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Didaktisch-methodischer Kommentar

Didaktisch-methodische Grundüberlegungen

1. und 2. Doppelstunde

Anhand eines konkreten historischen Beispiels sollen die Schüler 8 in der ersten Doppelstunde affektiv mit dem Theodizee-Problem in Berührung kommen. In einem zweiten Schritt erst wird das Problem religionsphilosophisch reflektiert und mit Hilfe eines Einführungstextes begrifflich präzisiert, um somit den Boden für die religionsphilosophischen und theologischen Antwortmöglichkeiten auf die Theodizee-Frage zu bereiten, die in der arbeitsteilig angelegten Gruppenarbeitsphase beleuchtet werden sollen. Bei der Auswahl der Texte war leitend, dass die Autoren sich in ihrer Beantwortung der Theodizee-Frage explizit auf den Komplex „Auschwitz“ beziehen. Darüber hinaus war es dezidiert ein Anliegen, nicht nur inkriminierend-religionsphilosophische, sondern vor allem auch apologetisch-theologische Autoren zum Theodizeeproblem heranzuziehen. Außerdem war es darum zu tun, jüdische, aber auch christliche Autoren beider Konfessionen zu Wort kommen zu lassen, um eine Verengung auf die ‚Opferperspektive‘ zu vermeiden. Die hierfür bereitgestellten Textauszüge können entweder, wie skizziert, in ihrer Gesamtheit in einer Gruppenarbeit, aber auch in anderen Sozialformen und methodischen Konstellationen, z.B. in einem Lernzirkel oder nur in Auswahl, genutzt werden. Da die Texte sich in ihrem Anforderungsprofil unterscheiden, wird in folgender Übersicht der Lehrkraft die Möglichkeit gegeben, nur die Texte auszuwählen, die dem sprachlich-inhaltlichen Anforderungsniveau der Lerngruppe entsprechen; die Angabe des Schwierigkeitsgrads der jeweiligen Texte ist aber auch für Binnendifferenzierungen im Hinblick auf die Zuweisung bestimmter Texte an bestimmte Lerngruppen in der Gruppenarbeit hilfreich:

Autor: Text (Konfession) SCHWIERIGKEITSGRAD
Warum sich die Theodizee-Frage nach Auschwitz nicht stellt (jüd.)
Küng: Wenn Gott existiert, dann war Gott auch in Auschwitz! (kathol.) ◊◊
Jüngel: Die neuzeitliche Frage „Wo ist Gott?“ (evang.) ◊◊◊
Jonas: Der Gottesbegriff nach Auschwitz (jüd.) ◊◊◊◊
Ratzinger: Das Dunkel und die Helligkeit Gottes; Wo war Gott? (kathol.) ◊◊◊◊
Moltmann: Gott in Auschwitz und Auschwitz in Gott (evang.) ◊◊◊◊◊

Vor der Diskussion bzw. Problematisierung der einzelnen Ansätze ist eine Zuordnung des jeweiligen Ansatzes zu den im Einführungstext erwähnten Kategorien vorgesehen, um den jeweiligen Ansatz charakterisieren zu können und den systematischen Zusammenhang der Texte nicht aus dem Auge zu verlieren.

3. Doppelstunde

Während in den ersten beiden Doppelstunden die traditionelle Gottesvorstellung aufgrund historischer Leiderfahrungen in Frage gestellt wird, steht die positive Wirkung von Glaubensvorstellungen in allem Leid und trotz allen Leids im Zentrum der dritten Doppelstunde. Auf diese Weise halten sich Religionskritik und funktionalistische Verteidigung der Religion die Waage. Auch hier erfolgt der Zugang lebensweltlich anhand von Glaubenszeugnissen ausgewählter Holocaust-Überlebender. Hierauf erarbeiten sich die Schüler drei religionsphilosophische Positionen, die die Religion in ihrer (positiven) Funktion deuten. Entscheidend ist hierauf, die funktionalistischen Deutungen mit den eingangs erarbeiteten Glaubensvorstellungen abzugleichen und zu identifizieren. Die Abstraktheit des psychologischen (Fromm), philosophischen (Lübbe) und soziologischen (Luhmann) Deutungen des Phänomens Religion soll mittels der historischen Beispiele konkretisiert und veranschaulicht werden. Hierbei kann durchaus die Eindeutigkeit der Zuordnung sowie die Vergleichbarkeit selbst in Frage gestellt werden.

