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Re­vo­lu­ti­on

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Paul Nolte (2006):

[…] ei­ni­ge Grün­de für die Eta­blie­rung des 19. Jahr­hun­derts als der „pa­ra­dig­ma­ti­schen Mo­der­ne“ der So­zi­al­ge­schich­te:
Ers­tens spiel­te die Vor­stel­lung vom 19. Jahr­hun­dert als einem „Zeit­al­ter der Re­vo­lu­tio­nen“ eine be­son­ders wich­ti­ge Rolle auch in Deutsch­land, dem (110) ge­ra­de da­mals viel apo­stro­phier­ten Land der aus­ge­blie­be­nen oder ge­schei­ter­ten Re­vo­lu­ti­on. 1 Aus der an­gel­säch­si­schen For­schung wurde das Kon­zept eines „Zeit­al­ters der Re­vo­lu­tio­nen“ in der west­li­chen Ge­schich­te der Neu­zeit über­nom­men, na­ment­lich von Ro­bert Pal­mer und Eric Hobs­bawm. […] Trotz des deut­schen Re­vo­lu­ti­ons­de­fi­zits im Ver­gleich mit den west­li­chen Vor­bil­dern war die Re­vo­lu­ti­on bald das Pa­ra­dig­ma der deut­schen Ge­schich­te im 19. Jahr­hun­dert: von der Re­form­zeit als einer kom­pen­sier­ten Re­vo­lu­ti­on oder „Re­vo­lu­ti­on von oben“ bis zur Reichs­grün­dung, die auf ähn­li­che Weise als ein Re­vo­lu­ti­ons­sub­sti­tut ge­deu­tet wer­den konn­te. (111) […]
Zwei­tens stell­te das „Zeit­al­ter der Re­vo­lu­ti­on“ in der Per­spek­ti­ve der So­zi­al­ge­schich­te der sieb­zi­ger Jahre einen welt­his­to­ri­schen Ein­schnitt von kaum mehr zu über­bie­ten­der Tiefe dar. Die Hobs­bawm­sche dual re­vo­lu­ti­on , von Weh­ler als „Dop­pel­re­vo­lu­ti­on“ ad­ap­tiert, ent­hielt mit der In­dus­tri­el­len Re­vo­lu­ti­on einen Um­bruch, des­sen Be­deu­tung wei­ter über die her­kömm­li­chen Epo­chen­schei­den hin­aus­ging. Sie mar­kier­te eine ruck­ar­ti­ge Um­stel­lung der ele­men­tars­ten Prin­zi­pi­en wirt­schaft­li­cher, ge­sell­schaft­li­cher, auch tech­no­lo­gi­scher Or­ga­ni­sa­ti­on, der in der ge­sam­ten Mensch­heits­ge­schich­te über­haupt nur mit dem Über­gang zur Sess­haft­wer­dung in der Jung­stein­zeit, mit der so­ge­nann­ten „neo­li­thi­schen Re­vo­lu­ti­on“ ver­gleich­bar sei. (112)


Paul Nolte, Ab­schied vom 19. Jahr­hun­dert, in: Jür­gen Os­ter­ham­mel, Die­ter Lan­ge­wie­sche, Paul Nolte (Hrsg.), Wege der Ge­sell­schafts­ge­schich­te. Göt­tin­gen 2006 (GuG, Son­der­heft 22), S. 103 - 132, hier: S. 110ff.)

1 Die­ses ne­ga­ti­ve Motiv der Re­vo­lu­ti­ons­ge­schich­te spie­gelt sich noch in dem ers­ten Satz von Weh­lers Ge­sell­schafts­ge­schich­te: „Im An­fang steht keine Re­vo­lu­ti­on“, wird dann aber po­si­tiv um­ge­deu­tet in das Kon­zept der in­dus­tri­ell-po­li­ti­schen „Dop­pel­re­vo­lu­ti­on“ in der Mitte des 19. Jahr­hun­dert.

 

„Re­vo­lu­ti­on“ Paul Nolte (2006): Her­un­ter­la­den [doc] [26 KB]