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Glie­de­rung Kurs­stu­fe 11/12

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Leit­per­spek­ti­ve 11/12: Am­bi­va­len­zen 1 der Mo­der­ni­sie­rung 2 und kon­kur­rie­ren­de Lö­sungs­mo­del­le 3 - Das li­be­ra­le 4 Pro­jekt der Mo­der­ne 5 und seine Geg­ner 6

11: „Die Erste Mo­der­ne“ – Auf­stieg und Krise des li­be­ra­len Pro­jekts (1776 - 1945): Die „bür­ger­li­che Ge­sell­schaft“ 7 zwi­schen Uto­pie 8 und Wirk­lich­keit

  1. „Sat­tel­zeit“ und „po­li­tisch-wirt­schaft­li­che Dop­pel­re­vo­lu­ti­on“ 1750 - 1850: For­mie­rung und Auf­stieg des li­be­ra­len Mo­der­ni­sie­rungs­mo­dells – In­dus­tri­el­le Re­vo­lu­ti­on und po­li­ti­sche Re­vo­lu­tio­nen 1776, 1789, 1848
  2. Be­schleu­nig­tes Mo­der­ni­sie­rungs­tem­po 9 , Mo­der­ni­sie­rungs­ver­lie­rer und Nie­der­gang des li­be­ra­len Mo­dells 10 : Kai­ser­reich, Jahr­hun­dert­wen­de und Ers­ter Welt­krieg – Krise der „Klas­si­schen Mo­der­ne“ 11 (1885 - 1918)

1 Dem nach­ste­hen­den Glie­de­rungs­ent­wurf liegt die An­nah­me zu­grun­de, dass der sich zu­se­hends be­schleu­ni­gen­de Pro­zess der Mo­der­ni­sie­rung am­bi­va­lent ist, weil er ei­ner­seits Chan­cen und Ri­si­ken in sich birgt, an­de­rer­seits Sie­ger und Ver­lie­rer pro­du­ziert (vgl. z. B. Röd­der 2009). Es stellt sich in di­dak­ti­scher Per­spek­ti­ve also die Frage nach den in­di­vi­du­el­len Ge­win­nen und den so­zia­len Kos­ten der Mo­der­ni­sie­rungs­pro­zes­se für die be­trof­fe­nen Men­schen, die mit die­ser Am­bi­va­lenz um­ge­hen müs­sen. Dar­auf hat schon Max Weber am Bei­spiel der Ra­tio­na­li­sie­rung hin­ge­wie­sen, die den mo­der­nen Men­schen durch die „Ent­zau­be­rung der Welt“ zwar von Magie und My­thos be­freit, ihn aber gleich­zei­tig in ein neues „Ge­häu­se der Hö­rig­keit“ ein­ge­sperrt habe (Max Weber, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft. 1922). Den „pa­ra­do­xen Cha­rak­ter der Mo­der­ni­sie­rung“ be­to­nen auch Loo/Rei­jen 1992, 36ff.

2 Der Mo­der­ni­sie­rungs­be­griff ist unter His­to­ri­kern mitt­ler­wei­le we­ni­ger um­strit­ten als noch in den 1980er/90er Jah­ren, er um­schreibt z. B. nach Ul­rich Her­bert die fol­gen­den drei Teil­pro­zes­se: 1. wirt­schaft­li­che und tech­ni­sche Mo­der­ni­sie­rung (öko­no­mi­sche Ra­tio­na­li­sie­rungs- und Wachs­tums­pro­zes­se), 2. po­li­ti­sche und so­zia­le Mo­der­ni­sie­rung (Par­la­men­ta­ri­sie­rung der po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen, De­mo­kra­ti­sie­rung von Ver­wal­tung und Abbau von un­über­wind­li­chen Klas­sen­un­ter­schie­den und -schran­ken), 3. die Mo­der­ni­sie­rung der Le­bens­wei­sen und -nor­men und der po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen (Par­ti­zi­pa­ti­on, Plu­ra­li­tät und Abbau hier­ar­chi­scher und au­to­ri­tä­rer Struk­tu­ren), vgl. Her­bert, Li­be­ra­li­sie­rung als Lern­pro­zess, 2002, S. 12; vgl. auch Os­ter­ham­mel 2009, S. 19: „’Meis­ter­erzäh­lun­gen’ sind le­gi­tim. Die post­mo­der­ne Kri­tik an ihnen hat sie nicht ob­so­let, son­dern be­wuss­ter er­zähl­bar ge­macht.“ Os­ter­ham­mel plä­diert für Ei­sen­stadts Kon­zept der „mul­ti­ple mo­der­nities“ (2009, 1281).

3 Frei nach Toyn­bees Chal­len­ge-Re­s­pon­se-An­satz (A Study of His­to­ry, 1934ff.); vgl. auch Chris­tof Mauch/Kiran Patel (Hg.), Com­pe­ting Mo­der­nities, New York 2009.

