Kafka process.png von Franz Kafka (Quelle: Literaturarchiv Marbach aus Louis Begley: Die ungeheure Welt, die ich im Kopf habe. Pantheon 2009, ISBN 978-3-570-55095-3, S. 268) [PD-US] via Wikimedia
In seiner vielbeachteten Rezension für die Zeitschrift
Die Weltbühne
schreibt Kurt Tucholsky mit Blick auf Kafkas 1925 posthum publiziertes
Romanfragment Der Process voller Bewunderung: „Kafka hat Bücher
geschrieben, einige wenige, unerreichbare, niemals auszulesende Bücher
(Die Weltbühne, 9.3.1926, Nr. 10, 383). Tucholsky war mit seiner
Einschätzung in der Mitte der 20er Jahre nicht allein. Gerade die
literarische Elite (u. a. R. Musil, C. Sternheim, Th. Mann) erkannte schon
früh die Ausnahmestellung Kafkas in der deutschsprachigen Literatur. Den
Ruhm als Autor mit weltliterarischer Bedeutung erlangte er jedoch erst
nach dem Zweiten Weltkrieg, als er durch die Rezeption der französischen
Existentialisten und amerikanischer Filmschaffender wie Orson Welles oder
David Lynch einem internationalen Publikum bekannt wurde. Im Zentrum der
Kafka-Begeisterung stand immer wieder Der Process, Kafkas Opus
Magnum. Der Roman zentriert sich um den Gerichtsprozess des
Bankangestellten Josef K., der – wie es im berühmten ersten Satz heißt –
„ohne dass er etwas Böses getan hätte, [...] eines Morgens verhaftet“ wird.
Bis zur theatralen Hinrichtung des Protagonisten im Schlusskapitel des
Romans bleiben jedoch der Grund für seine Verhaftung wie auch die
Beschaffenheit des geheimnisvollen Gerichts im Dunklen. Episodenhaft
schildert Kafka, wie Josef K. immer neue Anläufe unternimmt, um über die
Hintergründe seiner Anklage Auskünfte zu erlangen und das Gerichtsverfahren
zu beeinflussen. Dabei folgt der Roman nur an der Oberfläche realistischen
Begebenheiten. Tatsächlich schafft Kafka eine bedrückende, fast surreale
Welt. Gerichtskanzleien befinden sich auf Dachböden, der Zugang zum
Gerichtssaal des Untersuchungsgerichts erfolgt über einen Waschraum, der
Maler Titorelli malt immer dieselbe Heidelandschaft. All dies müsste Leserinnen und Leser
irritieren, auch weil Kafkas besondere Erzählweise sich jeder Erhebung des
Prozessgeschehens ins Allegorische oder Symbolische entgegenstellt. Bei
Kafka – so Tucholsky in seiner Rezension – stellt sich jedoch die Frage gar
nicht, ob es das alles gebe – „das gibt es, das ist so wahr, wie in der
Strafkolonie eine Tötemaschine steht, so wahr, wie sich der
Geschäftsreisende damals in einen Käfer verwandelte ... das ist so.“
Textausgaben (Hinweis: Textausgaben sind nur dann im Unterricht verwendbar, wenn sie der
Fassung der Kritischen Kafka-Ausgabe (Hg. Koch, Neumann, Pasley,) folgen.):
Franz Kafka: Der Process: Roman. Textausgabe mit Anhang,
Anmerkungen und Nachwort von Michael Müller. Stuttgart 1998
(Reclams Universal-Bibliothek)
Franz Kafka: Der Proceß: Roman (Originalfassung),
Frankfurt/M., 2011 (Neuausgabe TB)
Franz Kafka: Der Prozeß. Text und Kommentar. Frankfurt/ M.
November 2009 (TB SBB 18)
Kafka: „Prozess“: Herunterladen [pdf][252 KB]