4. Doppelstunde

Die vierte Doppelstunde hat die Aufgabe, das in den vorherigen Doppelstunden Erarbeitete auf dem Hintergrund der Korrelation von Glauben und Wissen bzw. unter dem Blickwinkel des Verhältnisses von Theologie und Philosophie zu reflektieren. Bei der Auswahl der Texte war es darum zu tun, verschiedene Spielarten der Verhältnisbestimmung von Glauben und Wissen, wie sie philosophiehistorisch vertreten worden sind, zumindest holzschnittartig abzubilden, um die Kontroversität beizubehalten. Schopenhauer (1788-1860) steht hierbei für eine Position, die die Ausschließlichkeit von Glauben und Wissen sowie die Superiorität der Philosophie vor der Religion suggeriert. Gerhardt (geb. 1944) hingegen betont die Komplementarität von Glauben und Wissen sowie die Gleichberechtigung von Theologie und Philosophie. Auch hier können die Textausschnitte in ihrem Anforderungsprofil folgendermaßen charakterisiert werden:

Autor: Text SCHWIERIGKEITSGRAD
Schopenhauer: Glaube vs. Wisssen ◊◊
Gerhardt : Glauben, der dem Wissen nicht widerspricht ◊◊◊
Gerhardt: Allgemeingültiges Wissen, individueller Glauben ◊◊◊◊

Abschließend ist es darum zu tun, im Rekurs auf die Beantwortungen der Theodizee-Frage die in den jeweiligen Positionen implizit enthaltene Verhältnisbestimmung von Glauben und Wissen zu eruieren, um gleichsam in einer Metareflexion die unausgesprochenen epistemologischen Prämissen der jeweiligen Autoren zu ermitteln. Dies geschieht mit Hilfe der (heuristisch zu verstehenden) Dualität von Fideismus und Rationalismus; die Schüler sollen die einzelnen Autoren aufgrund ihrer Argumentationsweise bzw. anhand inhaltlicher Merkmale jeweils tendenziell eher der einen oder anderen Richtung zuordnen.

Methodisch wird in der vierten Doppelstunde auf das Aufgabenformat der geschlossenen bzw. halboffenen Aufgabenstellungen 9 zurückgegriffen, um angesichts der zunehmenden Komplexität und gedanklichen Dichte etwaiger Lese- und Textbearbeitungs-Unlust entgegenzuwirken. Solange sie nicht zu Prüfungszwecken gebraucht werden, stellen Texte mit „Ankreuzaufgaben“ eine spielerische und motivierende Form der Texterschließung dar. Darüber hinaus eignet sich das Aufgabenformat, um Textverstehensfertigkeiten – sowohl globales, selektives, als auch inferentielles Lesen – zielgenau einzuüben. Durch die Vorgabe möglicher Antworten, die zu prüfen sind, ist der Schüler herausgefordert, den gelesenen Text wiederholt genau und gleichsam mit ‚detektivischem Spürsinn‘ zu lesen, was im Idealfall zu einer immer tieferen Durchdringung des Textes führt. Darüber hinaus eignen sich geschlossene und halboffene Aufgaben auch in Lernumgebungen, die der Differenzierung bedürfen, da Lesefähigkeiten unterschiedlichen Niveaus zielgenau eingeübt (und geprüft) werden können.

(Konkrete unterrichtspraktische Hinweise zur Umsetzung finden sich im didaktischen Kurzkommentar in folgendem Unterrichts-Verlaufsplan.)


8 Hier und im Folgenden dient die maskuline Form als generisches Maskulinum, das geschlechtsabstrahierend gebraucht wird und sich somit auf alle Geschlechter bezieht.

9 Vgl. lehrerfortbildung-bw.de (heruntergeladen am 18.08.20); vgl. ferner: Michael Wittschier: Textschlüssel Philosophie. 30 Erschließungsmethoden mit Beispielen, Berlin (Patmos) 2018, S. 69-71.

Umsetzungsbeispiel Religion und Religionskritik: Wo war Gott in Auschwitz?: Herunterladen [docx][3 MB]

Umsetzungsbeispiel Religion und Religionskritik: Wo war Gott in Auschwitz?: Herunterladen [pdf][1 MB]

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