4 Peter Brandt be­trach­tet die „Li­be­ra­li­sie­rung aller Le­bens­be­rei­che, der Wirt­schaft und Ge­sell­schaft eben­so gut wie der Po­li­tik und Kul­tur […] als Kern all­sei­ti­ger ge­samt­eu­ro­päi­scher Mo­der­ni­sie­rung“ (Li­be­ra­lis­mus, in: Lutz Nietham­mer u.a., Bür­ger­li­che Ge­sell­schaft in Deutsch­land. Frank­furt/Main 1990, S. 143); jetzt zu­sam­men­fas­send: Chris­to­pher Bayly, Li­be­ra­lism at Large, in: Bayly/Bia­gi­ni 2008; ähn­lich Os­ter­ham­mel 2007, 128: „fand eine fun­da­men­ta­le bür­ger­li­che Welt­an­schau­ung – der Li­be­ra­lis­mus – An­hän­ger in jedem Kon­ti­nent“; zur Ab­gren­zung von Li­be­ra­lis­mus und Li­be­ra­li­sie­rung vgl. Her­bert 2002, S. 14: „Wäh­rend ‚Li­be­ra­lis­mus’ als Be­griff für po­li­ti­sche und öko­no­mi­sche Pro­gram­me ver­stan­den wird, be­zo­gen vor allem auf Stär­kung der In­di­vi­du­en und Rück­bin­dung der Kom­pe­ten­zen des Staa­tes auf die Ga­ran­ti­en der Grund­rech­te, auf Leis­tungs­idee, Markt­ori­en­tie­rung und Rechts­gleich­heit, so ist ‚Li­be­ra­li­sie­rung’ im hier ver­wen­de­ten Zu­sam­men­hang ein wert- und hand­lungs­be­zo­ge­ner Be­griff der po­li­ti­schen Kul­tur, der sich vor allem auf Men­ta­li­tä­ten, Wahr­neh­mungs-, Ak­ti­ons- und Re­ak­ti­ons­mus­ter be­zieht, mit­hin auf Dis­po­si­ti­ons­struk­tu­ren der Ge­sell­schaft von der Fa­mi­lie bis zur Re­gie­rung.“

5 Be­griff von Ha­ber­mas, Die Mo­der­ne – ein un­voll­ende­tes Pro­jekt (1980), vgl. auch Ul­rich Her­bert, in: JMEH 2007.

6 Frei nach Pop­pers „The Open So­cie­ty and Its En­emies“ (1945) und Po­lany­is “Great Trans­for­ma­ti­on” (1944).

7 vgl. zu­sam­men­fas­send z. B. Bauer 2004, Wir­sching 2006, Nonn 2007; Kocka zum Zu­sam­men­hang zwi­schen Li­be­ra­lis­mus und Bür­ger­tum: „Das Bür­ger­tum stell­te die wich­tigs­te Basis des Li­be­ra­lis­mus dar“ (APuZ, 9-10, 2008, S. 4).

8 Kocka cha­rak­te­ri­siert z. B. das „Mo­dell der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft“ als „im­po­nie­ren­den Ent­wurf, durch­aus uto­pisch und be­son­ders zu Be­ginn des 19. Jahr­hun­derts weit von der Wirk­lich­keit ent­fernt. […] Über­haupt blieb die Wirk­lich­keit des 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­derts weit hin­ter dem Mo­dell der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft zu­rück.“ (2008, S. 5). Auch Her­bert spricht im Hin­blick auf das bür­ger­li­che Pro­jekt von einer „Uto­pie“ (vgl. Fn. 9).

9 Bayly 2006, 564ff: „Die große Be­schleu­ni­gung, ca. 1890 - 1914“, bes. 578: „… ist of­fen­sicht­lich, dass sich seit 1890 über­all auf der Welt das Tempo be­schleu­nig­te und sich zahl­rei­che Span­nun­gen auf­stau­ten.“ Vgl. auch Her­bert 2007.

10 Her­bert 2007, vgl. auch Os­ter­ham­mel (2007, 129), der das 19. Jahr­hun­dert sogar in welt­ge­schicht­li­cher Per­spek­ti­ve als „ein Jahr­hun­dert der Eman­zi­pa­ti­on und neuer Ex­klu­si­on , der Be­frei­ung und des Rück­zugs von Welt­of­fen­heit und To­le­ranz“ sieht. Als Bei­spie­le für die wach­sen­de Ex­klu­si­on führt er u. a. die Ras­sen­tren­nung in den Süd­staa­ten der USA nach dem Bür­ger­krieg und den wach­sen­den An­ti­se­mi­tis­mus in Eu­ro­pa an (ebd. 129f.).

11 Det­lev Peu­kert, Die Wei­ma­rer Re­pu­blik. Kri­sen­jah­re der Klas­si­schen Mo­der­ne. Frank­furt am Main (Suhr­kamp) 1987.


 

Glie­de­rung Kurs­stu­fe 11/12: Her­un­ter­la­den [doc] [43 KB]