep­tanz einer Ver­ant­wor­tung ge­gen­über den ver­schie­de­nen Sta­ke­hol­dern, die nicht nur in einer for­ma­len Be­ach­tung von Ei­gen­tums­in­ter­es­sen be­steht, son­dern auch den Vor­teil der an­de­ren im Blick hat be­zie­hungs­wei­se zu ver­mei­den ver­sucht, an­de­ren zum Är­ger­nis zu wer­den.

Da so­wohl die Gabe als auch das Ho­no­rie­ren von Ver­trau­en letzt­lich eine per­sön­li­che Fä­hig­keit ist, ist es wich­tig, dass die Men­schen darin auch immer wie­der be­stä­tigt wer­den. Des­halb sind kul­tu­rel­le Nor­men, Vor­bil­der und die ver­schie­de­nen Arten von po­si­ti­ven und ne­ga­ti­ven Feed­backs wich­tig, wenn es um Ver­trau­en geht. Wenn Ge­win­ne durch Miss­brauch von Ver­trau­en er­wor­ben wur­den, soll­te es eine Her­aus­ga­be die­ser Ge­win­ne geben und ein Ver­bot, künf­tig ent­spre­chen­de Macht­po­si­tio­nen be­klei­den zu dür­fen.

Ver­trau­en setzt einen Sinn für Moral und Ver­ant­wort­lich­keit vor­aus und ist umso be­stän­di­ger und ver­läss­li­cher, je mehr die­ser Sinn kul­ti­viert und ge­för­dert wird.

In­ter­view Ste­phen B. Young (zu­sam­men­ge­fasst und ge­kürzt). In: Sucha­n­ek, An­dre­as: Un­ter­neh­mens­ethik. In Ver­trau­en in­ves­tie­ren, Mohr Sie­beck, Tü­bin­gen 2015 (UTB Band 3990), S. 247-250.

Auf­ga­ben (M11)

  1. Ar­bei­ten Sie die Kern­be­grif­fe von Youngs Aus­sa­gen her­aus und set­zen Sie sie gra­phisch in Be­zie­hung zu­ein­an­der.
  2. Er­läu­tern Sie, wie Sie sich einen „mo­ra­li­schen Ka­pi­ta­lis­mus“ vor­stel­len. Wel­che Chan­cen hätte er? Wo­ge­gen müss­te er sich durch­set­zen?
  3. Schrei­ben Sie eine Re­plik an Fried­man aus der Sicht Youngs
  4. Spe­ku­lie­ren Sie (auch an Bei­spie­len): In­wie­fern wer­den Un­ter­neh­men durch „kul­tu­rel­le Nor­men“ und Feed­backs be­ein­flusst und in­wie­fern be­ein­flus­se sie selbst diese Kul­tur? Be­stim­men Sie, wie das Ver­hält­nis die­ser bei­den im Ide­al­fall aus­se­hen soll­te.

Um­set­zungs­bei­spiel Un­ter­neh­mens­ethik: Her­un­ter­la­den [docx][77 KB]

Um­set­zungs­bei­spiel Un­ter­neh­mens­ethik: Her­un­ter­la­den [pdf][323 KB]

Wei­ter zu M12 – M13