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Di­dak­ti­sche Hin­wei­se & Ver­net­zung

Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

Kaf­kas Pro­cess-Roman stellt die schu­li­sche Re­zep­ti­on vor die dop­pel­te Her­aus­for­de­rung, so­wohl Deu­tungs­of­fen­heit zu­zu­las­sen als auch der um­fang­rei­chen Kafka-For­schung zu­min­dest in ei­ni­gen Grund­li­ni­en Rech­nung zu tra­gen. Damit die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Roman nicht in Be­lie­big­keit ver­sinkt, soll­te des­we­gen neben einer tex­timma­nen­ten Lek­tü­re ein in­halt­li­cher und me­tho­di­scher Rah­men ge­währ­leis­tet sein, mit dem sich eine An­nä­he­rung an Kaf­kas Schrei­ben be­werk­stel­li­gen lässt. Zu einer bes­se­ren Ein­ord­nung des Ro­mans in die Rah­men­be­din­gun­gen sei­ner Ent­ste­hung kön­nen his­to­risch-bio­gra­phi­sche Kon­tex­te wie der Beruf Kaf­kas als Be­am­ter in der Un­falls­ver­si­che­rung der Habs­bur­ger­mon­ar­chie oder die Er­kun­dung der kul­tu­rel­len Ni­sche des deutsch­spra­chi­gen Ju­den­tums in Prag bei­tra­gen (vgl. Stach). Pro­ble­ma­tisch sind da­ge­gen wei­ter­ge­hen­de bio­gra­phi­sche Be­zü­ge auf die fa­mi­lia­le Si­tua­ti­on (Brief an den Vater) oder die von Kafka als „Pro­zess“ be­zeich­ne­te Aus­spra­che mit Fe­li­ce Bauer und Grete Bloch in Ber­lin. Di­dak­tisch trag­fä­hi­ger er­schei­nen dem­ge­gen­über gat­tungs­poe­to­lo­gi­sche Ver­glei­che. So zeigt sich die Ei­gen­tüm­lich­keit von Kaf­kas Schrei­ben be­son­ders deut­lich, wenn man den Pro­cess mit gen­re­ty­pi­schen De­tek­tiv­ro­ma­nen oder Bil­dungs­ro­ma­nen ver­gleicht. Sicht­bar wird dann, wie Kafka kon­ven­tio­nel­le Er­zähl­wei­sen der bei­den Gat­tun­gen auf­nimmt, aber jede Hand­lungs­pro­gres­si­on auf­grund der Schwä­che der Haupt­fi­gur zum Still­stand kom­men lässt.

Eine be­son­de­re Be­ach­tung in der un­ter­richt­li­chen Be­hand­lung soll­te die „blin­de Pa­ra­bel“ Vor dem Ge­setz er­fah­ren. Sie wird von Kafka als mise-en abyme-Figur in den Roman ein­ge­bun­den. Ex­em­pla­risch steht sie für die Pro­ble­ma­tik einer ein­di­men­sio­na­len Deu­tung des Ro­mans, aber auch die aus ver­meint­li­chen Pa­ra­do­xa und her­me­neu­ti­schen Rät­seln her­vor­ge­hen­de Viel­falt an In­ter­pre­ta­ti­ons- und Er­schlie­ßungs­mög­lich­kei­ten.

Wei­te­re loh­nen­de di­dak­ti­sche Fel­der sind:

  • Ver­gleich von Vor dem Ge­setz mit der gleich­zei­tig ent­stan­de­nen Pa­ra­bel Ein Traum (Frage nach dem Ver­hält­nis von Autor und Text; Kör­per und Schrift)

  • Kon­textua­li­sie­rung mit dem Fall des An­ar­chis­ten Otto Gross (Gross wird von sei­nem Vater Hans Gross, einem Ju­ra­pro­fes­sor Kaf­kas, wegen Dro­gen­be­sit­zes den Ber­li­ner Be­hör­den ge­mel­det; Hans Gross’ „Hand­buch für Un­ter­su­chungs­rich­ter“ (erst­mals 1893) war eine mög­li­che Quel­le für die Ge­stal­tung der Ver­hö­re; Bsp.: „In der Regel sagt der In­qui­sit hier­bei we­nigs­tens zum Teile die Wahr­heit, tut er das aber nicht, so lernt man doch er­ken­nen, in wel­cher Weise er zu lügen pflegt.“; zit. n. Die­nes/Ro­ther 2003)

  • Ver­gleich mit Kaf­kas Ver­schol­le­nen (z. B. Ar­chi­tek­tur, Be­hör­den­sys­tem, Ver­gleich Karl Ross­mann – K., Frau­en­fi­gu­ren)

  • Ver­gleich mit der Li­te­ra­tur der spä­ten Habs­bur­ger-Mon­ar­chie (Roth: Ra­detz­ky­marsch) und des Pra­ger Krei­ses

  • Kri­mi­nal­li­te­ra­tur

Ver­net­zung

Rai­ner Maria Rilke: Die Auf­zeich­nun­gen des Malte Lau­rids Brig­ge (1910)

Georg Kai­ser: Von mor­gens bis mit­ter­nachts (1912)

Franz Kafka: Der Ver­schol­le­ne (1925, zu­erst 1912)

Jo­seph Roth: Ra­detz­ky­marsch (1932)

Al­bert Camus: Der Frem­de (1942)

 

Text­aus­ga­ben (Hin­weis: Text­aus­ga­ben sind nur dann im Un­ter­richt ver­wend­bar, wenn sie der Fas­sung der Kri­ti­schen Kafka-Aus­ga­be (Hg. Koch, Neu­mann, Pas­ley,) fol­gen.):

Franz Kafka: Der Pro­cess: Roman. Text­aus­ga­be mit An­hang, An­mer­kun­gen und Nach­wort von Mi­cha­el Mül­ler. Stutt­gart 1998 (Re­clams Uni­ver­sal-Bi­blio­thek)

Franz Kafka: Der Pro­ceß: Roman (Ori­gi­nal­fas­sung),‎ Frank­furt/M., 2011 (Neu­aus­ga­be TB)

Franz Kafka: Der Pro­zeß. Text und Kom­men­tar. Frank­furt/ M. No­vem­ber 2009 (TB SBB 18)

Kafka: „Pro­zess“: Her­un­ter­la­den [pdf][252 KB]