Inhalt
Die Erzählung beginnt mit dem Entschluss des damals 16-jährigen Ich-Erzählers, das Gymnasium vorzeitig zu verlassen und stattdessen eine kaufmännische Ausbildung im „Keller“, einem Gemischtwarenladen in der in Salzburg verfemten „Scherzhauserfeldsiedlung“ zu machen. Dieser Entschluss wird vom Ich-Erzähler als Weg „in die entgegengesetzte Richtung“ beschrieben, eine Bezeichnung, die sich leitmotivisch durch die Erzählung zieht und die Abkehr des Ich-Erzählers von den Erwartungen der Gesellschaft, Institutionen wie der Kirche oder dem Staat und schließlich auch der eigenen Familie – den Großvater des Ich-Erzählers ausgenommen – an den Heranwachsenden bezeichnet. Der Entschluss stößt insgesamt auf Unverständnis, was besonders an der Reaktion der Beamtin auf dem Arbeitsamt deutlich wird, die immer wieder versucht, dem Schulabbrecher „die besten Adressen“ für eine Handelslehrstelle in Salzburg zu vermitteln. Nur widerwillig sucht sie auf dessen Drängen hin eine Adresse in der Scherzhauserfeldsiedlung heraus – eine Adresse, die in ihren Augen selbst für ein Kind aus der unteren Mittelschicht, wie es der Ich-Erzähler ist, nicht standesgemäß ist und für ihn nicht in Frage kommt. Der Ich-Erzähler selbst dagegen empfindet seine „Kehrtwendung“, das Gymnasium zu verlassen und die Lehrstelle im „Keller“ zu beginnen, als lebensrettend. In der antithetischen Logik der Erzählung erscheint der der Weg, den seine Erzieher für ihn vorgesehen haben, dagegen als tödlich. Die Figur Bernhard empfindet das Gymnasium als autoritären Ort der Unterdrückung seiner Individualität und der Ausübung von Zwang. Zudem fühlt er sich von seinen Mitschülern isoliert und sehnt sich schließlich nach „anderen“, d. h. anders denkenden, sich anders verhaltenden, Menschen. Diese ganz andere Art von Menschen findet er schließlich in den Bewohnern der Scherzhauserfeldsiedlung, mit denen er als Kunden im Gemischtwarenladen Kontakt hat. Es handelt sich dabei um Randexistenzen, um von der Gesellschaft ausgestoßene Menschen, die in prekären Verhältnissen leben. Hier fühlt sich der Ich-Erzähler nützlich. Denn der „Keller“ fungiert für die Bewohner der Scherzhauserfeldsiedlung als soziales Zentrum; er ist nicht nur ein Ort des Konsums, sondern auch ein Ort der Kommunikation und des Austauschs, der gleichzeitig die Grundversorgung garantiert.
Im „Keller“ baut der Ich-Erzähler seine sozialen Kompetenzen aus; er lernt die Nöte der Kunden und ihre Verzweiflung kennen und übt sich im Umgang mit den Menschen. Vorbild ist ihm dabei auch der Besitzer des Ladens und sein Vorgesetzter Karl Podlaha. Zusammen mit dem Großvater wird Podlaha zu einer wichtigen Bezugsperson für Bernhard. Beide beeinflussen seinen weiteren Werdegang entscheidend, weil sie ihm eine Nähe zur Kunst vermitteln. Podlaha hat ursprünglich Musiker werden wollen und zeigt eine große Leidenschaft zur Musik. Bernhards Großvater ist selbst Schriftsteller, auch wenn ihm nur Achtungserfolge vergönnt bleiben. Für Bernhard ist er die zentrale Figur seiner Kindheit und Jugend. Der Großvater ist es auch, der den Wunsch des Enkels, Sänger zu werden, immer mit Nachdruck unterstützt.
Die einjährige Lehrzeit im „Keller“ wird für den Ich-Erzähler zu einer Zwischenstation auf seinem Weg der Selbstfindung als Künstler, die ihn über die Musik schließlich zur Schriftstellerei führt. Rückblickend erinnert sich Bernhard aus der Distanz von 28 Jahren an diese Zeit und reflektiert in einem langen, fast absatzlosen Monolog seine Erfahrungen im „Keller“ und ihre Bedeutung für seine eigene Existenz.
Bernhard „Der Keller“: Herunterladen [pdf][182 KB]