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Einführung: Das Theodizee-Problem

Jüdische Beantwortung der Theodizee-Frage

Beantwortung der Theodizee-Frage durch die katholische Theologie

Beantwortung der Theodizee-Frage durch die evangelische Theologie

Einführung: Das Theodizee-Problem

Einführungstext 1.0: Wie konnte Gott Auschwitz zulassen, wenn es ihn gibt?

Aufgabe

Lies den Text von Bernward Gesang (beachte auch die Texthilfen (*) auf diesem Blatt). Bearbeite und diskutiere hierzu folgende Arbeitsaufträge.

  1. Stelle dar, worin das Theodizee-Problem besteht.
  2. Charakterisiere das Gottesbild, das angesichts dessen, was in Auschwitz passiert ist, in die Krise geraten ist.
  3. Nenne die hier genannten Möglichkeiten, das Theodizee-Problem zu lösen.
  4. Erörtere, ob es aus deiner Sicht möglich ist, das Theodizee-Problem zu lösen oder ob angesichts dessen, was in Auschwitz passiert ist, die Vorstellung Gottes ganz aufgegeben werden muss.

Anmerkungen

Theodizeeproblem (Z. 4): Das Wort „Theodizee“ setzt sich (vermittelt über das franz. thÉodicÉe) zusammen aus griech. theos (Gott) und dike (Gerechtigkeit). Die Theodizee-Frage stellt also die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, also ob es gerecht von ihm ist, seine Geschöpfe leiden zu lassen. Man spricht bei Lösungen für das Theodizee-Problem auch davon, eine Rechtfertigung (der Vorstellung) Gottes angesichts des Übels in der Welt finden zu wollen.

1.0. Einführungstext: Wie konnte Gott Auschwitz zulassen, wenn es ihn gibt?

Auschwitz ist zu einem Inbegriff des sinnlosen Leidens geworden. Wo ist Gott bei all dem? Diese Frage beschäftigt die Leidenden, die Gläubigen und die Philosophen. Die Frage weist auf ein tiefliegendes Problem hin, das sich inzwischen als der Prüfstein für den Glauben an Gott schlechthin entpuppt hat. Dieses Problem trägt den Namen Theodizeeproblem*.

Das Theodizeeproblem ist das Problem der Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt. Wie konnte Gott das zulassen, wenn es ihn gibt? Das ist die Kurzform der dem Problem zugrundeliegenden Frage. Damit aus dieser Frage ein Problem entsteht, muss man über ein bestimmtes Gottesbild bzw. über einen bestimmten Gottesbegriff verfügen, der zu folgenden Aussagen führt:

  1. Gott ist allmächtig.
  2. Gott ist allwissend.
  3. Gott ist allgütig.

[…] Das Theodizeeproblem ist das Problem der Vereinbarkeit der drei benannten Aussagen über Gottes Eigenschaften mit der Existenz des Übels in der Welt. Wenn Gott allgütig, also vollkommen gut ist, dann wünscht er eine Welt ohne Übel. Wenn er zudem allmächtig ist, dann gibt es offenbar nichts, was für ihn unmöglich wäre. […] Ein allmächtiger Gott könnte seinen leidenden Geschöpfen helfen bzw. hätte sie niemals leiden lassen müssen. Weshalb leiden die Menschen und Tiere trotzdem? Die Ausflucht, dass Gott nicht um das Leid in seiner Schöpfung weiß, wird durch die Behauptung, dass Gott allwissend ist, verwehrt. Wir können das Theodizeeproblem in einem Schaubild veranschaulichen. Dazu bedienen wir uns der Zeichen → = „daraus folgt“ und ↔ = „steht im Widerspruch zu“. […]

  1. Gott ist allmächtig         →        …und könnte Leiden verhindern.
  2. Gott ist allwissend.        →        …und weiß, wie man Leiden verhindert.
  3. Gott ist allgütig              →        …und will Leiden verhindern.

  1. Es existiert Leid.           ↔        Es existiert kein Leid.

[…] Wenn ein Widerspruch vorliegt, muss an irgendeiner Stelle ein Fehler vorausgegangen, eine falsche These einführt worden sein. […] Es soll untersucht werden, ob das Theodizeeproblem in der Form auflösbar ist, dass man an der Behauptung „Gott existiert“ vernünftiger Weise festhalten kann. […] Um das Theodizeeproblem im Sinne derer zu lösen, die an Gott glauben, gibt es genau drei Möglichkeiten:

1. Man findet einen Weg, den Widerspruch zwischen den Aussagen über Gottes Eigenschaften und der Feststellung, dass es Leid in der Welt gibt, so zu erklären, dass man an diesen Eigenschaften festhalten kann. D.h. man entschärft den Widerspruch über bestimmte zusätzliche Annahmen. Man kann z.B. behaupten, das Übel in der Welt müsse existieren, damit wir das Gute als Gutes überhaupt wahrnehmen können. […] Mit dieser These macht man einen […] Versuch, Gott zu rechtfertigen oder, wie man statt dessen manchmal sagt, „eine Theodizee (= Rechtfertigung) durchzuführen“.

2. Man lässt eine der oben aufgelisteten Eigenschaften Gottes fallen, oder man interpretiert mindestens eine von ihnen so, dass der […] Widerspruch nicht zustande kommt. […]

3. Man verbietet die ganze Frage nach einer Rechtfertigung Gottes als Anmaßung. Gott ist seinen Geschöpfen keine Rechenschaft schuldig. Unsere menschlichen Maßstäbe sind niemals geeignet, um Gottes Weisheit zu verstehen. Deshalb sollten und dürfen wir gar nicht erst versuchen, eine Lösung des Theodizeeproblems aufzufinden.

(Aus: Bernward Gesang: Angeklagt: Gott. Über den Versuch, vom Leiden der Welt auf die Wahrheit des Atheismus zu schließen, Tübingen (Attempto) 1997, S. 21-25 (gekürzt, Hervorhebungen elidiert und der neuen Rechtschreibung angepasst); Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.)

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